Archiv für Mai, 2012

Abel Ferrara hatte seine große Zeit in den 90ern, als der italo-amerikanische Regisseur (fast) in einem Atemzug mit anderen zeitgenössischen US-Indie-Filmemachern wie Tarantino oder Lynch genannt wurde. „King of New York“, „Bad Lieutenant“, „Snake Eyes“ waren Hits des Independent-Kinos, „Tha Addcition“ ein philosophischer Kunst-Vampirfilm in Schwarz-Weiß, „Das Begräbnis“ dann schon ein Abgesang auf die klassischen Mafiafilme à la Coppola oder Scorsese, in dem die famiglia nur noch vom Wahnsinn regiert wurde, quasi der mobfilm to end all mobfilms. Danach kam nicht mehr viel, jedenfalls nicht, was künstlerisch wertvolle Beiträge in Ferraras Werk angeht. Zwar haut er weiterhin kontinuierlich Filme raus, viele davon Dokumentationen, die Spielfilme sind aber eher unausgegoren, in deutsche Kinos finden sie ihren Weg schon lange nicht mehr.

Dass Ferrara auch vor seinem „Durchbruch“ schon zahlreiche Spielfilme inszeniert hatte, war mir gar nicht klar, bis ich zufällig diesen Artkel über seine 80er-Jahre-Werke las. Und mir daraufhin mal „Fear City“ auslieh, der tatsächlich der vielleicht beste seiner Filme ist, die ich gesehen habe. Die Stadt in Angst (oder angsteinflößende Stadt) des Titels ist natürlich New York, genauer das Vergnügungsviertel rund um den Times Square, wo sich Nachtclub an Stripbar und Kneipe an Disco reiht. Für den Nachschub in den Table Dance-Clubs sorgen die Inhaber einer „Talent-Agentur“, Matt (Tom Berenger) und Nicky (Jack Scalia), die auch, allerdings etwas im Unklaren gelassene, Verbindungen zur örtlichen Mafia haben. Matt trauert immer noch der gescheiterten Beziehung zu einer seiner Tänzerinnen (Melanie Griffith) nach und hat ansonsten eine schillernde Vergangenheit hinter sich, wie wir in immer wieder auftauchenden Erinnerungsfetzen erfahren. So war er früher erfolgreicher Profiboxer, bis er einmal zu hart zugeschlagen und seinen Gegner dadurch umgebracht hat.

Alte Wunden reißen wieder auf, als nacheinander mehrere von Toms und Nickys Schützlingen Opfer eines nächtlichen Schlitzers werden, eines Psychopathen, der sich vorgenommen hat, die Stadt vom unmoralischen „Schmutz“ zu befreien. Da die Polizei sich mal wieder als unfähig erweist (und natürlich streng nach Gesetz vorgehen will, auch wenn der leitende Detective, gespielt von „Star Wars“-Legende Billy Dee Williams, gerne mal einen Verdächtigen mit den Fäusten bearbeitet), machen sich Matt, Nicky und der Mob selbst auf die Jagd nach dem Serienmörder.

So weit die natürlich reichlich klischeehafte Story, aber worauf es in dieser Art Filmen viel mehr ankommt, ist die Atmosphäre, und die stimmt hier hundertprozentig. Stilistisch brilliant fängt Ferrara den Sündenpfuhl Großstadt ein, in Bildern voller Neonreklamen, ebenso wie in unbeleuchteten Gassen zwischen den Häuserblocks, in denen Dealer ihre Ware verticken. Wenn die Protagonisten in ihrem Wagen über die fast leeren nächtlichen Kreuzungen Manhattans rauschen und die Straßen von den wiederspiegelnden Leuchtreklamen rot und blau schimmern, kann man sich diesem poetischen Anblick kaum entziehen.

„Fear City“ ist auch ein typischer Vertreter seiner Zeit: Nicht nur Stars des 80er-Jahre-Kinos wie Berenger und Griffith, auch die Musik lässt nie vergessen, in welchem Jahrzehnt wir uns hier befinden – Drumcomputer und Saxofon dominieren den Soundtrack. Der Film ist im Grunde ein typischer Genrevertreter seiner Epoche, nur immer eine Spur rauher und dreckiger – was die Gewalt angeht wie auch den Sex. Oder wo sonst sah man schon mal einen Hollywoodstar wie Melanie Griffith so freizügig ihre Brüste präsentieren? (Wenn es dann doch einmal ernst wird für die Sexarbeiterin, also vor dem romantisch motivierten Sex mit ihrem Ex, blendet die Kamera allerdings genauso verschämt ab wie in einem x-beliebigen Mainstreamfilm.)

Es ist auch die Zeit, in der Männer noch besser mit ihren Fäusten als mit Worten umgehen konnten, verstummten, wenn es um ihre Gefühle ging. „I loved you too much“, sagt die von Griffith gespielte Tänzerin einmal zu Matt, „you should have talked to me more.“ – „Sometimes I don’t find the words“, bekennt der. So muss er am Ende dann auch erneut – eher widerwillig – seine Fäuste sprechen lassen, um sein Mädchen vor dem Messer des Killers zu retten, in eben einer dieser dunklen, schmutzigen Gasssen, in der sie eigentlich ihren Dealer aufsuchen wollte. Das finale Duell zwischen dem rauhen, aber gutherzigen „Zuhälter“ und dem gefühllosen Killer inszeniert Ferrara folgerichtig wie den Showdown im Western: eine leergefegte Straße und zwei Männer, die aufeinander zu kommen. „Do you think you’re a hero now?“, fragt danach der Detective, aber Helden gibt es in dieser Welt schon lange nicht mehr, nur Männer, die tun, was eben getan werden muss.

Ich stelle mir immer vor, ein Reisender von irgendeiner abgelegenen Inselgruppe trifft am Düsseldorfer Flughafen ein, begibt sich zu seinem Hotel und vor dem Eingang stehen dann Menschen in Militäruniformen mit überdimensionalen Wummen, Sturmtrooper und irgendwelche Aliens. Denkt sich dieser Reisende dann, dass in Deutschland immer alle so rumlaufen? Dabei ist er doch nur zufällig in das Hotel geraten, an dem sich an diesem Wochenende etwa 5000 Science-Fiction-Fans zur Fedcon treffen, der größten Veranstaltung dieser Art in Europa.

Interessant fand ich als blutiger Newbie, dass das Geschlechterverhältnis der Besucher ziemlich ausgeglichen war. Ich hatte ja eher mit einer Mehrzahl von männlichen, Bauch, Bart und Brille tragenden Nerds gerechnet. Die gab es zwar auch, aber ebenso ziemlich viele, ziemlich gutaussehende junge Frauen. Und ja, ich musste mir eingestehen, ich stehe auf Frauen in (Fantasie-)Uniformen.

Ein Monster stellt sich beim Costume-Contest dem Urteil der Jury, darunter einem Typen, der mal den klingonischen Kanzler gespielt hat (l.)

Worauf ich definitiv nicht stehe, ist Stargate, und nach dem Auftritt von Richard Dean Anderson weiß ich auch wieder, warum. So einen unsympathischen Schauspieler habe ich echt noch nicht erlebt: gelangweilt und überheblich, wobei man sich echt fragt, warum sich ein Typ, dessen Karierre sich auf zwei reichlich blöde Serien beschränkt, selbst so toll findet. Meine Lieblingsfrage war dann auch die einer 1985 noch gar nicht geborenen Frau, warum er als McGyver diese furchtbare Frisur getragen habe.

Schön auch eine Frage an Jonathan „Commander Riker“ Frakes: „I know that you have done the TV-show X-Factor, but I wonder why did you do this TV-show?“ Oder die Frage eines 13-jährigen Jungen: „Mit wie vielen verschiedenen Spezies hatten Sie in der Serie [TNG] eine Beziehung?“ Ansonsten kam in jedem Panel, in dem ich saß, irgendwann die naive Frage, ob der jeweilige Star denn Fan-Fiction seiner Serie kenne und schon mal gelesen habe. Die Antworten reichten von völligem Unverständnis („What? Fic? Fan-Fic? What the hell is that?“) bis zu der Auskunft, Kollegen hätten davor gewarnt, sich das anzugucken, weil die Figuren darin merkwürdige sexuelle Vorlieben und Beziehungen hätten.

Ein etwas schräges Franchise für ein Fankostüm: Thundercats. Wenigstens habe ich niemanden als Pony verkleidet gesehen.

Für reichlich Unverständnis sorgte die Politik, dass Gäste mit Tageskarte beim Auftritt von William Shatner nicht in den Hauptsaal durften. Nach lautstarken Buhrufen kam Shatner zumindest kurz in den Nebensaal, wohin sein Panel parallel übertragen wurde, um die Fans persönlich zu begrüßen. Ein netter Zug von Shatner, der überhaupt sehr natürlich und gänzlich unabgehoben rüberkam. Außerdem muss man anerkennen, dass der Mann ja wirklich eine Legende ist – im Gegensatz zu vielen anderen der „Stargäste“, die einem fast ein bisschen Leid tun konnten, zehren sie doch teilweise heute noch davon, dass sie vor zwanzig oder vierzig Jahren mal in einer erfolgreichen TV-Sendung dabei waren. Heute leben sie dann mangels Rollenangeboten wohl davon, „persönliche“ Meet and Greets für 400 Euro anzubieten wie Herr Anderson.

Die Security konnte einem manchmal ziemlich Angst einjagen; Fotos: kir

Was mir gefallen hat, war die tolerante Atmosphäre unter den Fans, wo Cardassianer und Bajoraner, Sturmtrooper und Zylonen einträchtig ihrem Hobby frönen, Eltern ihre kleinen Kinder schon in eine Star Trek-Uniform oder ein Jedi-Kostüm stecken. Wo Menschen im Rollstuhl alleine schon dafür vom Publikum gefeiert werden, dass sie sich in einem Fantasiekostüm auf die Bühne trauen. Trotzdem könnte ich persönlich wohl mit einer ER-Fanconvention mehr anfangen – oder mit dem Moosefest in Alaska.