Christian Kracht gehört zu den am meisten gefeierten zeitgenössischen deutschsprachigen Autoren. Nachdem ich schon seinem aktuellen Roman „Ich werde hier sein im Sonnenschein und im Schatten“ nichts abgewinnen konnte, habe ich nun doch noch ein Buch von ihm gekauft: „New Wave“ versammelt, relativ beliebig zusammen gestellt, verschiedene Texte, die von 1999 bis 2006 entstanden sind, für Zeitschriften, für nicht verwirklichte Filmprojekte u.ä. Stilistisch reicht das von Reisereportagen über kurze Erzählungen bis zu Theaterstücken – die allerdings eher eine Parodie auf die Gattung zu sein scheinen, als dass so etwas ernsthaft für eine Aufführung geschrieben zu sein scheint – und Briefwechseln.
Das Problem, das ich mit diesen Texten fast durchgehend habe, ist, dass ich mich ständig frage: Was soll das eigentlich? Manche sind zwar gut geschrieben, wie die etwas längere Erzählung „Der Gesang des Zauberers“, ergeben aber nicht wirklich Sinn. Andere sind zwar witzig, aber belanglos wie etwa die beiden abgedruckten Briefwechsel mit einer Auftraggeberin und zwischen einem Namensvetter und einem Fan. Wieder andere sind völlig überflüssig wie einige Fragmente für Erzählungen, die schon nach drei, vier Seiten abbrechen oder eben ein „Theaterstück“, das wohl irgendwie ironisch sein soll.
Am besten sind noch die Reisereportagen, und hier vor allem eine über einen Aufenthalt in der Mongolei, wo Kracht unbedingt ein Murmeltierrezept kosten möchte, sowie eine über eine Fahrt nach Tschernobyl, in der er den Super-GAU mit dem Meteoriten-Einschlag aus der Johannes-Offenbarung gleichsetzt. Die Art, in der Kracht erzählt, nennt man wahrscheinlich postmodern: Die Erzählungen und Filmtreatments haben keine wirkliche Handlung mehr, jedenfalls keine, in der es eine logische Entwicklung gäbe; sie führen nirgendwo hin außer ins Leere.
Anderes ist reine Selbstbespiegelung, wobei man nie genau weiß, inwieweit das nun alles authentisch ist, so wenn Kracht detailliert eine Fastenkur am Bodensee beschreibt (in bestem Tagebuchstil à la Hesse, inklusive Darmentleerung und täglicher Gewichtsangabe) oder in einem skurrilen Briefwechsel mit einer PR-Redakteurin, der er gleich lange Schilderungen persönlicher Erlebnisse schickt. Selbstverliebt könnte man diesen Stil auch nennen. Kracht scheint sich weniger für die Gegenstände seiner Texte zu interessieren, als für sich selbst. Über die Menschen in Djibouti und Kairo erfahren wir in seinen Reportagen wenig, über Krachts Ego um so mehr. Darin stellen sie das genaue Gegenteil der Reportagen anderer Autoren dar, die man gerne unter dem Popliteratur-Label zusammenfasst, wie etwa Helge Timmerberg oder Maxim Biller.
Insgesamt wirkt das Buch so, als hätte der Verlag einfach alles zwischen die zwei Buchdeckel gepresst, was von Kracht noch nicht in Buchform veröffentlicht war, um noch ein bisschen Geld mit seinem ja doch relativ populären Namen zu machen. Wenn das schon „Glanzstücke zeitgenössischer Literatur“ sein sollen, wie uns der Klappentext weismachen will. Bestenfalls sind darunter ein paar ganz witzige Texte zwischen vielen überflüssigen Entwürfen, die besser in der Schreibtischschublade geblieben wären, statt ans Licht der Öffentlichkeit gezehrt zu werden.
Christian Kracht: „New Wave“, 304 Seiten, 9,90 €, dtv