Was ist der Unterschied zwischen einer schlechten Sitcom und einer guten Comedy-/Dramedy-Serie? In ersterer lacht man über die Figuren, in zweiterer lacht man mit ihnen. Nach diesem Kriterium ist „Freaks and Geeks“ eine fantastisch gute Serie. Warum sie nach nur einer Staffel (1999/2000) abgesetzt wurde, wissen wohl nur die Verantwortlichen bei NBC.
Lindsie Weir kommt aus gutbürgerlichem Elternhaus, hat gute Noten und nimmt für ihre High School an den Mathe-Wettkämpfen teil. Kein Wunder, dass ihre Eltern es gar nicht gerne sehen, als sie sich langsam mit einer Gruppe von Außenseitern in ihrer Jahrgangsstufe anfreundet: Daniel, Nick, Ken und Kim sind Schulversager, aufmüpfig und hängen in ihrer Freizeit meistens einfach nur sinnlos rum oder fahren mit dem Auto durch die Gegend und johlen aus dem Fenster. Sie sind die Freaks aus dem Titel, vor denen die angepassten Schüler Angst haben, die als Schläger und Kiffer verschrieen sind. Lindsies kleiner Bruder Sam, ein High School-Freshman, ist für seine 14 Jahre körperlich etwas zurück geblieben. Seine besten Freunde sind der eloquente Neal und der schlaksige, hornbebrillte Bill. Die Drei unterhalten sich am liebsten über Star Wars, schlechte Fernsehserien und darüber, ob sich jemals eine Frau für sie interessieren wird („Sie ist Cheerleaderin und du hast Star Wars 27 Mal gesehen, rechne dir deine Chancen selbst aus.“). Sie sind die Geeks aus dem Titel. Die Serie verfolgt in ihren nur 18 Episoden den Alltag dieser beiden Schülergruppen zwischen täglichen Demütigungen ihrer Mitschüler, Konflikten mit Eltern und Lehrern und dem Versuch, ihren Platz im Leben zu finden.
Ich hatte mit High School-Serien nie was am Hut, „Wunderbare Jahre“ habe ich in den 80ern genauso wenig geguckt wie „Beverly Hills 90210“ in den 90ern, und für „O.C. California“ war ich in den 00ern dann auch schon zu alt. Aber „Freaks and Geeks“ ist nur formal eine typische High School-Serie. Wie der Name schon sagt, geht es hier mal nicht hauptsächlich um die Sportler und Cheerleaderinnen, um die Jungen, Schönen und Erfolgreichen. Sondern um die Außenseiter, die in anderen Serien und Filmen höchstens als lustige Sidekicks dienen. Die Geeks ebenso wie die Freaks wissen, dass sie anders sind, sie haben es damit nicht leicht in der Hierarchie ihrer Schule, aber sie würden auch gar nicht anders sein wollen. So viel sie auch in der „Peinlichkeits- und Demütigungsmaschine“ (Daniel Eschkötter in „Cargo“) High School einstecken müssen, so wenig lässt die Serie einen Zweifel daran, dass sie die eigentlichen Helden in deren Betrieb sind.
Von Judd Apatow, der hier als Executive Producer und teilweise als Autor und Regisseur fungierte, und der später Mainstream-Komödien wie „Schwanger beim ersten Mal“ drehte, hatte ich es nicht erwartet, aber die Serie ist nicht nur sehr komisch, sondern auch sehr warmherzig. Man muss nicht auf eine amerikanische High School gegangen sein, und noch nicht einmal auf eine deutsche gymnasiale Oberstufe, um sich in den Geschichten und Charakteren wieder zu erkennen. Denn die verwirrenden und teilweise schmerzhaften Erfahrungen der Teenagerzeit hat wohl jeder mitgemacht.
Die Serie ist nicht nur fast perfekt geschrieben, auch sonst stimmt alles: Inszenierung, Musik, SchauspielerInnen. Obwohl von den sieben Hauptfiguren sechs männlich sind, ist es gerade Linda Cardellini als Lindsie, die heraussticht als Teenagerin, die zwischen den Erwartungen ihrer etwas spießigen Eltern und der Lehrer sowie ihrem Wunsch, anders zu sein als der Durchschnitt, hin und her gerissen ist. Ein paar Jahre später stieß sie als Krankenschwester Sam Taggart zum ER-Cast; hier konnte sie aber viel mehr zeigen, was sie drauf hat. Auch die drei Geeks sind durchweg toll, während die drei männlichen Freaks erstaunlich farblos bleiben. Als zweite spätere ER-Darstellerin kommt dann noch Busy Phillips als Kim hinzu, das prollige Mädchen, dass hinter seiner aufmüpfigen Fassade nur seine tiefe Unsicherheit verbirgt.
Was die Serie aber vor allem auszeichnet, sind ihre genauen Beobachtungen, ihre treffenden Dialoge, ihre Liebe zu den Charakteren, die trotz all ihrer Schrullen und Defizite niemals vorgeführt werden. Und natürlich die Melancholie, die das Außenseitersein mit sich bringt. Wenn eine neue Schülerin, mit der die drei Geeks sich wider alle Wahrscheinlichkeit angefreundet haben, sie fragt, ob es ihnen etwas ausmache, wenn sie sich heute in der Mensa mal zu den Cheerleaderinnen setze, wissen die drei sofort, dass sie das nicht nur schöne, sondern auch noch nette Mädchen für immer an die oberflächlichen Mitschülerinnen verlieren werden. Aber statt auf sie sauer zu sein, geben sie ihr noch gute Ratschläge für den Umgang mit ihren zukünftigen Freundinnen mit auf den Weg. „Hey, es ist nicht so, als würde ich zurück nach Florida gehen“, erwidert sie daraufhin, „ich sitze nur einen Tisch weiter.“ Aber Sam, Bill und Neal wissen, dass die geografische Distanz nach Florida nicht größer sein kann als die soziale zwischen dem Tisch der Cheerleaderinnen und dem der Außenseiter.