Mit ‘Musikindustrie’ getaggte Beiträge

Ein interessanter Artikel über die Konferenz „all2gethernow“ in Berlin, die der geplatzten Popkomm (auch inhaltlich) etwas entgegensetzen sollte. Einige Parteivertreter scheinen da Gedanken zum Thema Urheberrecht und Erlösmodelle für die Musikindustrie vorgetragen zu haben, die auch zur Wahlentscheidung am kommenden Sonntag beitragen können:

„Demgegenüber wollte Malte Spitz aus dem Bundesvorstand der Grünen die in Frankreich bereits praktizierte „Three-Strikes-Regelung“ als Ideallösung verkaufen, die nach dem dritten Verstoß Internetsperren fürs Runterladen nach sich zieht. Da sich das Mediennutzungsverhalten aber stark verändert habe, plädiere er zusätzlich für die Einführung einer Kulturflatrate.“

Äh, widerspricht sich das nicht? Grundsätzlich für eine Kulturflatrate zu sein, gleichzeitig aber stärkere Strafen für illegales Downloaden zu fordern, ist in etwa so, als wäre jemand grundsätzlich dafür, Prostitution zu erlauben und gleichzeitig zu fordern, bis dahin müssten Freier aber drastischer bestraft werden. Dass ausgerechnet die Grünen inzwischen härtere Strafen für Delikte fordern, bei denen außer Konzernen niemand geschädigt wird, ist auch bezeichnend.

Und was ist mit den Piraten (ich mag inzwischen ja gar nicht mehr auf denen rumhacken, die haben’s ja im Moment in der Blogosphäre echt nicht einfach)?

„Ob die Piratenpartei Musik als Kulturgut wertschätzt, ob sie überhaupt einen Kulturbegriff hat, konnten ihre Vertreter nicht erklärlich machen. Einer der Ihren, der Filmrechteanwalt Patrick Jacobshagen, forderte etwa dazu auf, das Urheberrecht zeitlich stark zu begrenzen und das Zitatrecht auszuweiten. Wer also sein Kreuz für die Piraten macht, muss sich darüber im Klaren sein, dass dann in Zukunft zum Beispiel Songs von Die Ärzte unbehelligt auf Nazidemos gespielt werden dürfen.“

„Man wird nie vermeiden können, dass Menschen, die viel Zeit, aber wenig Geld haben, sich Sachen umsonst besorgen. Aber Du wirst die Menschen, die wenig Zeit, aber Geld haben, als Kunden gewinnen, wenn Du Zuverlässigkeit und Service bieten kannst.“

Tim Renner, einer der wenigen Plattenlabel-Bosse, der den Wandel verstanden hat, sagt noch andere kluge Dinge im „Freitag“-Interview.

Und ein schönes Stück über den Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg als Modell für ein besseres Leben in Deutschland von Mikael Krogerus (eh einer der besten Schreiber beim „Freitag“). (Ein Freund von mir hat sich in Friedrichshain vor knapp 15 Jahren mal in einem Studentenwohnheim die Krätze geholt, aber das ist eine andere Geschichte. Damals war das noch ein Stadtteil, in dem man nach Einbruch der Dunkelheit lieber nicht auf die Straße ging – so ändern sich die Zeiten.)

„Es ist eine bittere Pille. Doch der einzige Weg, Umsonst-Angebote zu bekämpfen, ist eine Umsonst-Strategie“, erklärt Mark Mulligan von der britischen Marktforschungsgesellschaft Jupiter Research.

Während Plattenmultis wie die EMI ums Überleben kämpfen, konnte die britische Verwertungsgesellschaft (entsprechend der deutschen GEMA) ihre Lizenzeinnahmen 2008 um 15 Prozent gegenüber dem Vorjahr steigern – und auch Bands wie die Nine Inch Nails verdienen nach wie vor prächtig an ihrer Musik. Nur die Konzerne wollen nach wie vor ausschließlich kleine silberne Scheiben zu überteuerten Preisen ans Volk bringen, das sich schon lange lieber die neueste Musik aus dem Netz auf ihren iPod saugt. Die Musik- (und sonstige Medien-) industrie zeigt immer mehr erschreckende Ähnlichkeit mit der Katholischen Kirche. Wenn uns die Gläubigen weglaufen, denken wir nicht darüber nach, ob mit unserer Haltung vielleicht was nicht stimmen könnte, sondern beschweren uns über die Menschen, die immer öfter vom allein seligmachenden Glauben abfallen…

Glaubt man dem Konzertveranstalter Marek Lieberberg, sind die Raubkopierer und Internet-Downloader Schuld am bevorstehenden Untergang des Abendlandes. In einem Gastbeitrag in der letzten SZ-Wochenendbeilage (leider nicht online gefunden) schlug er auf so ziemlich alles ein, was mit dem Internet zu tun hat: von den illegalen Film- und Musiksaugern über den „Perlentaucher“, der angeblich das Urheberrecht breche, in dem er „die gesamte feuilletonistische Print-Tagesausbeute auf den Markt [werfe], natürlich kostenlos“ bis zu den Bloggern („einfältigen Laien .., weil jeder Narr einen Blog oder ein Video ins Netz stellen kann„). „Wenn man diesem Wahnsinn nicht Einhalt gebietet, werden Reflexionen von Web-Zombies Filme, Musik und Bücher ablösen.“

Mal abgesehen davon, dass Lieberbergs Vorwürfe teilweise einfach inhaltlich falsch sind (Soweit ich weiß, weist der „Perlentaucher“ ja nur auf Feuilleton-Artikel hin und zitiert kurz aus diesen, packt aber nicht die gesamten Artikel auf seine Webseite, wie Lieberberg unterstellt.), spricht aus seinen Zeilen auch ein sehr merkwürdiges Demokratieverständnis. Blogger sind alle einfältig und Narren, Journalisten und Musiker aber immer hoch intellektuelle „Dichter und Denker“. Selbst wenn es so wäre: Wieso sollen sich Laien und Narren nicht öffentlich äußern dürfen? Es zwingt ihn und uns ja niemand, das auch zu lesen. Nach Lieberbergs Argumentation müsste man auch das allgemeine Wahlrecht abschaffen, denn zu 95 Prozent besteht das Volk ja aus politischen Laien, und „einfältige Narren“ sind bestimmt auch reichlich darunter, wenn ich mal so nach den Gesprächen in der Straßenbahn urteile (oder den „Doku-Soaps“ auf RTL II).

Dann bringt Lieberberg natürlich noch das Standard-Argument gegen Raubkopierer: „Millionen potentieller Zuschauer gehen nicht mehr bis zur Kinokasse, wenn sie einen neuen Film sehen wollen.“ Das ist schlicht und einfach Quatsch. Ich sehe das genauso wie der Wortvogel, der einen lesenswerten Artikel zum Thema Raubkopien geschrieben hat (in seinem Blog! Gebenedeitseistdu!): Ich glaube einfach nicht, dass weniger Leute ins Kino gehen, weil es Raubkopien und Bittorrent gibt. Leute, die gerne ins Kino gehen, tun das auch weiterhin, wenn ein Film läuft, der sie wirklich interessiert. Sonst wären Filme wie Star Wars Ep. I-III im Kino völlig gefloppt. Daneben schaut man sich dann vielleicht den ein oder anderen Film illegal aus dem Netz an. Den man sich aber in den meisten Fällen nie im Kino angesehen oder als DVD geholt hätte, wenn man diese Möglichkeit nicht gehabt hätte. Stattdessen hätte man dann eher gewartet, bis dieser im TV gelaufen wäre. Und die Kids, die sich massenhaft Filme und Musik auf ihren Rechner saugen, ohne dass sie sich das alles jemals ansehen oder -hören könnten, haben weder das Geld noch das Interesse, sich all diese Sachen stattdessen zu kaufen. Für sie ist das eher ein Sport, ein Wettbewerb mit ihren Kumpels, wer die meisten (und neuesten) Sachen hat (Ähnlich, wie zu meiner Schulzeit damit angegeben wurde, wer wie viele C64-Spiele kopiert hat. Gespielt hat man dann doch nur die paar, die einem wirklich gefallen haben.). Der Industrie gehen dadurch also kaum Einnahmen verloren.

Statt über Kopierschutz und Strafverfolgung sollte „die Industrie“ endlich mal anfangen, über eine Anpassung ihrer Preise an die Nachfrage und die zeitgemäßen technischen Vertriebswege nachzudenken. Solange eine neue CD 17 bis 19 Euro kostet (für 45 bis 60 Minuten Musik) und eine neue DVD 15 bis 20 Euro, braucht sie sich nicht zu wundern, wenn Schüler und Studenten kaum noch ihre Produkte kaufen. Wenn man sich bei iTunes nur irgendwelche alten „Grey’s Anatomy“-Folgen, die schon längst im deutschen Free-TV liefen, für mehrere Euro herunterladen kann, während man über Bittorrent die neueste Folge einer beliebigen US-Serie spätestens einen Tag nach der US-Erstausstrahlung kostenlos bekommt, fällt den meisten Serienfans die Entscheidung wirklich einfach. Was die ganze leidige Download-Debatte angeht, gibt es im Grunde nur eine sinnvolle (und praktikable) Lösung: die Einführung einer Download-Pauschale durch die Internet-Provider. Jeder DSL-Kunde müsste dann einige Euro pro Monat zusätzlich an seinen Anbieter zahlen, die dann, ähnlich wie die GEMA es bei den Radiosendern macht, an die Rechteinhaber verteilt werden, also an Musiker, Songschreiber, Filmemacher, Autoren und Produktionsfirmen. Dafür könnte sich dann jeder Internetnutzer beliebig viele Filme, Serien, Musikstücke und Bücher herunterladen. Kulturschaffende könnten weiterhin von ihrer kreativen Arbeit leben und ihre Kunst wäre endlich frei und legal überall verfügbar. Was spricht eigentlich gegen dieses Modell? Doch wohl nur die Scheuklappen der Medienindustrie, die sich an ihre alten Geschäftsmodelle und Ton-/Bildträger klammert wie ein Schiffbrüchiger an ein Stück Holz. Während sie vom bösen, bösen Internet-Strom hinweggespült wird.