Archiv für August, 2009

Brot fürs Volk, Kuchen für Schirrmacher

Veröffentlicht: 26. August 2009 in Journalismus
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„Sind also Zeitungen systemrelevant? Nein, ganz bestimmt nicht. Eher findet heute Abend eine Gangbang-Party im Vatikan statt. Und das ist ganz schlimm für dieses Land, unsere Gesellschaft, insbesondere für unsere Demokratie. Frank Schirrmacher gebührt Dank, dass er mittlerweile so weit fernab in einem Elfenbeinturm lebt und gar nicht mehr merkt, wenn er dies veröffentlicht.“

Chris von F!XMBR nimmt einen ironisch-rechtfertigenden Artikel von Frank Schirrmacher in der heutigen FAZ über seinen Besuch des Ackermann-Empfangs der Bundeskanzlerin als Anlass, polemisch die Frage zu stellen, ob unsere Zeitungen noch systemrelevant sind.

Dass der FAZ-Mitherausgeber Schirrmacher schon länger fast jeglichen Bezug zur Realität verloren hat, ist ja nun auch nicht gerade eine Neuigkeit. Ich erinnere nur an sein Lob des Scientologen (und höchst mittelmäßigen Schauspielers) Tom Cruise als mutigen Aufklärer.  Auch seine Leitartikel und Meinungs-Aufmacher, z.B. im FAS-Feuilleton sind desöfteren sehr merkwürdig (Von seinen Büchern möchte ich jetzt gar nicht erst reden.). Wenn er nun meint, sich in einem ironischen Tonfall öffentlich selbst anklagen zu müssen, weil die böse Öffentlichkeit (sprich: das gemeine Volk) es nicht okay findet, dass er als Mitglied der gesellschaftlichen Elite unseres Landes an einem vom Steuerzahler finanzierten Bankett zu Ehren eines Wirtschaftsbosses teilgenommen hat, obwohl er dort doch so interessante Gespräche geführt hat, u.a. mit Frau Schaeffler, Arend Oetker und dem Bankier von Metzler, ist das schon sehr peinlich. Für das nächste Buchprojekt des Herrn Schirrmacher schlage ich dann einen alten Titel von Peter Handke vor: „Ich bin ein Bewohner des Elfenbeinturms“.

Warum das Bundeskanzleramt einen Empfang für einen Topmanager gibt, dessen Hauptverdienste der massenhafte Abbau von Arbeitsplätzen sowie die Vernichtung von Geldwerten unvorstellbaren Ausmaßes sind, müsste mir auch noch mal jemand erklären.

WAZ-Gruppe kriegt die Quittung

Veröffentlicht: 21. August 2009 in Print
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Nachdem die WAZ-Gruppe im Juni den Einheits-Newsdesk für drei ihrer Zeitungen in NRW geschaffen hat, sind im Juli die Abozahlen massiv eingebrochen. Damit konnte natürlich niemand rechnen. Manchmal fragt man sich wirklich, wie bestimmte Führungskräfte eigentlich zu ihren Ämtern kommen, wo doch jeder, der über etwas gesunden Menschenverstand verfügt, deren Fehler schon im Voraus erkennen kann.

Die Bigotterie des Hubert Burda

Veröffentlicht: 16. August 2009 in Online, Print
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Der Vorsitzende des Zeitschriftenverleger-Verbandes fordert Geld von Google, wenn es auf journalistische Angebote verlinkt, während die Verleger selbst ihre freien Mitarbeiter mit Knebelverträgen ausbeuten. Die Folgen schildert Kai Schächtele in der taz:

„Dem freien Journalisten bleiben deshalb nur zwei Auswege, wenn er genauso unternehmerisch agieren will wie die Verlage: Entweder passt er seinen Arbeitsaufwand dem Honorar an und steckt weniger Zeit in die Recherche. Oder er sucht nach besser bezahlten Alternativen: Die PR-Branche etwa spannt freie Journalisten dafür ein, ihre Botschaften in die Medien zu hieven. So aber entsteht ein irreparabler Schaden an genau dem, wodurch das einzelne Stück geadelt werden soll: an der Glaubwürdigkeit. Damit zerstören die Verlage langfristig selbst die Grundlage ihres Geschäfts. Und wenn es keine journalistische Leistung mehr gibt, die es zu schützen lohnt, hilft auch kein Leistungsschutzrecht mehr.“

„Der Spiegel“: Ein rechtsfreier Raum

Veröffentlicht: 13. August 2009 in Online, Print
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Ich gebe zu, die Überschrift macht keinerlei Sinn. Genauso wenig wie diejenige, die „Der Spiegel“ diese Woche auf dem Cover hat: „Netz ohne Gesetz“. Oh nein, was soll das denn wieder, dachte ich mir, als ich vorhin den Tital am Kiosk hängen sah. Da hat man wieder einen boulevardesken Slogan aufgegriffen, der seit Wochen von Politikern und Publizisten in die Welt gesetzt wird, die nicht unbedingt Ahnung von der Materie haben, über die sie da reden. Und dann springt „Der Spiegel“, mit mehrwöchiger Verspätung mal wieder auf den längst abgefahrenen Zug auf und bastelt dazu eine Titelstory. Was an dem Thema wirklich dran ist, schreibt Ralf Schwartz sehr schön in seinem Blog:

„Ich sehe mehr Blut, Gewalt, Mord und Totschlag, Ausbeutung und Vergewaltigung von Frauen an einem einzigen TV-Abend als in meinem ganzen bisherigen Internet-Leben.

Jedes Callcenter von Telekom, vodafone, Bahn und Post verbreitet für mich mehr Angst und Schrecken als das Internet. In meinem ganzen Leben habe ich nicht ein einziges kinderpornographisches Bild, etc. im Internet gesehen. Das erste (und letzte) war das, was Frau von der Leyen irgendwo weichgezeichnet hochgehalten hat! Und ich kenne auch niemanden, der jemals eines gesehen hat.“

Ich hab die Geschichte jetzt nicht gelesen (meinen letzten „Spiegel“ habe ich 1998 gekauft), aber wenn sich das ehemalige Sturmgeschütz der Demokratie des Themas Internet annimmt, wird es sowieso meistens übel, wie die Erfahrung zeigt.

(Link via)

Hörtipp: Wo ist mein Koffer?

Veröffentlicht: 10. August 2009 in Lesetipp
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Ein wunderbares WDR5-Feature von Lotta Wieden über die Gepäckermittler am Frankfurter Flughafen, die helfen, verloren gegangenes Gepäck wieder aufzutreiben. Mit dem herrlich skurrilen Fall einer Frau, die 24 Stunden ohne ihren Koffer war, und deshalb von der Fluggesellschaft ihre Ersatzanschaffungen erstattet bekommen wollte: u.a. eine Hautcreme für 70 Euro, Sandalen für über 200 – und einen Designerkoffer für mehr als 400 Euro.