Mit ‘Lifestyle-Magazine’ getaggte Beiträge

Den Kinderschuhen entwachsen: Yps goes Neon

Veröffentlicht: 11. Oktober 2012 in Print
Schlagwörter:, , ,

Gediegenes Schwarz statt bunter Comicoptik: das neue Yps; Abb.: Egmont Ehapa

Seit Ehapa 1999 das kriselnde Yps von Gruner + Jahr gekauft hat, hat man viel mit dem Comicheftklassiker herumexperimentiert: erst heruntergewirtschaftet und nach gut einem Jahr eingestellt, 2005/06 einen ersten Relaunchversuch gestartet, zum zweiten Mal eingestellt – und nun versucht der Verlag es mit einem völlig neuen Konzept noch einmal. Heute liegt also Yps mit Gimmick 1258 an den Kiosken und es sieht komplett anders aus als alle seine Vorgänger.

Statt an die Kinder von heute wendet sich das neue Yps an die Kinder von damals, also an die, die in den 70ern und 80ern mit dem Magazin aufgewachsen sind. Denn Yps ist seit Jahren ohnehin ein Retro-Phänomen geworden wie MacGyver und der C64 (beide kommen dann sinnigerweise auch im neuen Heft vor). Ehapa appelliert mit dem neuen Testballon folgerichtig an die nostalgischen Gefühle der Altleser. In ironischer Anlehnung an Neon prangt auf dem Cover der abgewandelte Slogan „Eigentlich sind wir doch schon erwachsen!“. Ansonsten wirkt das Cover, das ganz ohne richtiges Titelbild und fast ohne Comicbezug auskommt, reichlich überladen und ziemlich spröde: Auf schwarzem Hintergrund werden kreuz und quer Themen aus dem Inhalt angepriesen. In der Ecke klebt dann noch das unvermeidliche Gimmick: die Urzeitkrebse samt Futter, die anscheinend bei keinem Relaunch fehlen dürfen.

Das Heft beginnt dann mit einer nostalgischen Strecke, die an das alte Yps und seine Leser erinnert: Auf vier Seiten gibt es einen informativen Rückblick auf die Geschichte des Magazins, danach Fotoeinsendungen alter Leser nach dem Motto „Vorher – nachher“, besonders gelungen ist eine Aufnahme einer Tanne aus einem Heft von 1981, die ihren Pflanzer inzwischen ums Fünffache überragt. Natürlich dürfen auch die unvermeidlichen Promis nicht fehlen, die zu ihren Yps-Erinnerungen befragt wurden. Insgesamt ein unterhaltsamer Einstieg ins Heft.

Ein echter Höhepunkt hätte das Interview mit dem langjährigen „Yinni und Yan“-Zeichner Heinz Körner werden können, leider zeigte der sich aber sehr wortkarg. Trotzdem lesenswert. Danach folgen einige neue (Kurz-)Comics, wovon der norwegische Familienstrip „Pondus“ und die neue Albenserie „Zombillenium“ überzeugen können. Im Anschluss folgt der Reportageteil: ein wenig informativer, aber angemessen launig geschriebener Artikel zur Frage, wie man als ehemaliger Yps-Geheimagent doch noch im richtigen Leben Spion werden kann, eine Reportage über die Suche nach Dinosaurierfossilien, ein Buchauszug eines echten Abenteurers und ein Rückblick auf den in den 80ern tobenden Kampf zwischen Spielkonsolen und Heimcomputern um die Vormachtstellung in den Kinderzimmern. Alles nicht weltbewegend, aber durchaus angenehm zu lesen. Überflüssig wirken hingegen die nun folgenden Fotostrecken mit Autos aus den 70ern/80ern und ihren heutigen Nachfolgemodellen sowie mit Zaubertricks. Auch die Modestrecke mit Yps, Kasper, Patsch und Willy hätte es nicht gebraucht, letztere sind aber wenigstens nett gezeichnet und wecken so noch einmal nostalgische Gefühle.

Wie natürlich auch die abschließende Comicstrecke mit Nachdrucken von Originalgeschichten aus dem alten Yps. Endlich hat es dabei auch das Yps-Fernsehteam „Yinni und Yan“ wieder ins Heft geschafft, der vielleicht größte Yps-Klassiker überhaupt. Die Serie war von Anfang an und bis kurz vor Schluss in (fast) jedem Heft vertreten und ist ohnehin ein zu Unrecht vergessener Schatz der deutschen Comicgeschichte. Die hier abgedruckte Episode aus der Hochphase der Serie (bevor Körner gezwungen wurde, seinen Zeichenstil immer mehr zu verkindlichen) gehört zwar nicht zu den besten, ist aber trotzdem sehr nett. Auch Peter Wiechmanns realistisch angelegter „Hombre“ kann in einer monochromatischen (braun-weißen) Fassung überzeugen.

Insgesamt hat die neue Redaktion vieles richtig gemacht: Die Comicauswahl ist wesentlich gelungener als beim letzten Relaunchversuch, sowohl die Klassiker als auch die Neuvorstellungen. In Artikeln und Rückblicken werden angenehme Kindheitserinnerungen geweckt, ohne dass man sich selbst und seine Generation zu ernst nehmen würde. Wirkten die vier Testausgaben von 2005/06 irgendwie lieblos zusammengeschustert, hat man diesmal offenkundig wesentlich mehr Gedanken und auch Liebe in das Heft einfließen lassen. Es reicht halt nicht, ein dünnes Heftchen mit einer neu gezeichneten Comicseite, ein, zwei kurzen Nachdrucken und ein paar willkürlich ausgewählten „modernen“ Einseitern zu füllen und auf den restlichen Seiten ein paar Wissensinfohäppchen zu präsentieren wie 2005 und dann zu hoffen, dass der Nostalgiefaktor alleine das Ding schon zu einem Selbstläufer machen wird. Zumal eine Kinderzeitschrift mit Nostalgiefaktor schon ein Widerspruch in sich ist, da den Kids von heute die Marke Yps überhaupt nichts mehr sagen wird.

Insofern ist die Neuausrichtung auf erwachsene Leser konsequent und wahrscheinlich die letzte Chance, das Magazin noch einmal dauerhaft zu etablieren. Die Frage ist nur, ob sich genügend groß gewordene Kindsköpfe oder im Herzen Kind gebliebene Erwachsene finden werden, die bereit sind, für ihre Jugenderinnerungen regelmäßig den doch recht hohen Coverpreis von 5,90 Euro zu bezahlen. Für die Zielgruppe der erwachsenen Comicleser ist der Comicanteil dann mit 25 von 100 Seiten doch zu gering und ob diejenigen, die mit Comics nicht mehr viel am Hut haben, für ein Retro-Lifestylemagazin mit Comicanteil knapp 6 Euro hinlegen wollen, bleibt fraglich. Das neue Yps konkurriert am Kiosk jedenfalls nicht mehr mit der Micky Maus und auch nicht mit dem schon vor 13 Jahren erfolgreich wiederbelebten ZACK, sondern mit anderen Nostalgiemagazinen wie „Kult“. Und der schnelle Tod von „Retro“ hat gezeigt, dass Nostalgie alleine für eine erfolgreiche Zeitschrift eben doch nicht reicht. Sollte Yps tatsächlich die Nr. 1259 erleben, wären ein größerer Comicanteil, etwas tiefgründigere Reportagen und dafür weniger Produktvorstellungen wünschenswert. Dann lasse ich mir mit dem endgültigen Erwachsenwerden vielleicht doch noch etwas Zeit.

Enten statt Miezen: "Donald"-Magazin; Abb.: Egmont Ehapa Verlag

Jetzt ist es also tatsächlich erschienen: das Männer-Lifestylemagazin „Donald“ des Egmont Ehapa Verlags. Auf den ersten Blick klingt die Idee höchst skurril, auf den zweiten ganz charmant. Beim Durchblättern fragte ich mich aber dann doch ständig, wer das nun eigentlich kaufen soll. In den Niederlanden sind immerhin schon mehrere Ausgaben des Titels erschienen.

Von den Themen interessierte mich höchstens der Artikel über 60 Jahre Micky-Maus-Magazin, der aber wahrscheinlich für Fans nichts wirklich Neues bietet (und zudem reine Verlags-Eigenwerbung ist). Interview mit den Ärzten? Wer interessiert sich denn bitte noch für Die Ärzte? Ebenso wenig möchte ich etwas über Simon Gosejohann, den ewigen Jugendfernsehpraktikanten, lesen. Die gefeaturten „Damen“ im Heft kenne ich durchgehend gar nicht erst. WTF ist Bettina Zimmermann (die sich als Daisy und Minni verkleiden durfte)? Wahrscheinlich ähnlich prominent wie Daniela Katzenberger. Auch „Cassandra, Christina & Co.“ sagten mir nichts. Dazu gibt es Modedesigner als (gezeichnete) Comicfiguren, Kochrezepte für Entengerichte (!) und die unverzichtbaren Gadgetvorstellungen, vom Handy bis zum schnellen Auto. Ach ja, und ein Centerfold mit Daisy Duck und eines mit Klarabella Kuh. Ich möchte jetzt lieber nicht wissen, welchen Fetisch man haben muss, um sich die an die Wand zu hängen.

Wer soll bloß die Zielgruppe sein, abgesehen von den Hardcore-Disney-Sammlern, die aber wohl keine 120.000 Exemplare rechtfertigen? Menschen, die Disney-Figuren mögen, aber für die „Micky Maus“ zu alt geworden sind? 14-16-jährige Jugendliche werden dann wohl doch lieber zum „Playboy“ oder zur „Maxim“ greifen, wenn sie Bock auf typische Männerthemen haben. Wem es um die Figuren geht, holt sich lieber das „Lustige Taschenbuch“, wer anspruchsvollere Comics sucht, die Bücher und Alben von Carl Barks oder Don Rosa. Und wer über Mode, Motoren und Menüs lesen will, ohne Titten serviert zu bekommen, wird wahrscheinlich die ständigen Comicfiguren auf den Seiten auf Dauer störend finden.

Viel interessanter hätte ich ja ein etwas anspruchsvolleres Kultur- und Lifestylemagazin mit Disney-Bezug gefunden, also mit Themen wie Kino, Internet, Musik usw. „Donald“ wirkt hingegen leider eher wie eine Mischung aus „Matador“, „Beef“ und „Gala Men“ – nur halt mit Disney-Figuren. Dass man übrigens für die „Micky Maus“ gar nicht zu alt sein kann, habe ich vor ein paar Tagen im Arzt-Wartezimmer gemerkt. Ich fand nämlich tatsächlich beide Comics, die ich gelesen habe, witzig. In NRW bekommt man übrigens diesen Monat bei Kamps jede Woche ein neues MM-Heft beim Kauf einer Knuspertüte hinzu. Davon hat man dann wahrscheinlich mehr als von dem Hochglanzmagazin für 5 Euro.

Die Erstausgabe: "Trip" Deutschland

Seit eineinhalb Wochen  liegt sie am Kiosk: die erste deutsche Ausgabe von „Trip“. Das Mutterblatt wurde 1986 von zwei Surfern in Brasilien gegründet und soll dort sehr erfolgreich sein. Der ehemalige „Hörzu“-Chefredakteur Thomas Grams hat das Magazin in einem eigens neu gegründeten Verlag für Deutschland adaptiert. Und ich muss sagen: Ich war beim ersten Durchblättern positiv überrascht – und bin es nach dem Lesen immer noch.

Männermagazine in Duetschland – das war biesher fast immer ein Trauerspiel. Zuletzt wurden „Matador“ und „Maxim“ eingestellt, kaum einer wird ihnen eine Träne nachgeweint haben. Und das Urgestein der Männermagazine, der „Playboy“, hat zwar immer wieder gute gesellschaftspolitische Reportagen und Starinterviews, aber auch viel überflüssigen Auto-, Technik- und ähnlichen Schnickschnack. Außerdem: Kann man sich als emanzipierter Mann ernsthaft von einer Zeitschrift angesprochen fühlen, die „Playboy“ heißt?

„Trip“ macht nun in seiner ersten Ausgabe fast alles richtig, was z.B. „Matador“ falsch gemacht hat: Statt seelenloser Beliebigkeit gibt es Themen, bei denen man merkt, dass sie den Autoren eine Herzensangelegenheit sind. Statt aufdringlicher und plumper Nacktfotos gibt es sparsame Fotostrecken mit ganz sanfter Erotik. Wegen der nackten Tatsachen wird sich wohl niemand das Heft kaufen – dazu sind sie einfach nicht nackt genug. Wegen der Reportagen schon eher. Denn „Trip“ traut sich, lange Texte zu drucken; da zieht sich ein Artikel über den LSD-Erfinder oder einen deutschen Top-Fotografen auch schon mal über acht oder zehn Seiten. Und: die meisten der längeren Stücke sind nicht 08/15, sondern teilweise 1a New Journalism, in der Ich-Form, mit persönlichen Ansichten und oft persönlicher Betroffenheit, schrieben doch gleich mehrere Autoren über Menschen, die sie seit längerem persönlich kennen oder mit denen sie gar seit Kindertagen befreundet sind.

Die Themenmischung ist etwas strange: Surfen, Drogen, St. Pauli und die Folgen der Schreckensherrschaft der Roten Khmer in Kambodscha. Aber das Erstaunliche ist: Es funktioniert. Selbst etwas banalen Themen wie den unterschiedlichen Vorstellungen von Mann und Frau bei der Hochzeitsplanung gewinnt der Autor noch einen recht witzigen Text ab (Einen Extrapunkt vergebe ich alleine für die Formulierung: „Die Tische im Golfclub sind mit Rispen- und Ranunkel-Gestecken geschmückt…“). Überflüssig sind lediglich die aber wahrscheinlich unvermeidliche Modestrecke sowie einige kürzere Elemente wie Umfragen u.ä., die man auch aus fast allen anderen Lifestyle-Zeitschriften kennt. Auch der Magazinteil vorne im Heft hätte ruhig etwa schmaler ausfallen können.

Auch der Online-Auftritt von „Trip“ überzeugt auf den ersten Blick: Komplette Artikel aus dem Heft gibt es dort zwar nicht zu lesen, immerhin aber längere Auszüge – und zusätzliche Artikel, webexclusiv, zzt. etwa einen Selbstversuch in Chatroulette. Insgesamt ist „Trip“ sicher nichts Weltbewegendes, nichts, was man nun jeden Monat kaufen und lesen müsste. Aber eine angenehm unaufgeregte, gut gelayoutete Zeitschrift mit interessanten, überwiegend gut bis sehr gut geschriebenen Texten und ansprechenden Fotos. Ich habe mich jedenfalls gut unterhalten gefühlt, und musste vorher nicht einmal mein Gehirn abschalten – was wesentlich mehr ist, als man über die meisten deutschen Männer- und/oder Lifestyle-Magazine sagen kann.

100.000 Exemplare hat Grams von der Erstausgabe drucken lassen. Dem Bauer-Verlag war das vor zwei Jahren als verkaufte Auflage zu wenig, um seinen „Matador“ fortzuführen. Hoffen wir, dass Grams mehr Geduld hat bzw. dass die Absatzzaheln seinen Erwartungen entsprechen. Es wäre ein schönes Zeichen, dass man mit niveauvoller Unterhaltung immer noch nicht nur gute Print-Titel machen, sondern damit auch erfolgreich sein kann.

Es gibt mal wieder ein neues Lifestyle-Magazin in Deutschland: FACES. So neu ist es allerdings gar nicht, denn es ist die deutsche Ausgabe einer Schweizer Zeitschrift, die dort schon länger erscheint. Als ich gestern im Buchladen durch das Heft blätterte, hatte ich beim Betrachten des Inhaltsverzeichnisses ein ziemliches Déjà Vu: Nicht nur, dass es eine Reportage von Tom Kummer über Charles Manson gibt, direkt darüber wurden gleich drei Kolumnen angekündigt, die ebenfalls von ehemaligen TEMPO-Autoren stammen: Uwe Kopf, Peter Glaser und Maxim Biller. FACES hat es also tatsächlich geschafft, das alte Triumvirat der TEMPO-Kolumnisten wieder in einem Heft zu vereinigen. Damals waren die Drei auch als KGB bekannt, abgeleitet von den Anfangsbuchstaben ihrer Nachnamen. Hinzu kommt dann noch Helge Timmerberg, der mit seinen wilden Reisereportagen in TEMPO auch als „deutscher Hunter S. Thompson“ bekannt wurde, und der in FACES eine, allerdings sehr kurze Kolumne schreibt.

Leider sind die weiteren Seiten des Heftes wesentlich uninteressanter als die ersten 40. Da geht es  nämlich hauptsächlich um Mode, Beauty und Reise, mit den üblichen Modefotostrecken und Shoppingtipps für Parfüm, Make up und Accessoires. Artikel über Film- und Popstars sind hingegen nie länger als eine Seite. Am Schluss gibt es dann noch Berichte über irgendwelche Society-Events mit Promifotos, wie man sie aus der BUNTEn kennt. Insgesamt ist das Heft eine merkwürdige Mischung aus der deutschen „Vanity Fair“, BUNTE und TEMPO. Schade, denn mit Autoren wie Kummer, Glaser, Biller und Timmerberg hätte ich echt auf ein insgesamt interessanteres Magazin gehofft.

Immerhin kann man die komplette Ausgabe (sowie die Back Issues) kostenlos als E-Paper im Netz lesen, sogar mit zusätzlichen Videos, die in die Seiten eingebaut sind (wobei die Biller-Kolumne sowie eine Contributors-Seite, auf der die fünf Ex-TEMPO-Mitarbeiter kurz vorgestellt werden, komischerweise fehlen). Vor allem die Kummer-Reportage über einen Besuch bei Charles Manson im Knast ist absolut lesenswert: typischer Kummer eben.

Print lebt: Aufstieg und Fall Nr.1

Print lebt: "Aufstieg und Fall" Nr.1

Print ist tot, hört man allerorten. Einige Optimisten scheint das nicht weiter zu interessieren, denn ständig werden neue Nischen-Magazine gegründet. Nach „Missy“ und „Cargo“ liegt seit Montag ein weiteres neues Magazin an den Bahnhofskiosken der Republik: „Aufstieg und Fall“ sieht ähnlich aus wie „DUMMY“, soll ebenfalls monothematisch sein, und setzt den Trend zu sperrigen Magazinnamen fort, den der (inzwischen von Springer wieder eingestellte) „Humanglobale Zufall“ im vergangenen Jahr eingeläutet hat. Der Titel ist laut meedia.de bei der US-Autorin und Gesellschaftkritikerin Flannery O´Connor entlehnt, die in den 60er Jahren ein Buch mit dem Titel „Everything that rises must converge“ veröffentlichte. Im ersten Heft geht es um genau das, ums Aufsteigen und Abstürzen.

Wie gesagt, beim Durchblättern erinnert das Heft stark an „DUMMY“: Lange Texte wechseln sich mit Fotostrecken ab, thematisch geht es um Gesellschaft und Kultur, das ganze ist schlicht-stylish gelayoutet und auf dickem Papier gedruckt. Auffällig ist, dass zwei Texte auf Englisch abgedruckt sind; hinten im Heft finden sich dann die deutschen Übersetzungen. Zumindest eine der Autorinnen der Debütausgabe ist halbwegs prominent: Ariadne von Schirach tingelte vor zwei Jahren mit ihrem Buch „Der Tanz um die Lust“ durch die Talkshows, in dem es um unsere übersexualisierte Gesellschaft ging. Hier bleibt sie ihrem Lieblingsthema treu und schreibt übers Hochschlafen.

Hinter „Aufstieg und Fall“ steckt mal wieder kein Großverlag, sondern wie bei o.g. Magazinneugründungen und wie auch bei „DUMMY“ eine Gruppe Idealisten, die das Magazin im Selbstverlag herausgeben, mit einer Auflage von 10.000 Exemplaren, alle drei Monate neu. Ungefähr so würde ich es auch machen, wenn ich das Geld hätte. Während Bauer, Burda, Springer & Co. jammern, dass ihr EBIT sinkt und die Anzeigenkunden ins Internet wandern, und deshalb alles wieder einstellen, was weniger als 100.000 Stück verkauft, kommen die Innovationen auf dem Zeitschriftenmarkt in den letzten Jahren fast immer von Klein- und Selbstverlagen. Print ist lebendig wie eh und je, wenn es nur gut gemacht ist.

Yesterday’s Papers (II): Twen

Veröffentlicht: 15. Juni 2009 in Allgemeines
Schlagwörter:, ,
Eine gute Frage: Twen vom Juli 1970

Eine gute Frage: "Twen" vom Juli 1970

Eine Zeitschrift, für die ich zu jung war, um sie noch mitzubekommen, war die „Twen“. Man stößt allerdings immer wieder mal in Büchern auf diese wohl erste deutsche Lifestyle-Zeitschrift für junge Erwachsene, die von 1959 bis 1971 erschien (Anfang der 80er gab es dann noch mal einen erfolglosen Relaunch). Wim Wenders hat für sie geschrieben, Jörg Fauser hatte einmal eine Titelstory über Drogen, deren Entstehungsheschichte er sehr anschaulich in seinem autobiographischen Roman „Rohstoff“ beschreibt: Abgesehen davon, dass er sowieso eine jahrelange Drogenkarriere hinter sich hatte, fuhr er unter anderem zu William S. Burroughs, um ihn zum Thema zu interviewen.

Am WE habe ich auf dem Düsseldorfer Bücherbummel mal wieder ein paar Hefte gesehen, u.a. das oben abgebildete. Ich kann die Faszination aus heutiger Sicht nicht so ganz nachvollziehen; die Themen erinnern mich teilweise eher an „Coupé“ oder „Bravo“. Wahrscheinlich muss man einfach dabei gewesen sein; mit meiner „TEMPO“-Begeisterung ist es vermutlich ähnlich. Die versteht wohl auch kaum einer, der nicht in den 80ern/frühen 90ern jung war. Vor allem scheint „Twen“ auch auf Designer einen nachhaltigen Einfluss ausgeübt zu haben. In entsprechenden Blogs findet man dazu heute noch einige Einträge.

Vor Kurzem hab ich noch darüber gemutmaßt, wie lange die „Galore“-Macher noch durchhalten, heute meldet die taz, dass Mitte Juni die letzte gedruckte Ausgabe erscheinen soll. Das ehemalige Interviewmagazin hat seit 2008 mehrmals das Konzept geändert, ging zunächst weg vom reinen Interview- zum Kultur- und Lifestylemagazin, verringerte dann seine Erscheinungsweise von monatlich auf zweimonatlich, um zuletzt damit zu werben, dass nun auch noch eine DVD beiläge, die inhaltlich überhaupt nichts mit dem Konzept des Heftes zu tun hatte. Das Segment Lifestyle scheint zzt. wirklich tot zu sein, die Liste der in letzter Zeit eingestellten Titel ist lang: Park Avenue, Vanity Fair, Max, Matador, Maxim, Blond, nun auch noch Galore. Was waren das in den 80ern und frühen 90ern für goldene Zeiten, als am Kiosk noch Zeitschriften wie Tempo, Wiener und Twen um die Gunst der Leser konkurrierten.

Das Gewerkschaftsmagazin „journalist“ bringt in der Mai-Ausgabe einen Artikel zum Thema Zeitschriftensterben und Zeitschriftenneugründungen gegen den Trend. Vorgestellt werden u.a. Nido (tatsächlich eine neue Lifestyle-Zeitschrift, wenn man so will!) und das Kinomagazin Cargo, das mir persönlich ziemlich gut gefallen hat. Die Printausgabe desselben sei purer Luxus, werden die Macher in dem Beitrag zitiert. Der Online-Auftritt soll hingegen mit 30.000 PIs pro Monat sehr gut angelaufen sein (über die Auflage der Zeitschrift wurde leider nichts gesagt). Für ein ziemlich intellektuelles Kinoportal, auf dem es um Minderheitenfilmemacher wie Claire Denis und Thomas Harlan geht, ist das tatsächlich beachtlich.

Fragt man sich, wenn man mal auf der Homepage der US-Mutter vorbeischaut. Oder im Laden die UK-Ausgabe durchblättert (die zu einem großen Teil aus Übernahmen der US-Ausgabe zu bestehen scheint, während letztere in Deutschland gar nicht erhältlich zu sein scheint). Hat man sich einmal durch die Dutzende von Doppelseiten mit Hochglanzwerbung gekämpft (ich glaube, der erste richtige Artikel begann auf Seite 60 oder so – unglaublich), findet man dort nicht nur Fotoserien von u.a. Annie Leibowitz über die Obamas und die kongenialen Partnerschaften zwischen Schauspielern und ihren Regisseuren, sondern auch laaange Artikel über Hollywood & Co., u.a. über die Entstehungsgeschichte von Coppolas „Der Pate“. Und Artikel über die Finanzkrise. Und was gab es in der deutschen VF? Heike Makatsch auf dem Titel und Reportagen über Knut, den Eisbären. Das sagt eigentlich schon alles. Da ich aber auch nicht 11 Euro irgendwas für die importierte britische VF ausgeben möchte, stellt sich weiterhin die Frage: Wer macht sowas auf deutsch?

Kaum ist das „blond“-Magazin eingestellt, liegt schon eine neue Zeitschrift des Blond-Verlags in den Regalen. Das heißt originellerweise „blonde“, was wohl Kontinuität und Neuanfang gleichzeitig symbolisieren soll. Anders als die alte „blond“ ist „blonde“ in erster Linie ein Modemagazin. Und damit für mich schon mal uninteressant. (LIEBLING ist ja auch zu einem großen Teil eine Modezeitschrift, aber da gibt es halt noch so viel Anderes zu entdecken.)

Und dann gibt es nach „Missy“ (dessen zweite Ausgabe ebenfalls seit ein paar Tagen erhältlich ist) schon wieder ein neues Popkulturmagazin: „Blank“ wird von den ehemaligen Redakteuren der „Face“ gemacht. Die wurde schon nach drei Nummern wieder eingestellt, weil es Streit zwischen Redaktion und Verleger gab.  Jetzt also ein Magazin mit den Untertiteln „Face your magazine“ und „Gesellschaft, Diskurs, Disco“. Wobei ich letzteres im Gegensatz zu andreaffm schon wieder witzig finde. Das Heft selbst habe ich gestern nirgendwo in Düsseldorf gefunden, hätte doch gerne mal rein geguckt. Wie sich neue Zeitschriften etablieren wollen, die absolut nirgends erhältlich sind, ist mir rätselhaft. Es hat sicher nicht jeder soviel Motivation wie ich, fünf verschiedene Bahnhofs- und Großbuchhandlungen abzuklappern, wenn er von einer neuen Zeitschrift hört.

Andreaffm findet harte Worte für das neue Heft, an dem sie kaum ein gutes Haar lässt:  Es biete eine Mischung aus „Indie-Obskurantismus und strukturellem Analphabetentum“. Außerdem wirft sie dem Verfasser des Editorials vor, ein abgebrochenes Soziologiestudium kompensieren zu wollen, weil er Wörter wie Enkulturation verwendet. Tja, das ist ja eh ein altes Problem der Popkultur-Magazine. Das mit dem Soziologiestudium denkt man ja auch beim Lesen der „Intro“ (die ich ansonsten ganz gerne mag) öfter. Mir gibt mehr zu denken, dass mich von den angekündigten Themen der Debütausgabe von „Blank“ erst mal gar nichts interessiert. Naja, vielleicht sehe ich das Heft ja noch mal irgendwo im Laden.

(Links zu „Blank“ via)

Mit der letzten Ausgabe hat das Interview-Magazin „Galore“ bereits die Erscheinungsweise von monatlich auf zweimonatlich reduziert. So etwas ist meistens ein Anzeichen dafür, dass die Verkäufe stark zurück gegangen sind (man denke in der Vergangenheit an Beispiele wie „Capital“; auch die SF-Zeitschrift „Space View“ ist gerade leider diesen Weg gegangen). Vor einiger Zeit hatte es bei „Galore“ bereits eine recht große Konzeptänderung gegeben: War man als erste deutsche Zeitschrift gestartet, die ausschließlich Interviews abdruckte, wandelte man sich nun zu einem mehr oder weniger normalen Kultur- und Lifestylemagazin, das neben zahlreichen Interviews auch andere Darstellungsformen wie etwa Reportagen, Rezensionen etc. enthält.

Das scheint dem Einbruch der Auflage aber nicht entgegengewirkt zu haben, denn auf dem neuesten Heft, das gerade erschienen ist, prangt bereits oberhalb des Titelschriftzuges der Hinweis: „Mehr Seiten, längere Interviews und eine Film-DVD in jedem Heft“ (sinngemäß). Häufige Konzeptänderungen sind normalerweise ebenso ein Zeichen für eine wirtschaftliche Krise wie das plötzliche Hinzunehmen von Beilagen. In diesem Fall ist die Beilage ja auch nicht wirklich inhaltlich begründet: „Virgin Suicides“ ist zwar ein guter Film, aber „Galore“ ja keine Filmzeitschrift.

Sieht man sich die IVW-geprüfte Auflagnentwicklung des vergangenen Jahres an, ist die Entwicklung tatsächlich verhehrrend: Die verkaufte Auflage ging seit Anfang 2008 um die Hälfte zurück. Sieht man genauer hin, stellt man fest, dass ein Großteil dieser Verkäufe in der Vergangenheit aber sowieso schon Bordexemplare und „sonstige Verkäufe“ waren, also Hefte, für die nicht mal annähernd der volle Preis gezahlt wurde. (Nach der Statistik hat „Galore“ im zweiten Quartal kein einziges Heft im Einzelhandel verkauft; das kann aber ja wohl nicht sein?). Schön auch, dass im Ausland teilweise gerade einmal 64 Hefte verkauft wurden. Ich tippe mal, „Galore“ ist einer der nächsten Kandidaten, wenn es um die Einstellung eines Lifestyle-Magazins geht (nachdem „Blond“ ja neulich, ebenfalls nach vergeblichen Konzeptänderungen, eingestellt wurde).

Grundsätzlich ist dies zu bedauern, denn gute Kulturzeitschriften kann es ja eigentlich nie genug geben. Allerdings hatte ich bisher auch noch nie das Bedürfnis, mir die „Galore“ zu kaufen, und ein Heft, dass ich vor einigen Jahren mal auf der Frankfurter Buchmesse gratis bekam, hat mich auch nicht gerade vom Hocker gerissen. Dabei kann es doch im Grunde gar nicht so schwierig sein, ein gutes Kulturmagazin für jüngere Erwachsene zu machen. Aber wahrscheinlich funktioniert so etwas nur noch für ein Nischenpublikum, nicht für den Massenmarkt. Da braucht man schon ein Konzept wie „Neon“, um Erfolg zu haben.