Mit ‘Süddeutsche’ getaggte Beiträge

Dieser (Pseudo-)Skandal regt mich schon seit einer Woche gehörig auf. Ich wusste bis letzten Mittwoch nicht mal, dass Guttenberg überhaupt einen Doktortitel hatte. Ausnahmsweise muss ich da der Kanzlerin mal (teilweise) Recht geben: Der Mann wurde nicht als wissenschaftlicher Mitarbeiter eingestellt, auch nicht als Wissenschaftsminister, sondern für ein Amt, für das ein akademischer Titel eben kein Einstellungskriterium ist.

Dieselben Medien, die Guttenberg im vergangenen Jahr hoch geschrieben haben, wollen jetzt um jeden Preis seinen Rücktritt herbeiführen (Spiegel, Stern etc.). Ein altes Muster im Mediengeschäft: Erst jubelt man einen Politiker hoch („Lichtgestalt“, „nächster Kanzler“, „Seehofer muss sich warm anziehen“ usw.), und wenn seine Beliebtheitswerte in der Bevölkerung erschreckende Höhen erreichen, sägt man ihn wieder ab. Ich frage mich auch, ob die Süddeutsche nichts Anderes zu tun hat, als in alten Doktorarbeiten von irgendwelchen Spitzenpolitikern rumzustöbern. Hat sie dafür das neue Ressort „Investigative Recherche“ gegründet? Damit sie ihren hoch bezahlten Spitzenjournalisten Hans Leyendecker auf sowas ansetzen kann? Das riecht doch förmlich nach: „Irgendwelche Flecken muss es auf Guttenbergs weißer Weste doch geben, lass doch mal auf gut Glück in seiner Doktorarbeit nachgucken.“

Der eigentliche Skandal an der ganzen Chose ist aber, dass Guttenberg natürlich genügend gute Gründe hätte, zurück zu treten. Und zwar politische Gründe, keine persönlichen. Nämlich, dass er ganz offensichtlich seinen eigenen Laden nicht im Griff hat: die Bundeswehr und sein eigenes Ministerium. Da werden die wahren Umstände von Todesfällen monatelang vertuscht und der zuständige Minister hat davon angeblich nichts gewusst. Entweder das stimmt, dann hat er keine Kontrolle über die ihm unterstellten Institutionen, oder er hat doch von Anfang an die wahren Umstände gekannt, dann hat er die Öffentlichkeit belogen. Beides würde ihn als Minister untragbar machen.

Über diese wirklich skandalösen Umstände wird aber gar nicht mehr öffentlich diskutiert. Stattdessen beschäftigen sich jetzt wochenlang alle wichtigen Medien mit der Dissertation des Ministers. Reine Symbolpolitik. Ob Guttenberg nun deswegen zurücktreten muss oder nicht, ist im Grunde irrelevant. Denn an den tatsächlichen politischen Problemen hat sich so oder so nichts geändert. Ein Hörer fasste es beim Deutschlandradio letzten Samstag treffend zusammen: Die ganze Debatte lenkt nur von den wahren politischen Problemen ab. Aber wenn man schon kein Königshaus mehr hat, muss man sich die persönlichen Verfehlungen halt bei irgendwelchen Baronen im Ministeramt suchen.

Was wäre die Süddeutsche ohne ihre „Internet = Untergang des Abendlandes“-Autoren? Diesen Samstag durfte ausnahmsweise mal nicht Bernd Graff selbigen herbei reden, sondern sein Kollege Hilmar Klute. Seltsamerweise ist sein ganzseitiger Artikel über die Laienrezensionskultur bei Amazon & Co. mal wieder nicht im Online-Portal der SZ zu finden, wahrscheinlich weil der Redaktion selbst bewusst ist, wie lächerlich sein Inhalt da wirken würde. Gedruckt ist er natürlich auch nicht weniger lächerlich, aber wahrscheinlich denken die, der normale Zeitungsleser ist eh ein Ewiggestriger, weshalb man ihm so eine Meinung ruhig zumuten kann.

Klute findet jedenfalls, die Laienkultur des Internets, wo jeder seine Meinung über Bücher, Musik, Restauraunts und alles mögliche andere verbreiten kann, sei der Niedergang der fundierten Rezension, wie wir sie aus Zeitungen und anderen alten Medien kennen. Jeder, der nur ein Buch in seinem Leben gelesen habe, könne nun Werke der Weltliteratur öffentlich abkanzeln. Was für eine Arroganz, davon auszugehen, dass ein beträchtlicher Teil der Kritiker bei Amazon & Co. nur ein Buch gelesen hätte! Natürlich kann ein Laienkritiker laut Klute gar nicht über den Hintergrund verfügen, ein Buch jenseits subjektiver Geschmackskriterien zu beurteilen. Nein, das kann selbstverständlich nur, wer sich bis auf den Posten eines Feuilleton-Redakteurs hoch geschlafen  gearbeitet hat. Natürlich sind die Rezensionen professioneller Kritiker auch immer völlig frei von Häme und persönlichen Abneigungen, das sieht man ja schon an den jahrzehntealten Fehden zwischen Reich-Ranicki und Martin Walser oder Günter Grass.

Dabei ist das eigentliche Problem doch ein ganz anderes: Dass da, wo man es erwarten würde, in den Feuilletons und auf den Kulturseiten der meisten Tageszeitungen z.B., schon lange gar keine fundierte Auseinandersetzung mit künstlerischen Werken mehr stattfindet. Sondern meistens nur noch Gebrauchskritik mit Servicecharakter. Eine Einordnung in den filmhistorischen, -wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Zusammenhang, wie ihn früher etwa Kritiker wie Hans C. Blumenberg in der „Zeit“ bei fast jeder Filmkritik vorgenommen haben, findet doch fast nirgendwo mehr statt. Man kann ja froh sein, wenn man in der Regionalzeitung überhaupt noch etwas zu Kameraarbeit und Schnitt gesagt bekommt, und nicht nur zu Schauspielern und Drehbuch. Und in den meisten so genannten Literatursendungen im TV, von Elke Heidenreich bis Christine Westermann – die allerdings auch in dem Artikel als Negativbeispiel genannt wird -, wird heutzutage gar nicht mehr kritisiert, sondern nur noch empfohlen.

Das Wesen des Internets, vor allem des Web 2.0, hat Klute natürlich mal wieder überhaupt nicht verstanden. Ja, natürlich geht es dabei um private Meinungsäußerungen, um was denn sonst? Um literaturwissenschaftliche Abhandlungen etwa? Für die würden die meisten Autoren, die sich dazu berufen fühlen, wahrscheinlich lieber bezahlt werden, um diese zu schreiben. Aber die SZ bezahlt dann doch lieber einen Autor, der den Unterschied zwischen professionellem Feuilleton und Web 2.0 nicht versteht, dafür, seine unreflektierte private Meinung (!) auf einer ganzen Seite auszubreiten.

„Es ist eine bittere Pille. Doch der einzige Weg, Umsonst-Angebote zu bekämpfen, ist eine Umsonst-Strategie“, erklärt Mark Mulligan von der britischen Marktforschungsgesellschaft Jupiter Research.

Während Plattenmultis wie die EMI ums Überleben kämpfen, konnte die britische Verwertungsgesellschaft (entsprechend der deutschen GEMA) ihre Lizenzeinnahmen 2008 um 15 Prozent gegenüber dem Vorjahr steigern – und auch Bands wie die Nine Inch Nails verdienen nach wie vor prächtig an ihrer Musik. Nur die Konzerne wollen nach wie vor ausschließlich kleine silberne Scheiben zu überteuerten Preisen ans Volk bringen, das sich schon lange lieber die neueste Musik aus dem Netz auf ihren iPod saugt. Die Musik- (und sonstige Medien-) industrie zeigt immer mehr erschreckende Ähnlichkeit mit der Katholischen Kirche. Wenn uns die Gläubigen weglaufen, denken wir nicht darüber nach, ob mit unserer Haltung vielleicht was nicht stimmen könnte, sondern beschweren uns über die Menschen, die immer öfter vom allein seligmachenden Glauben abfallen…

Viel Wirbel um „Southland“

Veröffentlicht: 14. April 2009 in Print, TV
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Das Ende des unabhängigen Journalismus oder eine gelungene PR-Aktion? Die L.A. Times druckte zum Start der neuen Serie von „ER“-Producer John Wells, „Southland“, auf ihrer Titelseite eine Anzeige, die wie ein redaktioneller Artikel gestaltet war. Willi Winkler sieht darin in der SZ so etwas wie den Verkauf der journalistischen Seele an den Teufel. Völlig übertrieben, wenn ihr mich fragt. Über dem Text stand groß „Anzeige“ und das NBC-Logo. Wer das dann trotzdem für einen normalen Artikel gehalten hat, ist entweder blind oder extrem unaufmerksam.

Das Monster in Hollywoods Mitte

Veröffentlicht: 22. Februar 2009 in Lesetipp
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„Das Traurige bei Mickey Rourke ist: Es ist nicht so ein Comeback. Es ist keine Phönix-aus-der-Asche-Geschichte, in der der Held neu erstarkt, mit ein paar Kratzern zwar, aber mit dem Strahlen der Erkenntnis wieder auftaucht. Rourke steht nicht für Katharsis, für Aufbruch oder für das Obama-Amerika, er kann auch gar nicht geläutert werden – denn Rourke ist nicht mehr derselbe. Er steht für unwiederbringlich verlorene Vergangenheit. Für Leid. Und Pathos. Wen soll er im Übrigen künftig spielen? Gerissene Anwälte? Geniale Wissenschaftler? Weltraumhelden? Soll er sich durch sämtliche Talkshows charmieren? Das geht nicht. Rourke ist kaputt.“

An Mickey Rourke scheint diese Woche, in der er heißer Kandidat bei der Oscar-Verleihung ist und sein Film „The Wrestler“ in den deutschen Kinos anläuft, keine Zeitung oder Zeitschrift vorbei zu kommen. Beim Blick ins Zeitschriftenregal haben gefühlte 50 Prozent der Titel ein Porträt über oder ein Interview mit Rourke im Heft. Was man aus so einem Leben und so einem Treffen journalistisch machen kann, zeigt Rebecca Casati in einem bewegenden Porträt in der Wochenendbeilage der SZ.

Gemein, aber gut

Veröffentlicht: 8. Februar 2009 in Lesetipp, Print
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Ich weiß nicht, ob Wolfgang Welt sich gefreut hat, als er gestern das große Porträt über sich in der Wochend-Beilage der SZ gelesen hat. Das ist nämlich sehr ehrlich ausgefallen. Welt war vor dreißig Jahren ein viel versprechender Popliterat. Nachdem seine Bücher alle floppten, nahm er eine Arbeit als Nachwächter an, die er noch heute macht. Bald soll sein erster Roman seit Jahrzehnten bei Suhrkamp erscheinen. Er ist seine letzte Chance, den literarischen Durchbruch vor der Rente doch noch zu schaffen.

Während Welt in der Unterzeile noch als „größter Erzähler des Ruhrgebiets“ gefeiert wird, liest sich das im Text schon wesentlich nüchterner. Hauptsächlich habe Welt über sein eigenes trostloses Leben geschrieben – und sei damit nicht gut gefahren:

In dieser Form sei das Schreiben bisher nur „Ausgleich zum Rest meines beschissenen Lebens“. Zweites Pils. So einfach sei das.

Einerseits ist das Porträt von Alexander Runte sehr gut geschrieben, andererseits finde ich solche schonungslosen Porträts über Leute, die eh schon im sozialen Abseits stehen und mit psychischen Problemen zu kämpfen hatten, doch etwas bedenklich.