Ok, ihr habt mich doch noch gekriegt:
1. Das Buch, das du zurzeit liest:
Tja, eigentlich nix, nachdem ich „V.“ vor Kurzem endgültig aufgegeben hab. Meinen ersten Pynchon („Die Versteigerung von No. 49“) fand ich hervorragend, meinen zweiten („Vineland“) immer noch sehr gut, aber „V.“ halte ich mehr oder weniger für unlesbar. Nach der Hälfte, etwa 250 Seiten, wusste ich immer noch nicht, um was es eigentlich gehen sollte, es passiert im Grunde nichts, jedenfalls nichts, was irgendeinen zusammenhängenden Sinn ergeben würde, und zwischendurch wird die Haupthandlung immer wieder für 50-80-seitige Sprünge hundert oder 200 Jahre zurück unterbrochen. Diesmal konnte mich auch die Sprache nicht so stark packen, dass ich durchgehalten hätte.
2. Das Buch, das du als nächstes liest/lesen willst:
Keine Ahnung. Vielleicht erscheint ja endlich mal der neue „Spirou“-Band von dem neuen Autorenteam auf Deutsch, der schon einmal verschoben wurde.
3. Dein Lieblingsbuch:
Max Frisch: „Homo faber“ – Ein großartiges Werk über die menschliche Natur. Mehr braucht man dazu eigentlich gar nicht zu schreiben. Der Roman ist im Grunde makellos, man könnte ihm höchstens vorwerfen, etwas überkonstruiert zu sein, was ich ihm aber gerne verzeihe.
4. Dein Hassbuch:
John Niven: „Kill your friends“ – Zumindest das Ärgerlichste, was ich in den letzten Jahren so gelesen habe. Sowas gilt heutzutage wohl als Kultbuch. Eine unangenehme Mischung aus Brett Easton Ellis und Nick Hornby, nur dass der Niven überhaupt nicht schreiben kann. Er versammelt alle Klischees, die man über die Musikindustrie so im Kopf hat (Koks, Nutten und Alkohol) und verbindet sie mit einer menschenverachtenden und sexistischen Weltsicht und einer völlig unmotivierten, dafür aber auch noch unnötig brutalen Thrillerhandlung. Spätestens ab der Hälfte wiederholt er sich nur noch, hält sich selbst aber für ungeheuer provozierend und cool. Dabei ist das Buch weder wirklich witzig, noch hat es irgendeine Aussage. Was Niven dem Musikbusiness vorwerfen will, nämlich zynisch zu sein, trifft vor allem auf ihn selbst zu. Ein Buch, das negative Gefühle erzeugt und unangenehme Bilder im Gehirn festsetzt. So etwas möchte ich eigentlich nicht lesen.
5. Ein Buch, das du immer und immer wieder lesen könntest:
Hm, ich muss wohl nochmal mit Frisch kommen. „Homo faber“ kann man natürlich auch immer wieder lesen, noch besser trifft das aber auf „Montauk“ zu, eine Erzählung, die eigentlich eine kaum versteckte Autobiografie ist. Die Erzählung eines Wochenendes mit einer wesentlich jüngeren Geliebten auf der Halbinsel bei New York bildet den Rahmen für eine Rückschau Frischs auf wichtige Stationen seines Lebens: seine verschiedenen Berufe, Wohnorte, die Beziehung zu seiner Tochter, vor allem aber natürlich auf die Frauen, die in seinem Leben wichtig waren.
Ein Buch voller Melancholie über verpatzte Chancen und vergangenes Glück, voller Selbstzweifel auch, reich an klugen Gedanken und zitierfähigen Sätzen. Wunderbar etwa, wenn Frisch ohne Anlass über den besten Weg nachdenkt, sich umzubringen („Immer wieder in meinem Leben habe ich grundlos an Selbstmord gedacht.“). Bei der Besichtigung eines alten Bauernhauses im Tessin, das er kaufen möchte, denkt er, alleine könne er da nicht wohnen, er sieht schon die Dachbalken, an denen er sich aufhängen würde. Nebenbei erfahren wir einiges Interessante über seine Schriftstellerei, über seine Liebesbeziehung zu Ingeborg Bachmann, und was an „Homo faber“ alles autobiografisch ist (nämlich allerhand).
6. Ein Buch, das du nur einmal lesen kannst (egal, ob du es hasst oder nicht):
So ausufernde dicke Schinken wie Michael Chabons „Die unglaublichen Abenteuer von Kavalier & Clay“. Fand ich zwar ziemlich gut (vor allem die erste Hälfte), muss ich aber echt nicht nochmal durchackern.
7. Ein Buch, das dich an jemanden erinnert:
Alan Posener: „John Lennon“ – Die Rowohlt-Bildmonografie war die erste, die ich über Lennon gelesen habe, etwa zeitgleich mit einem meiner damals besten Freunde, der auch ein großer Beatles-Fan war. Und der damals in seinem jugendlichen Rebellentum meinte, ein Exemplar des Taschenbuchs aus der Stadtbibliothek klauen zu müssen.
8. Ein Buch, das dich an einen Ort erinnert:
Maarten ‚t Hart: „Die Netzflickerin“ – Hab ich hauptsächlich gekauft, weil die ersten Kapitel in Groningen spielen (und weil es eine Art Prequel zu seinem wunderbaren „Das Wüten der ganzen Welt“ ist). Jedenfalls wird die Hauptfigur in seinem Elternhaus unweit der Martinikerk (dem Wahrzeichen der Stadt, in der ich mein Auslandssemester verbracht habe) geboren. Leider ziehen seine Eltern dann schon bald mit ihm in die Nachbarprovinz Drenthe, kehren aber noch ab und zu in ihre Heimatstadt zurück (wenn sie samstags „in die Stadt“ fahren, da es im Umkreis von Groningen keine wirkliche Großstadt gibt, deshalb ist da heute auch so viel los, glaube ich).
Ansonsten erinnert mich natürlich die ganze zweite Hälfte von der „Blechtrommel“ an Düsseldorf, aber das zählt ja nicht so richtig, weil ich ja selbst hier bin.
9. Das erste Buch, das du je gelesen hast:
Vermutlich irgendein Bilderbuch, weiß jetzt aber echt nicht, welches. Deshalb vielleicht mal das erste „Erwachsenenbuch“, das ich gelesen habe. Und das dürfte gewesen sein: James Kahn: „Die Rückkehr der Jedi-Ritter“ – Yeah! Das hab ich so mit Neun gelesen, in meiner fanatischen Star Wars-Phase. Ich kannte die Filme damals noch nicht, sammelte aber dank eines Grundschulfreundes schon eifrig Star Wars-Actionfiguren und entdeckte dann nach und nach auch die Comicalben, die Romane und sonstigen Schnickschnack. Dank dieses Buchs zum Film wusste ich dann zumindest mal, was im dritten Teil der Trilogie überhaupt passiert war, die Vorgeschichte aus den ersten beiden Teilen erfuhr ich dann erst später.
10. Ein Buch von deinem Lieblingsautoren/deiner Lieblingsautorin:
Da ich nicht schon wieder mit Frisch kommen will, ein Buch meines Lieblings-Comicautoren Frank Miller: „Die Rückkehr des Dunklen Ritters“. Steht hier noch in der ersten Carlsen-Ausgabe im Regal. Wahrscheinlich auch mein Lieblingscomic ever, obwohl ich ja eigentlich mehr auf frankobelgische als auf amerikanische stehe. Diese frühe graphic novel ist allerdings ganz großes Kino. Miller hat damit nicht nur den Batman-Boom der späten 80er/frühen 90er ausgelöst, sondern auch den gesamten US-Comic revolutioniert.
Er dekonstruiert hier im Grunde die ganze Batman-Figur und den DC-Kosmos drumrum gleich mit: Batman ist ein fanatischer alter Reaktionär geworden, Robin ein Teenagermädchen, Superman ein tumber Hilfspolizist im Auftrag Ronald Reagans, der Batman ausschalten soll, weil der nicht mehr in die Zeit passt. Zwischendurch kämpft Supie für die USA als Supersoldat in einem Stellvertreterkrieg gegen die Sowjetunion (die es zum Entstehungszeitpunkt des Comics noch gab) und muss die Erde vor dem atomaren Holocaust retten, weil irgendein Politiker den falschen Knopf gedrückt hat. Währenddessen kämpft Batman gegen Faschisten, Jugendbanden und natürlich gegen seine größten Feinde aus vergangenen Tagen, von Two-Face bis zum Joker. Vor allem kämpft er aber gegen die öffentliche Meinung, heuchlerische Politiker und die Polizei, die ihn nach der Pensionierung seines alten Protegés Comissioner Gordon gnadenlos jagt. Eine Nebenhandlung dreht sich darum, wie dieser versucht, mit seiner Pensionierung fertig zu werden.
Eine sehr tiefe Erzählung, voller bissiger Medien- und Gesellschaftkritik, mit einer ambivalenten Hauptfigur und vielen Anspielungen auf das DC-Universum. Kann man aber auch als eigenständiges Werk lesen, ohne jemals eine andere Batman-Geschichte gelesen oder gesehen zu haben. Leider hat weder Miller selbst noch einer der diversen Filmregisseure es danach geschafft, in ihren diversen Batman-Versionen an dieses Meisterwerk anzuknüpfen.