Mit ‘Comics’ getaggte Beiträge

Abb.: Carlsen Comics

Bei Frank Pé ist Spirou endgültig erwachsen geworden – ganz ohne Nazis und Kriege wie in den Beiträgen von Schwartz und Yann oder Bravo. Sondern auf natürlich wirkende Art, angesiedelt im Brüssel einer nahen Zukunft, in dem das Atomium endgültig verfallen ist. Äußerlich und charakterlich erinnert der Titelheld an einen etwas älter gewordenen Jonas Valentin (der ja auch schon von Album zu Album heranreifte). Nach einem Streit mit der neuen „Le Moustique“-Chefin nimmt sich Spirou eine Auszeit von seinem Reporterdasein und trifft den brillanten Tierdresseur Noë wieder, über den Franks geliebte exotische Tiere ins Spiel kommen. Noë, eine Randfigur aus Franquins letzter „Spirou“-Geschichte „Bravo Brothers“, arbeiten Frank und sein Szenarist Zidrou zu einem vollständigen ambivalenten Charakter aus. Dabei war seine Verbitterung über die Menschen und das Leben, die ihn dazu bringt, sich lieber mit Tieren zu umgeben, bereits in der ansonsten rein humoristischen Franquin-Kurzgeschichte angelegt. Neben weiteren alten Bekannten aus Franquins Kosmos treffen wir auch auf zwei neue wichtige Frauenfiguren, darunter eine zeichnerisch wie charakterlich herrlich gelungene rebellische Teenagerin. Was die grafische Seite angeht, ist Frank hier ohnehin auf der Höhe seines Zenits angekommen, verbindet scheinbar mühelos die Zeichenstile seiner beiden Hauptserien „Jonas Valentin“ und „Zoo“.

Das Autorenduo packt sehr viele verschiedene Themen in die Geschichte: Kunst und Kunstmarkt, Erwachsenwerden und Erziehung, die Möglichkeit einer Verständigung zwischen Tier und Mensch – und als humoristischen Handlungsstrang auch noch eine Pilzseuche. Am Ende verknüpfen sich (fast) alle diese Fäden zu einem gelungenen Ganzen. Dem großen Naturfreund und Humanisten Frank ist damit eine wunderbar warmherzige Ode an das Leben gelungen – und der beste „Spirou“ seit dem Abschied von Tome & Janry vor fast 20 Jahren.

„Spirou und Fantasio Spezial: Das Licht von Borneo“ ist bei Carlsen Comics erschienen. Ein ausführliches Porträt von Frank Pé und seinem Gesamtwerk, geschrieben von mir, erscheint Ende Juli in der Comiczeitschrift ZACK.

Happy Birthday, Stan Lee!

Veröffentlicht: 28. Dezember 2012 in Film, Print
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Ach ja, das ist ja heute.

Den Kinderschuhen entwachsen: Yps goes Neon

Veröffentlicht: 11. Oktober 2012 in Print
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Gediegenes Schwarz statt bunter Comicoptik: das neue Yps; Abb.: Egmont Ehapa

Seit Ehapa 1999 das kriselnde Yps von Gruner + Jahr gekauft hat, hat man viel mit dem Comicheftklassiker herumexperimentiert: erst heruntergewirtschaftet und nach gut einem Jahr eingestellt, 2005/06 einen ersten Relaunchversuch gestartet, zum zweiten Mal eingestellt – und nun versucht der Verlag es mit einem völlig neuen Konzept noch einmal. Heute liegt also Yps mit Gimmick 1258 an den Kiosken und es sieht komplett anders aus als alle seine Vorgänger.

Statt an die Kinder von heute wendet sich das neue Yps an die Kinder von damals, also an die, die in den 70ern und 80ern mit dem Magazin aufgewachsen sind. Denn Yps ist seit Jahren ohnehin ein Retro-Phänomen geworden wie MacGyver und der C64 (beide kommen dann sinnigerweise auch im neuen Heft vor). Ehapa appelliert mit dem neuen Testballon folgerichtig an die nostalgischen Gefühle der Altleser. In ironischer Anlehnung an Neon prangt auf dem Cover der abgewandelte Slogan „Eigentlich sind wir doch schon erwachsen!“. Ansonsten wirkt das Cover, das ganz ohne richtiges Titelbild und fast ohne Comicbezug auskommt, reichlich überladen und ziemlich spröde: Auf schwarzem Hintergrund werden kreuz und quer Themen aus dem Inhalt angepriesen. In der Ecke klebt dann noch das unvermeidliche Gimmick: die Urzeitkrebse samt Futter, die anscheinend bei keinem Relaunch fehlen dürfen.

Das Heft beginnt dann mit einer nostalgischen Strecke, die an das alte Yps und seine Leser erinnert: Auf vier Seiten gibt es einen informativen Rückblick auf die Geschichte des Magazins, danach Fotoeinsendungen alter Leser nach dem Motto „Vorher – nachher“, besonders gelungen ist eine Aufnahme einer Tanne aus einem Heft von 1981, die ihren Pflanzer inzwischen ums Fünffache überragt. Natürlich dürfen auch die unvermeidlichen Promis nicht fehlen, die zu ihren Yps-Erinnerungen befragt wurden. Insgesamt ein unterhaltsamer Einstieg ins Heft.

Ein echter Höhepunkt hätte das Interview mit dem langjährigen „Yinni und Yan“-Zeichner Heinz Körner werden können, leider zeigte der sich aber sehr wortkarg. Trotzdem lesenswert. Danach folgen einige neue (Kurz-)Comics, wovon der norwegische Familienstrip „Pondus“ und die neue Albenserie „Zombillenium“ überzeugen können. Im Anschluss folgt der Reportageteil: ein wenig informativer, aber angemessen launig geschriebener Artikel zur Frage, wie man als ehemaliger Yps-Geheimagent doch noch im richtigen Leben Spion werden kann, eine Reportage über die Suche nach Dinosaurierfossilien, ein Buchauszug eines echten Abenteurers und ein Rückblick auf den in den 80ern tobenden Kampf zwischen Spielkonsolen und Heimcomputern um die Vormachtstellung in den Kinderzimmern. Alles nicht weltbewegend, aber durchaus angenehm zu lesen. Überflüssig wirken hingegen die nun folgenden Fotostrecken mit Autos aus den 70ern/80ern und ihren heutigen Nachfolgemodellen sowie mit Zaubertricks. Auch die Modestrecke mit Yps, Kasper, Patsch und Willy hätte es nicht gebraucht, letztere sind aber wenigstens nett gezeichnet und wecken so noch einmal nostalgische Gefühle.

Wie natürlich auch die abschließende Comicstrecke mit Nachdrucken von Originalgeschichten aus dem alten Yps. Endlich hat es dabei auch das Yps-Fernsehteam „Yinni und Yan“ wieder ins Heft geschafft, der vielleicht größte Yps-Klassiker überhaupt. Die Serie war von Anfang an und bis kurz vor Schluss in (fast) jedem Heft vertreten und ist ohnehin ein zu Unrecht vergessener Schatz der deutschen Comicgeschichte. Die hier abgedruckte Episode aus der Hochphase der Serie (bevor Körner gezwungen wurde, seinen Zeichenstil immer mehr zu verkindlichen) gehört zwar nicht zu den besten, ist aber trotzdem sehr nett. Auch Peter Wiechmanns realistisch angelegter „Hombre“ kann in einer monochromatischen (braun-weißen) Fassung überzeugen.

Insgesamt hat die neue Redaktion vieles richtig gemacht: Die Comicauswahl ist wesentlich gelungener als beim letzten Relaunchversuch, sowohl die Klassiker als auch die Neuvorstellungen. In Artikeln und Rückblicken werden angenehme Kindheitserinnerungen geweckt, ohne dass man sich selbst und seine Generation zu ernst nehmen würde. Wirkten die vier Testausgaben von 2005/06 irgendwie lieblos zusammengeschustert, hat man diesmal offenkundig wesentlich mehr Gedanken und auch Liebe in das Heft einfließen lassen. Es reicht halt nicht, ein dünnes Heftchen mit einer neu gezeichneten Comicseite, ein, zwei kurzen Nachdrucken und ein paar willkürlich ausgewählten „modernen“ Einseitern zu füllen und auf den restlichen Seiten ein paar Wissensinfohäppchen zu präsentieren wie 2005 und dann zu hoffen, dass der Nostalgiefaktor alleine das Ding schon zu einem Selbstläufer machen wird. Zumal eine Kinderzeitschrift mit Nostalgiefaktor schon ein Widerspruch in sich ist, da den Kids von heute die Marke Yps überhaupt nichts mehr sagen wird.

Insofern ist die Neuausrichtung auf erwachsene Leser konsequent und wahrscheinlich die letzte Chance, das Magazin noch einmal dauerhaft zu etablieren. Die Frage ist nur, ob sich genügend groß gewordene Kindsköpfe oder im Herzen Kind gebliebene Erwachsene finden werden, die bereit sind, für ihre Jugenderinnerungen regelmäßig den doch recht hohen Coverpreis von 5,90 Euro zu bezahlen. Für die Zielgruppe der erwachsenen Comicleser ist der Comicanteil dann mit 25 von 100 Seiten doch zu gering und ob diejenigen, die mit Comics nicht mehr viel am Hut haben, für ein Retro-Lifestylemagazin mit Comicanteil knapp 6 Euro hinlegen wollen, bleibt fraglich. Das neue Yps konkurriert am Kiosk jedenfalls nicht mehr mit der Micky Maus und auch nicht mit dem schon vor 13 Jahren erfolgreich wiederbelebten ZACK, sondern mit anderen Nostalgiemagazinen wie „Kult“. Und der schnelle Tod von „Retro“ hat gezeigt, dass Nostalgie alleine für eine erfolgreiche Zeitschrift eben doch nicht reicht. Sollte Yps tatsächlich die Nr. 1259 erleben, wären ein größerer Comicanteil, etwas tiefgründigere Reportagen und dafür weniger Produktvorstellungen wünschenswert. Dann lasse ich mir mit dem endgültigen Erwachsenwerden vielleicht doch noch etwas Zeit.

Es passiert nur ganz selten, dass ich irgendwo mitbekomme, dass ein Prominenter gestorben ist und mich das dann trifft wie ein Schlag. Zu oft betreffen diese Nachrichten Künstler, die entweder gar keine richtigen waren oder die ihre besten Zeiten schon so lange hinter sich hatten, dass ihr Ableben zumindest künstlerisch kein Verlust ist. Ganz anders bei Moebius, dem wohl größten zeitgenössischen Comickünstler, der am Samstag in die ewigen Jagdgründe eingegangen ist (man verzeihe mir das Wortspiel, aber er hat die indianische Kultur sehr geliebt, wie man seinen „Blueberry“-Alben immer wieder entnehmen kann). Nicht nur, dass mich seine Comics seit mehr als 20 Jahren begleitet haben, auch die Vorstellung, nie wieder etwas Neues von ihm lesen zu können, ist vermutlich vergleichbar mit der Vorstellung, nie wieder eine neue Dylan-Platte zu hören.

Nach Franquin und den großen Altmeistern der Disney-Comics, Barks und Gottfredson, dürfte Moebius alias Jean Giraud der Zeichner sein, von dem ich die meisten Comics gelesen habe – im Wesentlichen alle seine Hauptwerke von Arzach über John Difool bis zu den Sternenwanderern. Dazu viele Kurzgeschichten und Fragmente, die in der Carlsen-Reihe „Universum der Wunder“ gesammelt waren oder in alten „Schwermetall“-Heften verstreut sind. Und dann natürlich Blueberry, den ich leider nie in der richtigen Reihenfolge gelesen habe, das (scheinbar) endlos dahinmäandernde Westernepos, mit dem er (zusammen mit oder trotz?) dem Szenaristen Charlier in den 70ern den europäischen Abentuercomic quasi alleine in die Moderne geführt hat (und das, entgegen gängiger Fanmeinungen, in meinen Augen immer besser wurde, je weiter sich Giraud nach dem Tod seines Partners von dessen Erzählmustern löste).

Der edle Nordstaaten-Leutnant, dem seine moralischen Überzeugungen immer wichtiger sind als die Befehle seiner Vorgesetzten und der dadurch in immer neue Schwierigkeiten gerät (und bei dem man sich des Öfteren fragt, warum er eigentlich überhaupt in die Armee eingetreten ist). Der schließlich selbst zum vom Staat Gejagten und Vogelfreien wird, nachdem er zu Unrecht verdächtigt wurde, einen Anschlag auf den Präsidenten geplant zu haben. Der innerlich zerrissen wird zwischen der Freundschaft zu einem Indianderstamm und der Solidarität mit seinen Armeekameraden. Und der sich im letzten von Giraud gestalteten Zyklus „Mr Blueberry“ einfach aus allem ausklinkt, nur noch pokernd im Saloon von Tombstone herumsitzt und seinen eigenen Mythos sukzessive zerstört. Den „Blueberry 1900“, den Giraud immer noch machen wollte, werden wir nun wahrscheinlich nicht mehr zu sehen bekommen, aber auch „Mr Blueberry“ ist ein würdiger Abschluss für eine Serie, die in jeden Kanon der wichtigsten Comics aller Zeiten gehört.

Genauso wie „John Difool“, der sechsbändige Zyklus um einen abgehalfterten Privatdetektiv in einer monströsen Megacity der Zukunft, der mehr aus Versehen zur Schlüsselfigur des ganzen Universums wird. Szenarist Alexandro Jodorowsky verknüpfte hier den Tonfall und die Motive des Film Noir mit einer überbordenden SF-Welt, die Moebius unnachahmlich in Szene setzte (wobei einige der Einfälle schon im von Dan O’Bannon geschriebenen Vorgängerwerk „The Long Tomorrow“ steckten). Sagen wir mal so: Ohne John Difool wäre Ridley Scotts „Blade Runner“ nur schwer vorstellbar (und George Lucas‘ Stadtplanet Coruscant in Episode II überhaupt nicht). In John Difool tauchte auch der weiße Vogel wieder auf – als witziger Sidekick Dipo, die Betonmöwe -, den Moebius schon in einem seiner ersten SF-Comics etablierte: In den wortlosen Kurzgeschichten – wobei Geschichten auch das falsche Wort ist, denn rein narrativ passiert in ihnen nicht allzu viel – um Arzach. Dieser „Held“, der in jeder Story einen anderen Namen trägt, fliegt auf einem großen weißen Vogel durch eine Fantasywelt, in der alles möglich erscheint. Was auch für die frühen Werke gilt, die Giraud unter seinem bekannten Pseudonym gezeichnet hat. Die Maßstäbe der Logik darf man an diese Werke nie anlegen, was zählt, ist der Flow und die ständige Überraschung.

In den letzten Jahren hat sich Moebius bei seinen fantastischen Comics eher wiederholt, indem er seine alten Figuren in neue Abenteuer führte, die nicht mehr an die Urwerke anknüpfen konnten, während er als Giraud mit seinem Blueberry alle Grenzen hinter sich ließ. Vielleicht lag das daran, dass es im 21. Jahrhundert längst viel verwegener wirkte, einen realistisch gezeichneten Westerncomic zu machen als abgefahrene SciFi-Alben. Jan Kounen hat vor mehr als zehn Jahren in seinem Film versucht, beide Welten zusammenzubringen: den klassischen (Italo-)Western, den die Blueberry-Comics feiern, und die esoterisch-drogengeschwängerten Ideen und Bilder der Moebius-Comics. Die Fans der Serie mochten das überhaupt nicht, Giraud selbst fand es wohl großartig. In deutschen Nachrufen wird er oft darauf reduziert, dass er viele Filme beeinflusst habe und auch selbst an SF-Kinoklassikern mitwirkte (meist nur durch Kostümentwürfe oder Storyboards). Das zeigt, dass der Comic hierzulande immer noch nicht als vollwertige Kunstform anerkannt ist. Sonst würde man Girauds Werk einfach für sich sprechen lassen und schreiben: Wenn Sie es noch nicht getan haben, lesen Sie seine Bücher. Sonst haben Sie echt etwas verpasst.

Es tut sich was im Blätterwald der Comic-Szene

Veröffentlicht: 24. November 2011 in Print
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In den 90ern gab es teilweise fünf, sechs gleichzeitig erscheinende allgemeine Comic-Fachzeitschriften, also Magazine, die mehr oder weniger regelmäßig über Neuerscheinungen, Zeichner und Autoren oder Neuigkeiten aus der Verlagsbranche berichteten. Dazu kamen dann noch einige Titel, die auf bestimmte Teilaspekte der Comicszene spezialisiert waren. Nach und nach wurden fast alle der allgemeinen Magazine eingestellt, meistens nicht wegen sinkender Verkaufszahlen, sondern wegen anderer Prioritäten der Herausgeber. Übrig blieb eigentlich nur noch die altehrwürdige „Comixene“, die in den 70ern die erste Zeitschrift dieser Art im deutschsprachigen Raum war. In den vergangenen Jahren erschien sie aber immer seltener.

Umso überraschender, dass diese Woche nicht nur die „Comixene“ ein häufigeres Erscheinen zu einem günstigeren Preis angekündigt hat, sondern sich auch ein neuer Konkurrent angekündigt hat. Volker Hamann und Mathias Hofmann, die dieses Jahr bereits das neue (sehr empfehlenswerte) jährliche Handbuch „Comic Report“ gestartet haben, wollen ab nächsten Juni mit „Karacho“ ein neues dreimonatliches Sekundärmagazin herausgeben. Das könnte richtig gut werden, bringt Hamann doch bereits seit seinen Schülerzeiten vor 25 Jahren die meist monothematische „Reddition“ heraus, die zum Interessantesten gehört, was man auf Deutsch so über Comics lesen kann.

Thomas Kögel vom Online-Magazin „Comicgate“ hat den Machern der beiden Magazine jeweils einige Fragen gestellt. Schon interessant, dass es in unseren Medienwandelzeiten, in denen Print doch angeblich in den letzten Zügen liegt, immer noch Menschen gibt, die an solche Nischenmagazine glauben.

Niveauvolle Unterhaltung statt trockener Nachrichtenlektüre: "Moxxito"; Abb.: Carlsen Verlag

Comic-Magazine für Erwachsene haben in Deutschland keine richtige Tradition. Ganz anders als in Frankreich oder Belgien, wo es seit den späten 60er Jahren immer eine Vielzahl solcher Zeitschriften gegeben hat, die in einem Heft verschiedene Fortsetzungs- und Kurzcomics unterschiedlicher Zeichner präsentieren, darunter so langlebige und heute legendäre wie „Pilote“, „Metal Hurlant“ oder „A Suivre“. Die einzigen derartigen Magazine, die im deutschen Sprachraum über einen längeren Zeitraum erschienen sind, waren „Schwermetall“ und „U-Comix“ sowie bis heute das sehr avandgardistische Schweizer „Strapazin“. Seit einigen Jahren muss man sicher auch die Neuauflage von „ZACK“ dazu zählen, obwohl das ja lange Zeit hauptsächlich Serien abdruckte, die  ursprünglich mal für Jugendliche gedacht waren. Versuche, Magazine mit reinen Erwachsenenstoffen zu etablieren hingegen, hat es  auch hierzulande immer wieder gegeben, wurden aber meist nach wenigen Ausgaben wieder eingestellt. Das wohl beste dieser Projekte war „Moxxito“.

Es war 1988, als der Carlsen Verlag, damals noch unangefochtener Marktführer bei Buchhandels-Comicalben, den ambitionierten Versuch startete, ein ebenso niveauvolles wie unterhaltsames Comic-Magazin für ältere Leser zu lancieren. Mit einer Auflage von 20.000 Exemplaren wurde es nicht nur über die üblichen Vertriebswege für seine Alben angeboten, also über den Comicfach- und (Bahnhofs-)Buchhandel, sondern auch über normale Zeitschriftenläden. Wobei viele Händler wohl nicht wussten, ob sie das Heft neben dem „Playboy“ oder neben der „Micky Maus“ einsortieren sollten. Auf überformatigem Hochglanzpapier präsentierte Chefredakteur Andreas C. Knigge (damals auch Leiter des Carlsen-Comicprogramms) Fortsetzungs- und Kurzgeschichten europäischer Zeichner, darunter viele Newcomer. Das Themenspektrum reichte von Thrillern mit Insektenfiguren („Inspektor Gomina“) über Fantasy bis Erotik (allerdings viel dezenter als die berüchtigten Sexcomics in „Schwermetall“). Neben französischen, belgischen und spanischen Autoren kamen auch deutschsprachige zum Abdruck. Chris Scheuer, damals einer der aufstrebenden Stars der hiesigen Szene (obwohl Österreicher) lieferte mit „Sir Ballantime“ sicher eines der grafischen Highlights des Magazins.

„Moxxito“ bot aber noch mehr als bloß eine bunte Mischung meist guter bis sehr guter Comics. Auch der redaktionelle Teil konnte sich, im Gegensatz zu dem der meisten anderen deutschen Comic-Magazine, sehen lassen. Neben den üblichen Rezensionen aktueller Comics widmete man sich in regelmäßigen Kolumnen auch angrenzenden Medien wie (Unterhaltungs-)Literatur oder Spielfilmen (allerdings nur in Form von TV-Tipps). In der Rubrik „Creativ“ wurden nicht nur Comiczeichner vorgestellt, sondern auch mal ein Filmplakatmaler oder einer, der die Eingänge von Nachtclubs auf der Reeperbahn mit Ölgemälden verschönerte.  Und neben Berichten über einen Streik in den Disney-Studios oder die Rückkehr des Marsupilamis fanden sich auch welche über Profikiller, US-Geisterstädte und die moderne Piraterie. Teilweise waren diese Artikel ziemlich gut geschrieben, man merkte, dass Carlsen für das Heft richtig Geld in die Hand genommen hatte. Statt am Fanniveau etwa der gelegentlichen Artikel in „Schwermetall“ orientierte man sich journalistisch eher am „Stern“.  Knigge konnte sich hier als Blattmacher richtig austoben.

Seine Verdienste für die Etablierung des Comics als ernstzunehmende Kunstform in Deutschland kann man meiner Meinung nach ohnehin gar nicht hoch genug einschätzen: Er brachte mit der „Comixene“ in den 70ern die erste Fachzeitschrift heraus, die sich ernsthaft mit Comics auseinander setzte. Er baute in den 80ern maßgeblich das Erwachsenencomic-Programm des Carlsen Verlags auf. Und er scheiterte leider mit dem Versuch, ein intelligentes Magazin für erwachsene Comic-Freunde am Kiosk zu etablieren. Denn schon nach einem halben Jahr und sechs Ausgaben war schon wieder Schluss mit „Moxxito“.

Wahrscheinlich war es dann doch zu anspruchsvoll, zu elitär, um eine breite Masse anzusprechen. Zudem hatte sich Carlsen mit der viel zu hohen Auflage wohl kräftig verkalkuliert. Auch hatte man den Fehler gemacht, mit lauter ersten Alben neuer, unbekannter Serien in Fortsetzung zu starten, statt auf bekannte Namen zu setzen. Bezeichnend ist nämlich, dass auch die späteren Albenausgaben der „Moxxito“-Fortsetzungsserien im Carlsen Verlag fast alle nach ein oder zwei Alben wieder eingestellt wurden. Erst im letzten Heft hatte man mit Moebius, Bilal und Hermann eine ganze Reihe großer Namen ins Heft geholt. Aber da war es wohl ökonomisch schon zu spät. Da half es auch nicht mehr, dass „Der Spiegel“ laut einem „Moxxito“-Editorial das Magazin als  „savoir vivre für den intelligenten Comic-Freund“ geadelt hatte.

Carlsen versuchte es 13 Jahre später mit dem populäreren, eher auf eine jugendliche bis studentische Zielgruppe ausgerichteten Fantasy-Magazin „Magic Attack“ noch einmal auf dem Magazinmarkt, das sie nach 13 Ausgaben wieder einstellten. Immerhin muss man ihnen zu Gute halten, dass sie es zwei Mal versucht haben, und beide Male mit einem gut gemachten Produkt, während zum Beispiel Erzkonkurrent Ehapa nie den Mut aufbrachte, ein Erwachsenen-Magazin zu starten. Ambitioniert zu scheitern ist mir immer lieber als auf Nummer sicher zu gehen. Und „Moxxito“ sieht noch heute genauso aus, wie ich mir im Grunde ein solches Magazin wünsche. Selbst das Layout wirkt nach knapp 15 Jahren noch frisch und modern. Es war wohl einfach eine jener Zeitschriften, für die der Markt (noch?) nicht bereit war.

Wenn man heute von Micky Maus-Comics redet, muss man ja immer erst lang und breit erklären, dass die Figur nicht immer der etwas langweilige, leicht spießige Kleinbürger und Hobby-Polizist war, als der er seit Jahrzehnten hauptsächlich in den Heften und Taschenbüchern auftritt. Jedem, der schon mal einen Fortsetzungs-Zeitungsstrip von Floyd Gottfredson gelesen hat, ist das hingegen selbstverständlich klar. Gottfredson hat den Micky-Zeitungscomic fast von Anfang an, nämlich seit 1930, sagenhafte 45 Jahre lang gezeichnet, die letzten 20 Jahre aber leider auf Drängen des Syndikats nur noch als unverbundene Gagstreifen. Seine Fortsetzungsgeschichten zwischen 1930 und 1955 gelten unter Comicfans noch heute als einer der besten Zeitungscomics überhaupt, meiner Meinung nach ist es sogar einer der zehn besten Comics aller Zeiten.

Bisher wurden sie leider immer nur sporadisch nachgedruckt, in Deutschland z.B. in den 70ern in den großformatigen „Ich, Micky Maus“ und „Ich, Goofy“-Büchern des Melzer Verlags, die dann über die Jahre noch diverse Male von Ehapa und seinem Schwesterverlag Horizont nachgedruckt und durch ähnliche Bände ergänzt wurden. Seit Ende der 80er die ambitionierte Gesamtausgabe „Mickys Klassiker “ nach wenigen Bänden wieder eingestellt wurde, habe ich auf einen neuen Versuch gewartet. Nun ist es zumindest auf Englisch endlich so weit: Fantagraphics hat diesen Monat seine „Floyd Gottfredson Collection“ mit dem ersten Band gestartet und dank günstigem Dollarkurs kann man sich den übers Internet sogar billiger bestellen als eine deutsche Ausgabe vermutlich wäre.

Und es lohnt sich, nicht nur wegen der enthaltenen Comics (fast den ersten beiden Jahrgängen des Strips), sondern auch wegen der fantastischen Aufmachung, dem Design und dem reichhaltigen Zusatzmaterial. Besser kann man eine Gesamtausgabe fast nicht mehr machen. Lediglich die geringe Größe der abgedruckten Strips macht das Lesen auf Dauer etwas anstrengend, zumal das Lettering nicht besonders deutlich ist (und die Sprechblasen eh vor seltsamem Slang strotzen). Aber sonst stimmt hier einfach alles: der aufwändige Einband, die liebevolle Gestaltung der Titelblätter zu den einzelnen Geschichten und Abschnitten und vor allem die Fülle an seltenen Abbildungen und die redaktionellen Artikel. Da schreiben Disney-Insider (Zeichner und Autoren) ebenso wie Berkeley-Professoren. Und man erfährt auch als Disney-Kenner noch so manches Neue. Zum Beispiel wird detaillert erklärt, wer nun eigentlich Mickys Aussehen entwickelt hat (es war natürlich nicht Disney) und wie der Comic Strip überhaupt zustande kam. Abgebildet werden u.a. zu jeder Geschichte internationale Coverabbildungen, aber auch frühes Werbematerial, das Disney Kinobesitzern zukommen ließ. Wir sehen auch, in welchen Comics frühe Nebenfiguren Jahrzehnte später wieder auftauchten usw.

Zeichnerisch üben die ganz frühen Disney-Comics und -Kurzfilme auf mich irgendwie einen besonderen Reiz aus. Diese noch wenig vermenschlichten Figuren, die oft wenig oder gar keine Kleidung tragen, finde ich viel liebenswerter als ihre späteren, perfekteren Inkarnationen. Nicht nur, dass sich antropomorphe Figuren wie Horace Horsecollar alias Rudi Ross wieder in vierbeinige Tiere zurück verwandeln können, wie Horst Schröder im Vorwort zum 1975er „Ich, Goofy“-Band schrieb, es funktioniert auch umgekehrt: Anfangs scheint es nämlich in Mickys Umgebung auch Tiere zu geben, die zwar nicht sprechen können und auch wie Tiere leben, aber trotzdem intelligent zu sein scheinen, und, wenn erforderlich, ihre Vorderbeine als Arme benutzen können. Diese Umgebung nennt Schröder „ländliche Anarchie“, Micky selbst scheint auf einem Bauernhof zu leben, zusammen mit eben den anderen, nicht sprechenden Hoftieren. Gleich in Gottfredsons erster Geschichte „Race to Death Valley“ bricht er aber daraus zusammen mit Minnie  zu einer langen Reise auf, die die beiden bis in den Wilden Westen führt. Schon dieses frühe Abenteuer ist eines seiner besten.

Aber wir begegnen ihm im ersten Band u.a. auch auf der Jagd nach Eierdieben, die Minnies Vater Marcus Maus (!) ruinieren wollen und zusammen mit seinen engsten Freunden (Goofy gehörte damals noch nicht dazu, er wurde erst 1933 eingeführt) auf Campingurlaub, wo sie mit einem Stamm krimineller Zigeuner aneinandergeraten. Ja, auch das gehört natürlich zu einem so alten Comic, dass manche Geschichten arg „historically dated“ sind, wie es auf dem Backcover ausgedrückt wird – sogar Hakenkreuze sind mehrmals zu sehen. In den Einführungen zu den einzelnen Geschichten werden solche politischen Unkorrektheiten aber jeweils in den historischen Kontext eingeordnet – auch das vorbildlich für eine solche Klassikerausgabe. Es ist halt eine inzwischen fremde Welt, in die uns diese Zeitreise entführt, mit anachronistischen Telefonen und Autos, aber auch mit sozialen Missständen, die sich teilweise seitdem nicht wirklich verbessert haben. Als Zeitungsstrip für ein überwiegend erwachsenes Publikum spiegelt er auch oft die gesellschaftspolitischen Gegebenheiten seiner Entstehungszeit wieder, von Massenarbeitslosigkeit bis Inflation. In einer späteren Geschichte von 1938 etwa werden Micky nur Jobs angeboten, von deren Bezahlung man nicht leben kann („3 Dollar die Woche und Käsecracker“).

Kindisch ist an diesen Comics gar nichts, langweilig meist auch nichts – außer, wenn sich Gottfredson an reinen Gagfolgen versucht. Er ist ein Meister des Spannungsaufbaus von Tag zu Tag, immer wieder schafft er es, mit aussichtslos erscheinenden Cliffhangern und erzählerischem Zeitraffer (dem Ablaufen eines Ultimatums etwa), den Leser zu fesseln. Der Humor kommt dabei trotzdem nicht zu kurz, wenn er in den ersten Jahren auch oft noch etwas brachial und slapstickhaft ist. Anders als in heutigen Disney-Comics wird hier gefoltert und mit Erhängen gedroht, in einer Geschichte versucht Micky gar über mehrere Seiten, sich aus Liebeskummer umzubringen. So erwachsen wie hier war Disney danach bis zu Don Rosas Dagobert-Biografie in den 90ern nicht mehr – und Micky wohl überhaupt nie wieder.

Jetzt bleibt nur zu hoffen, dass Fantagraphics einen langen verlegerischen Atem beweist und dass der Dollarkurs möglichst wenig steigt. Und für alle, die keine englischen Comics lesen wollen oder können, dass Ehapa sich vielleicht doch noch mal zu einer deutschen Ausgabe entschließt. Aber angeblich sind Micky-Comics ja Kassengift. Gottfredsons sind Carl Barks‘ Duck-Geschichten aber mindestens ebenbürtig. Und Micky war darin tatsächlich der vielleicht größte Held, den die Comics bis dahin gesehen hatten.

Neuer Artikel erschlumpft

Veröffentlicht: 10. Juni 2011 in Aus der Praxis, Bücher, Film
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Vor einigen Monaten habe ich aus beruflichen Gründen alte „Schlümpfe“-Comics gelesen. Und das ist dabei heraus gekommen.

Legion der Super-Haustiere

Veröffentlicht: 8. November 2010 in Bücher, Film
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Zum 75. Geburtstag von DC Comics hat der Taschen Verlag ein unglaublich großes und unglaublich teures Buch über deren Verlagsgeschichte rausgebracht. So etwas nennt man wohl Coffe Table Book. Wobei ich mich frage, wer einen so großen Couchtisch hat und wer so viel Platz im Buchregal. Jedenfalls hab ich das Ding neulich mal durchgeblättert und da gibt es schon viele witzige Sachen zu entdecken. Innerlich gelacht habe ich z.B. bei einem Szenenfoto aus dem ersten Batman-Serial, das damals noch als Vorfilm-Serie fürs Kino produziert wurde. Wer dachte, Adam West und Burt Ward (hieß der so?) hätten in der 60er-Jahre-TV-Serie bescheurte Batman- und Robin-Kostüme getragen, sollte sich mal die Kostüme dieser Kinoserie angucken. Am skurrilsten fand ich aber, dass in den 60ern auch diverse Tiere die gleichen Superkräfte bekamen wie Superman: Von Krypto, dem Superhund, hatte ich ja schon mal gehört, aber es gab wohl auch noch ein Superpferd, eine Superkatze, einen Superaffen und dann auch noch eine Superkuh oder so was in der Art. Zusammen bildeten diese – haltet euch fest – die „Legion of the Superpets“. Buahaha. Also, wenn sich die Verantwortlichen bei DC weiterhin fragen, wie sie dem Erfolg der Marvel-Verfilmungen endlich mal etwas Adäquates entgegensetzen können, hier wäre die einschlagende Idee! Es gab übrigens auch mal ein Bat-Baby, aber das möchte ich jetzt wirklich in gnädiges Schweigen hüllen.

Bücherfragebogen (I)

Veröffentlicht: 31. Oktober 2010 in Bücher
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Ok, ihr habt mich doch noch gekriegt:

1. Das Buch, das du zurzeit liest:

Tja, eigentlich nix, nachdem ich „V.“ vor Kurzem endgültig aufgegeben hab. Meinen ersten Pynchon („Die Versteigerung von No. 49“) fand ich hervorragend, meinen zweiten („Vineland“) immer noch sehr gut, aber „V.“ halte ich mehr oder weniger für unlesbar. Nach der Hälfte, etwa 250 Seiten, wusste ich immer noch nicht, um was es eigentlich gehen sollte, es passiert im Grunde nichts, jedenfalls nichts, was irgendeinen zusammenhängenden Sinn ergeben würde, und zwischendurch wird die Haupthandlung immer wieder für 50-80-seitige Sprünge hundert oder 200 Jahre zurück unterbrochen. Diesmal konnte mich auch die Sprache nicht so stark packen, dass ich durchgehalten hätte.

2. Das Buch, das du als nächstes liest/lesen willst:

Keine Ahnung. Vielleicht erscheint ja endlich mal der neue „Spirou“-Band von dem neuen Autorenteam auf Deutsch, der schon einmal verschoben wurde.

3. Dein Lieblingsbuch:

Max Frisch: „Homo faber“ – Ein großartiges Werk über die menschliche Natur. Mehr braucht man dazu eigentlich gar nicht zu schreiben. Der Roman ist im Grunde makellos, man könnte ihm höchstens vorwerfen, etwas überkonstruiert zu sein, was ich ihm aber gerne verzeihe.

4. Dein Hassbuch:

John Niven: „Kill your friends“ – Zumindest das Ärgerlichste, was ich in den letzten Jahren so gelesen habe. Sowas gilt heutzutage wohl als Kultbuch. Eine unangenehme Mischung aus Brett Easton Ellis und Nick Hornby, nur dass der Niven überhaupt nicht schreiben kann. Er versammelt alle Klischees, die man über die Musikindustrie so im Kopf hat (Koks, Nutten und Alkohol) und verbindet sie mit einer menschenverachtenden und sexistischen Weltsicht und einer völlig unmotivierten, dafür aber auch noch unnötig brutalen Thrillerhandlung. Spätestens ab der Hälfte wiederholt er sich nur noch, hält sich selbst aber für ungeheuer provozierend und cool. Dabei ist das Buch weder wirklich witzig, noch hat es irgendeine Aussage. Was Niven dem Musikbusiness vorwerfen will, nämlich zynisch zu sein, trifft vor allem auf ihn selbst zu. Ein Buch, das negative Gefühle erzeugt und unangenehme Bilder im Gehirn festsetzt. So etwas möchte ich eigentlich nicht lesen.

5. Ein Buch, das du immer und immer wieder lesen könntest:

Hm, ich muss wohl nochmal  mit Frisch kommen. „Homo faber“ kann man natürlich auch immer wieder lesen, noch besser trifft das aber auf „Montauk“ zu, eine Erzählung, die eigentlich eine kaum versteckte Autobiografie ist. Die Erzählung eines Wochenendes mit einer wesentlich jüngeren Geliebten auf der Halbinsel bei New York bildet den Rahmen für eine Rückschau Frischs auf wichtige Stationen seines Lebens: seine verschiedenen Berufe, Wohnorte, die Beziehung zu seiner Tochter, vor allem aber natürlich auf die Frauen, die in seinem Leben wichtig waren.

Ein Buch voller Melancholie über verpatzte Chancen und vergangenes Glück, voller Selbstzweifel auch, reich an klugen Gedanken und zitierfähigen Sätzen. Wunderbar etwa, wenn Frisch ohne Anlass über den besten Weg nachdenkt, sich umzubringen („Immer wieder in meinem Leben habe ich grundlos an Selbstmord gedacht.“). Bei der Besichtigung eines alten Bauernhauses im Tessin, das er kaufen möchte, denkt er, alleine könne er da nicht wohnen, er sieht schon die Dachbalken, an denen er sich aufhängen würde. Nebenbei erfahren wir einiges Interessante über seine Schriftstellerei, über seine Liebesbeziehung zu Ingeborg Bachmann, und was an „Homo faber“ alles autobiografisch ist (nämlich allerhand).

6. Ein Buch, das du nur einmal lesen kannst (egal, ob du es hasst oder nicht):

So ausufernde dicke Schinken wie Michael Chabons „Die unglaublichen Abenteuer von Kavalier & Clay“. Fand ich zwar ziemlich gut (vor allem die erste Hälfte), muss ich aber echt nicht nochmal durchackern.

7. Ein Buch, das dich an jemanden erinnert:

Alan Posener: „John Lennon“ – Die Rowohlt-Bildmonografie war die erste, die ich über Lennon gelesen habe, etwa zeitgleich mit einem meiner damals besten Freunde, der auch ein großer Beatles-Fan war. Und der damals in seinem jugendlichen Rebellentum meinte, ein Exemplar des Taschenbuchs aus der Stadtbibliothek klauen zu müssen.

8. Ein Buch, das dich an einen Ort erinnert:

Maarten ‚t Hart: „Die Netzflickerin“ – Hab ich hauptsächlich gekauft, weil die ersten Kapitel in Groningen spielen (und weil es eine Art Prequel zu seinem wunderbaren „Das Wüten der ganzen Welt“ ist). Jedenfalls wird die Hauptfigur in seinem Elternhaus unweit der Martinikerk (dem Wahrzeichen der Stadt, in der ich mein Auslandssemester verbracht habe) geboren. Leider ziehen seine Eltern dann schon bald mit ihm in die Nachbarprovinz Drenthe, kehren aber noch ab und zu in ihre Heimatstadt zurück (wenn sie samstags „in die Stadt“ fahren, da es im Umkreis von Groningen keine wirkliche Großstadt gibt, deshalb ist da heute auch so viel los, glaube ich).

Ansonsten erinnert mich natürlich die ganze zweite Hälfte von der „Blechtrommel“ an Düsseldorf, aber das zählt ja nicht so richtig, weil ich ja selbst hier bin.

9. Das erste Buch, das du je gelesen hast:

Vermutlich irgendein Bilderbuch, weiß jetzt aber echt nicht, welches. Deshalb vielleicht mal das erste „Erwachsenenbuch“, das ich gelesen habe. Und das dürfte gewesen sein: James Kahn: „Die Rückkehr der Jedi-Ritter“ – Yeah! Das hab ich so mit Neun gelesen, in meiner fanatischen Star Wars-Phase. Ich kannte die Filme damals noch nicht, sammelte aber dank eines Grundschulfreundes schon eifrig Star Wars-Actionfiguren und entdeckte dann nach und nach auch die Comicalben, die Romane und sonstigen Schnickschnack. Dank dieses Buchs zum Film wusste ich dann zumindest mal, was im dritten Teil der Trilogie überhaupt passiert war, die Vorgeschichte aus den ersten beiden Teilen erfuhr ich dann erst später.

10. Ein Buch von deinem Lieblingsautoren/deiner Lieblingsautorin:

Da ich nicht schon wieder mit Frisch kommen will, ein Buch meines Lieblings-Comicautoren Frank Miller: „Die Rückkehr des Dunklen Ritters“. Steht hier noch in der ersten Carlsen-Ausgabe im Regal. Wahrscheinlich auch mein Lieblingscomic ever, obwohl ich ja eigentlich mehr auf frankobelgische als auf amerikanische stehe. Diese frühe graphic novel ist allerdings ganz großes Kino. Miller hat damit nicht nur den Batman-Boom der späten 80er/frühen 90er ausgelöst, sondern auch den gesamten US-Comic revolutioniert.

Er dekonstruiert hier im Grunde die ganze Batman-Figur und den DC-Kosmos drumrum gleich mit: Batman ist ein fanatischer alter Reaktionär geworden, Robin ein Teenagermädchen, Superman ein tumber Hilfspolizist im Auftrag Ronald Reagans, der Batman ausschalten soll, weil der nicht mehr in die Zeit passt. Zwischendurch kämpft Supie für die USA als Supersoldat in einem Stellvertreterkrieg gegen die Sowjetunion (die es zum Entstehungszeitpunkt des Comics noch gab) und muss die Erde vor dem atomaren Holocaust retten, weil irgendein Politiker den falschen Knopf gedrückt hat. Währenddessen kämpft Batman gegen Faschisten, Jugendbanden und natürlich gegen seine größten Feinde aus vergangenen Tagen, von Two-Face bis zum Joker. Vor allem kämpft er aber gegen die öffentliche Meinung, heuchlerische Politiker und die Polizei, die ihn nach der Pensionierung seines alten Protegés Comissioner Gordon gnadenlos jagt. Eine Nebenhandlung dreht sich darum, wie dieser versucht, mit seiner Pensionierung fertig zu werden.

Eine sehr tiefe Erzählung, voller bissiger Medien- und Gesellschaftkritik, mit einer ambivalenten Hauptfigur und vielen Anspielungen auf das DC-Universum. Kann man aber auch als eigenständiges Werk lesen, ohne jemals eine andere Batman-Geschichte gelesen oder gesehen zu haben. Leider hat weder Miller selbst noch einer der diversen Filmregisseure es danach geschafft, in ihren diversen Batman-Versionen an dieses Meisterwerk anzuknüpfen.