Mit ‘Rolling Stone’ getaggte Beiträge

Lesetipp zu „The Social Network“

Veröffentlicht: 14. Oktober 2010 in Film, Lesetipp, Online
Schlagwörter:,

Zufällig gefunden: ein gut zwei Jahre alter Artikel aus dem US-„Rolling Stone“, den es kurz darauf auch in der deutschen Ausgabe gab, und den es anlässlich von „The Social Network“ jetzt frei zugänglich online gibt. Wie im Film geht es darin um die Hintergründe der Facebook-Erfindung, vor allem um die Frage, ob Zuckerberg die Idee bei Kommilitonen geklaut hat. Sehr lesenswert!

Von Kraftwerk und anderen Krauts

Veröffentlicht: 3. Oktober 2010 in Musik, Print
Schlagwörter:,

Ich muss zugeben, dass ich ein Fan von Bestenlisten bin. Der „Rolling Stone“ hat diesen Monat die 50 besten deutschen Alben gekürt. Und meinen Geschmack dabei ziemlich gut getroffen: Ich kenne zumindest 11 der 50 Platten, davon 4 aus den Top Ten. Auf Platz 2 hat es Kraftwerks „Mensch-Maschine“ geschafft (hinter „Monarchie und Alltag“ von den Fehlfarben), in den Top Ten gibt es dann noch zwei weitere Alben von ihnen. Auch Element of Crime haben es in die Top Ten geschafft, mit ihrem zweifellos besten Album „Weißes Papier“. Soweit alles richtig gemacht, „Rolling Stone“. Nur Blumfelds „L’etat et moi“ hätte natürlich nicht auf Platz 11 gehört, sondern auf jeden Fall in die Top Ten, wenn nicht auf Platz 1!

Dass zumindest die elektronische Musik aus Deutschland immer schlechter geworden ist, belegt dann die beigelegte CD. Die Tracks aus den 70ern sind alle interessant (Neu!, Der Plan etc.), die mehr oder weniger zeitgenössischen alle langweilig: Melodie nicht zu erkennen, stattdessen wummern die Basstöne vor sich hin. Liebe deusche Electro-Musiker, vergesst Techno und macht endlich wieder Tracks, die „Neuschnee“ oder „Hallogallo“ heißen!

darauf dass … der „Rolling Stone“ eine Interviewreihe „Der DAX rockt“ mit Wirtschaftsbossen startet, in der der RWE-Vorstandschef erzählt, warum er die Beach Boys so liebt.

… Schröders Ex-Regierungssprecher im gleichen Heft über das neue Album der Scorpions schreiben darf.

Ist das jetzt der Einfluss von „Welt am Sonntag“-Kommentator und Neu-„Rolling Stone“-Herausgeber Ulf Poschardt? Was qualifiziert diese Leute dazu, sich in einem Musikmagazin ausführlich über Musik äußern zu dürfen? Warum soll uns die menschliche Seite des Chefs eines Energie- und Atomkonzerns näher gebracht werden? Warum wird nicht mal ein unbekannter Hartz IV-Empfänger oder eine ebenso unbekannte alleinerziehende Mutter über drei Seiten zu ihrer Lieblingsband befragt? Vielleicht, weil das gerade nicht in die aktuelle politische Diskussion passt, deren kulturelle Interessen einer breiteren Öffentlichkeit näher zu bringen.

Ansonsten ist der März-RS erstaunlich interessant ausgefallen (nachdem man sich in den letzten Monaten fast nur mit mehr oder weniger abgehalfterten Mainstreamstars wie Bono, Gabriel & Gabriel (Peter und Gunter), Sade etc. befasst hat): Johnny Cash-Special, Benjamin von Stuckrad-Barre auf den Spuren von Falco in Wien, Osama Bin Ladens Sohn, und Patti Smiths Autobiografie-Auszug macht einem Robert Mapplethorpe fast doch noch sympathisch (sah Mitte der 70er übrigens aus wie Mick Jagger). Eine Mischung, wie man sie echt nur im RS finden kann.

Wer kennt sie nicht (wollte schon immer mal so einen Artikel anfangen), die „Intro“, jene nerdige Gratis-Musikzeitschrift, für die jeder junge Journalist, der aus der Nähe von Köln kommt, schon mal geschrieben hat (außer mir), und die man gerne mitnimmt, wenn man seinen unabhängigen Plattenladen besucht hat (soweit man überhaupt noch einen solchen in der Nähe hat)? Der Musikgeschmack der „Intro“-Redaktion wird aber auch immer seltsamer. Im neuen Haft wird Tokio Hotel an mehreren Stellen abgefeiert und ihr neues Album „Humanoid“ hat es soger auf Platz 4 der Redaktionscharts geschafft (in denen sich sonst zu 90 Prozent Bands finden, von denen ich noch nie irgendwas gehört habe). Außerdem bejubelt ein Autor die Soundtracks von Horror-Regisseur Dario Argento und der Gruppe Goblin. Der Score zu George A. Romeros „Dawn of the Dead“ sei ein „Meilenstein in Sachen Blutgroove“. Zufällig habe ich den Film vor ein paar Tagen erstmals gesehen, und mein Gott, ging mir dieses elektronische Geplärre nach einer halben Stunde auf die Nüsse.

Über die „Intro“ kann man sich sowieso immer herrlich aufregen, vor allem über ihre Sprache, die meist irgendwo zwischen nerdigem Fangeschwafel und bramarbarsierendem Intellektuellen-Geschwurbel angesiedelt ist. Im aktuellen Heft taucht in jedem zweiten Text, den ich gelesen habe, die Formulierung „Sowieso Sowieso of Irgendwas-Fame“ auf, z.b. „Thommy Ohrner of Tim Thaler- und Manni der Libero-Fame“. Ich möchte mal wissen, wo die Autoren diese unsäglich peinliche Redewendung her haben. Ich kenne jedenfalls niemanden, der so redet, weder Amerikaner noch Deutsche.

Außerdem werden immer wieder gerne berühmte Soziologen zitiert. In der November-Ausgabe stolperte ich über Kracauer, Foucault, Bourdieu und Adorno (letzteren allerdings nur im Zusammenhang mit ersterem). Da möchte man der Redaktion doch zurufen: „Ja, ihr wart alle brave Soziologie-Studenten!“ In einem Artikel über die Geschichte des Gruseligen im Film Kracauer anzuführen, der immerhin das Buch „Von Caligari zu Hitler“ geschrieben hat, macht ja noch Sinn. Was Foucault in einem Text über „Die Goldenen Zitronen“ zu suchen hat, und ob man unbedingt Bourdieus Begriff des kulturellen Kapitals bemühen muss, wenn es um Einflüsse der Globalisierung auf die Popmusik geht, ist fraglich.

Leider bleiben die meisten Artikel trotz aller Theoretisierung seltsam oberflächlich. Am Ende ist man meist nicht viel schlauer als am Anfang. Dass die Autoren oft lieber sich selbst zuhören als ihren Interviewpartnern, konnte man wunderbar in der letzten Augabe sehen, wo die Fragen in einem Jochen Distelmeyer-Interview oft länger waren als die Antworten. Auf eine ellenlange umständlich formulierte Frage, antwortete der Ex-„Blumfeld“-Sänger schlicht mit „Ja.“, auf eine andere mit „Ist mir scheißegal, was die Hörer meiner Platte denken.“ Das fand ich schon wieder konsequent von ihm.

Da gefallen mir die Artikel im „Rolling Stone“ schon besser, obwohl der es auch irgendwie schafft, nach einer Ausgabe mit vielfältigen interessanten Themen eine auf den Markt zu werfen, in der mich wirklich kein einziges interessiert. Titelstar der aktuellen Nummer ist Robbie Williams, einfallsloser geht’s wohl nimmer. Dazu kommt ein Artikel über eine mir völlig unbekannte, dafür gut gebaute und leicht bekleidete US-Schauspielerin (?). Und als Gipfel der Belanglosigkeit noch ein Gespräch mit Heinz Rudolf Kunze und Gunther Gabriel, zwei der sich selbst am meisten überschätzenden Vertreter der populären Musik in Deutschland (Wobei, kann man das eigentlich noch populäre Musik nennen? Die Beiden verkaufen ja wohl schon seit Jahrzehnten nicht mehr wirklich viele Platten.). Ist der November musiktechnisch Saure Gurken-Zeit? Oder ist das schon der Einfluss der neuen Redaktionsleitung? Seltsame Dinge kommen noch auf uns zu.

Ausgerechnet Ulf Poschardt soll zum Jahreswechsel Herausgeber der Springer-Musikzeitschriften „Rolling Stone“, „Musikexpress“ und „Metal Hammer“ werden, meldet die taz. Poschardt, Godfather der neoliberalen Gehirnverkleisterung, der als Chefredakteur des SZ-Magazins über Tom Kummers gefälschte Promi-Interviews stolperte, als Gründungschefredakteur die Totgeburt der deutschen „Vanity Fair“-Version maßgeblich zu verantworten hatte, wo er in seinen Editorials die „Mover und Shaker“ der Republik ansprechen wollte, die wahrscheinlich in ihrer Gesamtheit ins Berliner „Borchardt“ passen würden, und der seitdem wieder unglaublich reaktionäre Kommentare in der „Welt am Sonntag“ schreiben darf. Nun darf der selbst ernannte Popjournalist (der ja immerhin über „DJ Culture“ promoviert hat) also bald u.a. beim „Rolling Stone“ mitreden, der doch in den USA mal als Zeitschrift der linken Gegenöffentlichkeit gegründet wurde.  Was für ein Abstieg, wenn man betrachtet, welche Tradition der (amerikanische) RS doch hat: von Jann S. Wenner zu Ulf Poschardt – das bringt auch nur der Springer-Verlag fertig.

Meine erste Lieblingszeitschrift: Die erste Siehste von 1979  Foto: Springer Verlag

Meine erste Lieblingszeitschrift: "Siehste" von 1979 Foto: Springer Verlag

Die erste Zeitschrift, die ich regelmäßig gelesen habe, war, wenn ich mich recht erinnere, die „Siehste„. Das war so eine Fernsehzeitschrift speziell für Kinder von der „Hörzu“. Die erschien 1979 etwa ein Jahr lang; ich war damals vier (fragt nicht, wieso ich da überhaupt schon lesen konnte). Nach einem knappen Jahr wurde sie wieder eingestellt, das Maskottchen Holly Zolly, eine Art Wurm, dessen Kopf aus dem „Hörzu“-Logo entwickelt worden war, tummelte sich danach noch einige Jahre auf der Kinderseite der „Hörzu“, die wir später auch im Haus hatten. Die alten „Siehste“s, inzwischen 30 Jahre alt und völlig zerfleddert, liegen immer noch in meinem ehemaligen Kinderzimmer. Durch meine spätere Kindheit begleiteten mich vor allem „Yps mit Gimmick“ und die „Micky Maus“ regelmäßig, teilweise auch „Fix & Foxi“. Manchmal trauere ich den alten Zeiten nach, wo es jede Woche am Kiosk drei bunte Zeitschriften gab, die mich begeisterten, und das für ein paar Mark. Die wenigen Zeitschriften, die ich mir heute noch regelmäßig kaufe, erscheinen alle drei Monate bis unregelmäßig, sind schweineteuer und meist nur im Bahnhofsbuchladen zu bekommen.

Ja, die „Bravo“ habe ich auch irgendwann mal ’ne Zeit lang gekauft, ist ja quasi unvermeidlich (oder war es zumindest damals, heute brauchen die Kids dank Internet und Viva die wohl nicht mehr so dringend). Mit 14 hörte ich damit aber wieder auf. Ungefähr zur gleichen Zeit las ich auch die „ASM – Aktueller Software Markt“, die erste deutsche Zeitschrift, die ausschließlich über Computerspiele (und selten über andere Software) schrieb. Als nächstes stieß ich auf den „Musikexpress/Sounds“, den ich mit 15/16 wohl so 1 1/2 Jahre jeden Monat kaufte, kurz darauf kamen dann die beiden Lifestyle- (oder Zeitgeist-, wie man damals sagte) Magazine „Tempo“ und „Wiener“ dazu. „Tempo“ würde ich wahrscheinlich heute noch zu meiner All Time-Lieblingszeitschrift erklären. 1993 wurde ich konservativ und stieg auf etabliertere politische Magazine um, hauptsächlich auf den „Spiegel“, den ich allerdings nur sporadisch las. Außerdem hatte ich ein Comicfachmagazin abonniert, „RRAAH“ aus dem comicplus-Verlag, inzwischen auch längst eingestellt, ebenso wie die „Comic Speedline“, die ich später bis zur Einstellung las. Ende 1994 wurde der deutsche „Rolling Stone“ gegründet, der meine neue Lieblings-Musikzeitschrift wurde.

Als großer Fan (vor allem frankobelgischer) Comics stieß ich natürlich 1999 gleich auf das wiedergegründete ZACK, auch wenn ich das alte Magazin gleichen Namens in den 70ern nicht mehr wahrgenommen hatte. Später kaufte ich auch ab und zu mal die „epd Film“, die mir meistens aber doch zu teuer war und ist. Nachdem ich 1998 meinen letzten „Spiegel“ gekauft hatte, sollte es ungefähr zehn Jahre dauern, bis ich überhaupt mal wieder eine Zeitschrift ohne festes Themengebiet für mich entdeckte. „Dummy“ riss mich wirklich vom Hocker, kurz darauf kam dann noch „Liebling“ hinzu, bei dem mich vor allem die optische Seite fasziniert.

Im Vergleich zu früher bin ich heute ein eher sporadischer Zeitschriftenleser. Außer „Dummy“ und „Liebling“, die beide extrem selten erscheinen, kaufe ich kein Magazin mehr regelmäßig, also blind jede Ausgabe. Wenn mich die Themenmischung anspricht, kaufe ich mir mal eine Film-, Musik- oder Comicfachzeitschrift, aber es gibt keine, auf die ich jeden Monat gespannt warten würde. Wahrscheinlich gehört es einfach zur Kindheit und Jugend, dass man da begeisterungsfähiger war, jede Woche oder jedes Monatsende zum Kiosk  gelaufen ist, um sich das neue „Yps“ oder die neue „Tempo“ zu holen und ja kein Heft verpassen wollte.

Die meisten Zeitschriften, die ich mal eine Zeit lang regelmäßig las, wurden früher oder später eingestellt. An anderen verlor ich altersbedingt das Interesse. In die „Micky Maus“ gucke ich gerne noch, wenn sie irgendwo ausliegt (Z.B. neulich beim Arzt, die Alternative waren allerdings auch lauter Frauenzeitschriften), von der „Yps“ habe ich aus Nostalgiegründen vor einigen Jahren zwei der vier Relaunch-Versuchshefte gekauft. Der alte Zauber stellt(e) sich natürlich nicht wieder ein. Wirklich nachtrauern tu ich vor allem der „Tempo“. Wenn sich hier der Jahreszeiten-Verlag noch mal erbarmen und Markus Peichl ein paar Hunderttausend Euro in die Hand drücken würde, wär das ein Jubeltag für mich. Ansonsten bleiben vor allem nostalgische Erinnerungen an gedruckte Blätter, die einem so viele schöne Stunden bereitet haben.

Germany’s Next Top-Praktikant

Veröffentlicht: 27. April 2009 in TV
Schlagwörter:, ,

Da bin ich gestern Abend doch bei der neuen VOX-Doku-Soap „Der Star-Praktikant“ hängengeblieben, obwohl ich sonst nie derartige non-fiktionale Sendungen gucke. Grund dafür war, dass die drei Kandidaten um ein Praktikum beim deutschen Rolling Stone kämpften, und der RS ist schließlich nicht nur für Nick Hornby auf der Liste der Traum-Arbeitgeber ganz oben.

Ich muss zugeben, unterhaltsam war’s. Die Ideologie, die hinter diesem Show-Konzept steckt, ist aber mehr als fragwürdig. Jetzt liefern sich junge, begabte Kandidaten vor der Kamera also nicht mehr nur Konkurrenzkämpfe um Plattenverträge und Modelkarrieren, sondern schon darum, ein unbezahltes Praktikum machen zu dürfen. Als wäre das schon ein Ziel an und für sich. Zwei der drei Kandidaten waren bereits über 25, eine hatte bereits ein BWL-Studium abgeschlossen. Früher verdiente man dann 4000 Euro im Monat in Festanstellung, heute bewirbt man sich für eine Castingshow, bei der man eine Praktikumsstelle gewinnen kann. Wir sind schon ziemlich weit unten angekommen in Deutschland.

Schön auch die „Challenges“, die sich der RS-Redakteur für die hoffnungsfrohen Jungjournalisten ausgedacht hatte. Recherchieren bestand hauptsächlich darin, in einem Musik-Souvenirshop wahllos Leute nach Musikern zu fragen oder auch zu googeln. (Wie googelt man eigentlich „ein Musiker, der viel Zeit im Bett verbrachte und Ärger mit der Green Card hatte“?) Gewonnen hat dann überraschenderweise die Kandidatin, die zwar am sympathischsten rüberkam, deren Rechercheideen sich aber weitgehend darauf beschränkten, ziellos durch den Central Park zu laufen, weil sie gehört hatte, da würden immer viele Bands spielen. (Außerdem googelte sie noch, ach ja, und recherchierte bei MySpace.)

Immer wieder sagten die Kandidaten, was für eine Ehre es doch wäre, an einer Redaktionssitzung des amerikanischen Rolling Stone teilzunehmen oder überhaupt eine Zeile für das Magazin zu Papier zu bringen. Wahrscheinlich hätten sie ähnliches auch gesagt, wenn eine der „Challenges“ darin bestanden hätte, den besten Kaffee zu kochen.  Was kommt wohl als nächstes? „Deutschland sucht den Super-Hartzler“? (Wer schafft es am besten, vom Hartz IV-Regelsatz ein hippes Leben zu führen?) „Germany’s Next Top-Penner“? (Welcher Sandler kann das beste aus seinem Typ machen?) Das nach unten offene soziale Netz eröffnet da noch viele quotenträchtige Show-Konzepte.

Mit fünfwöchiger Verspätung habe ich es jetzt doch noch geschafft, mir den „Rolling Stone“ von letztem Monat zu kaufen, A&O Medien, einem der letzten kleinen Plattengeschäfte in Düsseldorf sei Dank, die schicken alte Musikzeitschriften nämlich nicht an den Vertrieb zurück, sondern lassen die einfach weiter in ihren Regalen. Und ich muss sagen, ein wunderbares Heft: Zwei herausragende Geschichten, eine über den aussichtslosen Krieg der Amerikaner in Afghanisten, eine über die wechselvolle wie beeindruckende Geschichte des Plattenlabels Motown, nach der man gleich Lust bekommt, auf die Suche nach Songs der Künstler zu gehen.

Hier hat man noch Raum für lange (und gut geschriebene)  Geschichten. Die Motown-Story mäandert inklusive Kästen und Diskographie über 15 Seiten dahin (ohne jemals langweilig zu werden), für „Die 100 besten Sänger aller Zeiten“ hat man gar 30 Seiten frei geräumt. Dazu kommen schöne kürzere Artikel wie ein Morrissey-Interview, und Benjamin von Stuckrad-Barre darf in einer neuen Kolumne beweisen, wie gut und witzig er eigentlich schreiben kann (Beim RS hat er ja seinerzeit auch angefangen, vor seinem Ruhm als Schriftsteller). Und als Extra noch eine CD mit zehn Raritäten des Soul aus den späten 60er/frühen 70er Jahren – was will man von einem Musikmagazin mehr.

Viele kritisieren ja am RS immer wieder, dass die auch politische oder ähnlich „themenfremde“ Reportagen bringen. Mir gefiel hingegen genau das am Konzept immer gut: Dass man sich nicht als reines Musik-, noch nicht einmal als reines Popkultur-Magazin versteht, sondern immer auch über den Tellerrand hinaus blickt, Politik als Teil der Gegenkultur und Pop als Teil der Gesellschaft sieht. Solange die entsprechenden Artikel so außergewöhnlich spannend sind wie Nir Rosens Reportage „Der verlorene Sieg“ über die Dominanz der Taliban (denen er beinahe selbst zum Opfer gefallen wäre), braucht sich der RS auch mit diesen Themen nicht vor „seriösen“ Nachrichtenmagazinen zu verstecken.