Archiv für März, 2011

Nach mehreren Erzählbänden und zwei Romanen, von denen einer wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts verboten wurde, legte Maxim Biller zuletzt eine Art Autobiografie vor, auch wenn sein Buch den Untertitel „Selbstporträt“ trägt. Ohne erkennbare Chronologie erzählt Biller aus verschiedenen Phasen seines bis dahin knapp 50-jährigen Lebens: von den Anstrengugen, ein Schriftsteller zu werden, von seiner Zeit an der Journalistenschule in München, von Praktika bei der FAZ und der Zeit, von Besuchen in Israel, seiner exzentrischen Familie, den 80er Jahren in Münchener Szenekneipen und Frankfurter Discos.

Wir werden Zeuge von einschneidenden gesellschaftlichen Ereignissen wie der Uraufführung von Fassbinders provokantem Theaterstück über jüdische Immobilienspekulanten sowie von Billers Begegnungen mit prominenten Zeitgenossen wie Henryk Broder und Marcel Reich-Ranicki. Vor allem aber haben wir Teil an den hochtrabenden Ambitionen, an den Selbstzweifeln und den Hindernissen des jüdischen Emigranten mit mehrfach emigrierten Eltern, der sich nirgendwo richtig zuhause fühlt. Schon gar nicht in Deutschland, in das er als Zehnjähriger gekommen ist und in dem er, egal was er tut und wie er sich verhält, immer als Jude definiert wird.

Ob ein Mitschüler ihm zuflüstert, man hätte ihn auch in einen Ofen stecken sollen, oder der Tempo-Chefredakteuer ihn mit der legendären „1oo Zeilen Hass“-Kolumne in eine Biller unliebsame Tradition jüdischer literarisch-journalistischer Stänkerer zwängt: Immer gibt man ihm zu verstehen, dass er ein Sonderling ist, einer der eigentlich gar nicht hier sein sollte, besser in Israel.

Zugleich sind seine Träume wie auch seine Ängste universell, es sind die Träume und Ängste jedes jungen Menschen, der sich künstlerisch ausdrücken will und auf dem Weg zur Anerkennung mit den Vorbehalten anderer ebenso kämpfen muss wie mit seinen eigenen Selbstzweifeln. Es ist erstaunlich, wie universell übertragbar Erfahrungen manchmal sind. Ich habe mich in einigen Stellen sehr wiedergefunden. Etwa, wenn Biller über seine Journalistenschule schreibt:

„Ich saß von neun bis fünf, von Montag bis Freitag hinten rechts in einem langen, engen, niedrigen Raum, in dem auch tagsüber Neonröhren brannten, und ich hatte mit fast jedem in diesem Raum ein Problem. Das war im Herbst 1983 so, und im Frühjahr 1984 war es immer noch so… “

Über seine Mitschüler: „So jung und schon so viel Angst vor Schwierigkeiten! Nach dem Unterricht liefen sie nach vorn, wo der Chefredakteur des Stern oder des FAZ-Magazins saß, und fragten nach der Telefonnummer. Aber als es darum ging, bei welcher Zeitung sie später das Praktikum machen würden, entschieden sie sich für Kiel oder Nördlingen.“

Neben der Genauigkeit solcher Beobachtungen ist es vor allem die knappe, pointierte Sprache Billers, die fasziniert. Er bringt die Dinge schnörkellos auf den Punkt, egal ob es sich um das Szeneleben im München und Frankfurt der 80er Jahre handelt oder um die verschiedenartigen Wege von Holocaust-Überlebenden, mit dem Unfassbaren umzugehen. Mit bissiger Ironie spart er dabei nicht. Als die Mutter einer Freundin während der Fassbinder-Aufführung aus Protest die Bühne stürmt und sich dabei den Rock aufreißt, läßt Biller ihre Tochter sagen:

„Jemand fragte sie, ob ihr das nicht unangenehm sei, und sie sagte, nein, nein, unangenehm war, als ich meinen Jaczek mit meiner Schwester erwischt habe, und Dora-Mittelbau war auch nicht schön.“

Man hat Biller oft Arroganz und Zynismus vorgeworfen und tatsächlich kommt er in Talkshows und Interviews manchmal so rüber. Wer seine Bücher kennt, weiß aber, dass das zu kurz gegriffen ist. Hinter der oft herablassenden Fassade verbirgt sich ein großer Melancholiker. Das Selbstporträt gipfelt in einigen Sätzen, die ich auch über mich selbst hätte schreiben können:

„Ich bin kein Pessimist. Aber als Realist lebe ich mit dem Gedanken, dass alles egal ist, weil wir sowieso sterben werden. Trotzdem sollten wir gut sein, denke ich, damit jeder, der nach uns kommt, in einer Welt zu Hause sein kann, in der er so lange glücklich ist, bis auch er versteht, dass er sterben wird. Darum sage ich viel zu oft, dass mir etwas nicht gefällt. Wenn ich aber etwas mag – ein Lied, einen Menschen, eine politische Idee -, schreie ich vor Freude.“

Sagen wir es so, an einigen Stellen dieses Buches hätte ich fast vor Freude geschrien.

Maxim Biller: „Der gebrauchte Jude. Selbstporträt.“ Fischer Taschenbuch Verlag 2011. 176 Seiten, 9,95€.

So was hat es wohl seit dem „Scheibenwischer“-Skandal um den Bayerischen Rundfunk nicht mehr gegeben: Michael Mittermeier macht in der „heute-show“ (zugegeben ziemlich geschmacklose) Witze über die Bedeutung des Worts Atomfetischisten und plötzlich wird der Bildschirm schwarz. „Keine Angst vorm Super-GAU, komm doch her, verstrahlte Sau“, sang der Comedian gestern Abend in der Sendung, nachdem er schon spekuliert hatte, dass Atomfetischisten vermutlich Menschen sind, die nur durch den Anblick von AKWs sexuell erregt werden oder Frauen, die nur plutoniumbetriebene Vibratoren benutzen. Gerade meinte Moderator Oliver Welke noch, Wörter wie „wichsen“ höre man im ZDF viel zu selten, da brach die Sendung abrupt ab. Der Bildschirm blieb etwa eine halbe Minute schwarz, bis auf das ZDF-Logo oben links. Danach erschien – seltsame Ironie – statt der beiden Atomfetischisten-Satiriker plötzlich Atomfetischist Wolfgang Herles auf dem Bildschirm, in einem Trailer für die nachfolgende „Aspekte“-Sendung. Irgendeine Erklärung, warum die „heute-show“ so plötzlich abbrach, gab das ZDF seinen Zuschauern nicht.

Heute heißt es bei Twitter, das Ganze sei nur ein technischer Fehler gewesen, bei der Überspielung der aufgezeichneten Sendung habe etwas nicht geklappt. Da frage ich mich, überprüft das kein Mensch mehr, ob die überspielte Sendung auch wirklich so lang ist, wie sie sein soll? Und warum gab es weder im laufenden Programm noch heute auf der Facebook-Seite der Sendung eine Erklärung? Zwar gibt es nun angeblich die komplette Sendung in der Mediathek zu sehen, aber Zweifel bleiben bestehen. Auf mich wirkt das Ganze jedenfalls, als habe ein überreagierender ZDF-Mitarbeiter den Stecker gezogen.

Wie gesagt, grenzwertig fand ich die Witze von Mittermeier stellenweise auch. Während in Japan noch Menschen mit wahrscheinlich tödlichen Dosen verstrahlt werden, sollte man nicht schon im TV Witze über verstrahlte Menschen machen. Aber das kann man dann senderintern hinterher diskutieren. Bis dahin bleibt es jedem Zuschauer überlassen, aus- oder umzuschalten, wenn ihm die Satire zu geschmacklos wird. Andererseits muss man sagen: Wenn stimmt, dass Satire nur gut ist, wenn sie weh tut, hat die „heute-show“ alles richtig gemacht. Bis zu dem fragwürdigen Auftritt von Mittermeier war es eh eine der bisher besten Ausgaben. Martin Sonneborn, wie er einem NPD-Bürgermeister beim Interview ein Mikro mit aufgestecktem Hitlerbärtchen vors Gesicht hält – das war schon sehr genial. Mal sehen, ob Oliver Welke nächsten Freitag wieder passende Worte zum Abschied findet, wie auch schon, als das ZDF mal versehentlich seine Show erst nach „aspekte“ zeigte statt umgekehrt. So à la „Jetzt kommt ‚Aspekte‘, wenn es nicht schon längst angefangen hat.“

Nachtrag: Der Produzent erklärt im DWDL-Interview, woran es gelegen haben soll. Die aufgezeichnete Sendung wird also live von Köln nach Mainz überspielt, während sie ausgestrahlt wird? Ist das ein gängiges Verfahren in Zeiten von schnellen Internetverbindungen und riesigen Servern? Warum überspielt man da nicht einfach die Sendung vorher in aller Ruhe, was wesentlich weniger fehleranfällig scheint als es live zu machen?

Bei der Panne im Oktober hieß es glaube ich, man hätte „Die Vorleser „vorziehen müssen, weil die Überspielung der „heute-show“ nicht rechtzeitig fertig gewesen wäre. Damals wurde sie also noch nicht live überspielt?

Ich hab zurzeit irgendwie so eine Westernphase, weiß auch nicht genau, warum. Teilweise ist es Zufall, dass im Fernsehen und Kino einige interessante liefen, teilweise stolperte ich über billige DVDs von älteren Filmen. Außerdem fand ich Morricones Musik in „Fistful of Dynamite“ so toll, dass ich mir den Soundtrack runterladen musste. Gestern erstand ich auf dem Trödelmarkt dann noch eine holländische Vinylpressung von „Spiel mir das Lied…“, verzeihung, ich meinte natürlich: von „Het gebeurde in het westen“. Auf beiden Soundtracks schafft es Morricone im Wesentlichen, mit drei Melodien auszukommen (na gut, es sind schon vier bis fünf, aber jeweils nur zwei, die wirklich prägend sind und immer wieder variiert werden). Trotzdem großartig, wobei mir „Fistful of Dynamite“ tatsächlich noch besser gefällt. Meiner Meinung nach ist Morricone ja ein größerer Komponist als Mozart, ich muss aber auch gestehen, dass ich von E-Musik nicht viel Ahnung habe.

Ein weiterer Trödelmarktfund aus dem Westerngenre: „Westwärts zieht der Wind“ aka „Paint your Wagon“, ein weiterer Schritt bei meiner Erschließung des Gesamtwerks von Clint Eastwood. Die Meinungen über diese (Western-)Musical-Adaption von 1969 gehen auseinander. Entweder man liebt sie oder man hasst sie. Ich tendiere eher zu ersterem, auch wenn der Film mit seinen mehr als 2 1/2 Stunden (allerdings inklusive einer ca. dreiminütigen Pause, die durch eine Einblendung mit Musikuntermalung überbrückt wird) deutliche Längen hat. Hier wäre eine Straffung um eine halbe Stunde deutlich mehr gewesen.

Überrascht war ich von der Qualität der Songs: die sind durchgehend klasse, richtige Gassenhauer mit Ohrwurmpotential. Die schnelleren Stücke sind zudem so kraftvoll und voller Spielfreude der Sänger/Schauspieler inszeniert, dass man am liebsten aufspringen und mitsingen möchte. Eastwood macht seine Sache als Sänger erstaunlich gut. Er hat zwar keine besonders große stimmliche Breite, aber im Grunde eine recht schöne Singstimme und verfehlt auch nie den Ton. Allein dafür, Eastwood mit einer Gitarre in der Hand traurige Liebesballaden singen zu hören, lohnt sich im Grunde der Film. Stimmlich noch interessanter ist aber der eigentliche Hauptdarsteller, Lee Marvin. Sein „Wandr’in Star“ ist ja dann auch der einzige Song des Films, den man noch heute kennt.

Nicht besonders viel Sinn macht die Story, die auch keinen rechten roten Faden hat, sondern eher eine episodenhafte Struktur. Erzählt wird von einer Gruppe von Goldsuchern, die irgendwo in Kalifornien eine Ader entdecken. Daraufhin wächst rund um den Fluss eine Stadt immer weiter. Das wird sehr schön veranschaulicht: Erst sind es nur Zelte, dann ein paar provisorische Hütten, schließlich wird es eine richtige lebendige Stadt mit Saloons, Bordellen, Geschäften usw., bis am Schluss alles wieder genauso schnell im Erdboden versinkt oder zusammen bricht, wie es entstanden ist. Die Bewohner ziehen weiter, auf zu neuen Goldadern und neuen Abenteuern; der Pioniergeist des jungen Amerika ist hier noch ganz ungebrochen.

Die Handlung selbst ist bewusst slapstickhaft und oft ziemlich abstrus: Wenn ein Mormone vorbei kommt, der gleich zwei Ehefrauen hat, wird selbstverständlich die jüngere gleich meistbietend unter den Goldsuchern versteigert – gefragt wird sie nicht und jeder, einschließlich des ursprünglichen Ehemanns findet das ganz normal. Wenn es zuwenige Frauen in der Stadt gibt, überfällt man halt eine Kutsche, die sechs Huren in eine Nachbarstadt bringen soll – und baut ihnen gleich selbst ein Bordell. Vor allem wird hier ein völlig freies, selbstbestimmtes Leben propagiert, frei auch von gesellschaftlichen Zwängen, von in der Zivilisation herrschenden moralischen und religiösen Werten. Wenn eine Frau zwei Männer gleichzeitig liebt, spricht hier an der frontier nichts dagegen, dass sie mit beiden das gleiche Haus teilt. Pietistische Farmer von außerhalb werden mit ihren Einwänden ebenso wenig ernst genommen wie ein Pastor, der natürlich auch nicht lange auf sich warten lässt.

Aber am Ende war alles eben doch nur eine kurze Zeit der Unbeschwertheit, auf Dauer ist dieses Leben nicht ausgelegt. Wie der Wanderstern, unter dem Lee Marvins Figur angeblich geboren wurde, müssen auch die Pioniere weiterziehen, wenn der Winter einbricht.

„Paint your Wagon“ nach dem Musical von Lerner und Loewe, einem Texter/Komponisten-Gespann, das u.a. auch „My Fair Lady“ geschrieben hat, ist eine große Hollywood-Produktion, was man auch ständig merkt. Bei den Musiknummern wird nicht gekleckert, sondern geklotzt, da tanzen auch gerne mal Dutzende von Statisten im Hintergrund rum. Und am Ende wird die gesamte Stadt in einer gigantischen Materialschlacht dem Erdboden gleichgemacht. Damals wollte das alles wohl kaum jemand sehen und hören (und einen sanft singenden Eastwood schon gar nicht), heute macht es einfach nur Spaß. Wo sonst bekommt man schon mal einen Bullen zu sehen, der in einer Goldmine durchdreht?

Es ist wieder passiert

Veröffentlicht: 12. März 2011 in Allgemeines, Politik
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Eines der erstaunlichsten Merkmale der Gattung Mensch ist, dass sie nicht in der Lage zu sein scheint, aus einmal gemachten Fehlern zu lernen. Jedenfalls nicht auf gesellschaftlicher Ebene. Tschernobyl? Ach, das ist doch schon 25 Jahre her, da kräht doch kein Hahn mehr nach. Es setzt ja schon eine recht geringe Intelligenzstufe voraus, in einem Erdbebengebiet Atomkraftwerke zu bauen (und das ein Land, das so unter den Folgen von Atomkraft leiden musste wie Japan trotzdem auf deren „friedliche Nutzung“ setzt, ist sowieso sehr sarkastisch). Wenn dann die deutsche Kanzlerin aber am Abend desselben Tages, an dem es in einem davon zur Katastrophe gekommen ist, erklärt, sie wolle an der Kernkraft festhalten, aber selbstverständlich müsse die Sicherheit immer an vorderster Stelle stehen, kann man sich nur noch an den Kopf fassen. Wenn die Sicherheit tatsächlich an vorderster Stelle stünde, müsste Frau Merkel den Betrieb von AKWs sofort gesetzlich verbieten lassen.

Ich frage mich manchmal, ob die Frau so dumm ist, wie sie wirkt – oder einfach nur zynisch. Man muss sich das mal ins Gedächtnis rufen: Sie ist promovierte Physikerin! Die Frau wird in ihrem Studium doch bestimmt mal was über Kernspaltung gehört haben, d.h. sie versteht doch besser als wir Ungebildeten, was da in Fukushima wirklich abgeht. Aus so einer Katastrophe dann den Schluss zu ziehen, unsere deutschen AKWs wären sicher, ist in etwas so, als wenn sich ein Germanist weigert, die deutsche Kommasetzung anzuwenden. Oder ein Mathematiker behauptet, 2 + 2 ergebe 5, das sei ja nun mal eindeutig bewiesen.

Ihr „Minister für Reaktorsicherheit“ eierte in den Tagesthemen auch ganz schön rum, aber nur, weil er zu machtgeil ist, um sich öffentlich um Kopf und Kragen zu reden. Zwischen den verklausulierten Zeilen war ganz gut raus zu hören, dass der Mann die Laufzeitverlängerungen lieber heute als morgen zurück nehmen würde. Nur warum er dann eigentlich noch im Amt ist, wenn er sich in seiner eigenen Regierung nicht durchsetzen kann, ist mir nicht klar. Schade, dass in den nächsten Wochen keine Bundestagswahl ansteht. Diese Leute gehören mit Schimpf und Schande aus dem Amt gejagt, denn das Wohl der (normalen) Bürger ist so ziemlich das Letzte, was ihnen am Herzen liegt.

Wenn ich so die Bilder aus Japan im Fernsehen sehe, denke ich manchmal, die Apokalypse hat schon längst begonnen, und wir haben es bloß noch nicht richtig gemerkt. Drei oder mehr Atomreaktoren (beinahe) explodiert, aber auf die restlichen kann Japan natürlich auch in Zukunft nicht verzichten, denn irgendwie muss es ja seinen riesigen Energiebedarf decken. Und Öl ist ja gerade wieder teurer und unsicherer geworden, weil in Libyen ein verrückter Staatschef seine eigene Bevölkerung massakriert. Aber um da die Rebellen zu unterstützen, ist den meisten westlichen Staaten dann das „nationale Interesse“ nicht groß genug. Ein weiteres Merkmal der menschlichen Gattung scheint zu sein, dass sie nicht in der Lage ist, sich selbst als Gesamtheit zu begreifen, sondern jeder seinen eigenen Stamm, seine eigene Ethnie und seine eigene Nation als oberste Priorität sieht. Nach uns die Sintflut.

„Sie haben es getan, sie haben es wirklich getan! Ich verfluche euch alle!“ (Charleton Heston, „Planet der Affen“)

Satz des Tages

Veröffentlicht: 11. März 2011 in Print
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„Ich glaube, dass Muttersein keine Intelligenz voraussetzt, sondern hauptsächlich Entkleidung.“

Horst Eckert alias Janosch in einem auch ansonsten sehr launischen Interview mit dem „Freitag“.

Das bessere „Glee“ heißt „Fame“

Veröffentlicht: 9. März 2011 in TV
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Mann, was wurde „Glee“ im Vorfeld des deutschen Free TV-Starts in den Medien hoch gejubelt. Witzig sollte es sein, subversiv und vor allem so wahnsinnig originell. Ich hab genau drei Folgen durchgehalten, dann habe ich endgültig eingesehen, dass ich einfach nicht zur Zielgruppe dieser Serie gehöre. Ich fand den Humor nur selten witzig, die Handlung völlig unoriginell bis abstrus, die Moral billig und die Figuren klischeestrotzend. Ach ja, und die Musiknummern weitgehend schlimm. Aber wie gesagt, ich bin halt auch keine 14-20 mehr, und für die scheint mir die Serie vornehmlich gemacht zu sein.

Dass es im Grunde im Film- und TV-Business nichts neues mehr unter der Sonne gibt, wurde mir dann klar, als ich zufällig bei Eins Festival auf „Fame“ stieß. Vorher wusste ich nicht einmal, dass es eine Serie zu dem gleichnamigen Kinofilm gab. Gedreht wurde sie von 1982-87 und inhaltlich ist sie genau das, was „Glee“ heutzutage versucht, ins 21. Jahrhundert zu übertragen: eine High School-Serie um junge Tänzer und Sänger, ein bisschen Humor, ein bisschen Drama und vor allem gute Laune inklusive aufwändiger Tanz-und Gesangsnummern. Und im Gegensatz zum zeitgenössischen Nachfolger funktioniert diese 30 Jahre alte Serie für mich sehr gut.

Man kann „Fame“ natürlich von der Machart nicht mit den heutigen US-Serien vergleichen, die wahrscheinlich zehnfache Produktionskosten haben. Auch ist das von der Dramaturgie her eben eine typische 80er-Jahre-Serie: abgeschlossene Handlung, am Ende jeder Folge gibt es ein Happy End, und in der nächsten Woche beginnt die neue Folge wieder mit dem Status Quo. Die Moral, die es wohl in jeder Folge gibt, ist teilweise auch eher mit dem Holzhammer vermittelt, Subtilität sucht man hier vergebens. Dafür scheut man sich nicht, auch ernste Themen aufzugreifen (Judenverfolgung im Dritten Reich, Umgang mit Behinderten etc.) und diese werden dann eben auch ernsthaft behandelt. Die Figuren sind hier keine wandelnden Klischees, sondern glaubwürdige Charaktere mit Stärken und Schwächen. Vor allem strahlt das Ganze aber eine Warmherzigkeit aus, die „Glee“ völlig abgeht. Und die Musikeinlagen überschreiten zwar auch hier desöfteren mal die Kitschgrenze, wenigstens werden aber nicht die damals aktuellen Charts durchgenudelt. Technisch sind die Tanzszenen natürlich sowieso perfekt.

Für einen Serienfreak wie mich ist es natürlich immer schön, Schauspieler wieder zu erkennen, die man bereits aus anderen, späteren Rollen kennt. So ist mir gleich die schwarze Tänzerin aufgefallen, die von Erica Gimpel gespielt wird, die 15 Jahre später dann als Sozialarbeiterin bei ER dabei war.

Die erste Staffel von „Fame“ läuft zzt. dienstags um 21.40 Uhr bei Eins Festival.

KT zu Guttenberg: Berlusconismus light

Veröffentlicht: 3. März 2011 in Lesetipp, Politik
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„Immer muss man ihn zugleich bewundern und in Schutz nehmen; alles, was an ihm kritisiert werden kann, ist eine Gemeinheit seiner linken, intellektuellen Kritiker, die die Einzigartigkeit unseres Stars nicht ertragen. Der Politiker dieses Typs wird zu einer Popcorn-Variante des faschistischen „Führers“.Er erhält seine Zustimmung, wie medial diese auch immer manipuliert sein mag, nicht trotz, sondern gerade wegen seiner Verstöße gegen Gesetz und die fundamentalen Regeln von Stil und Anstand.“

Georg Seeßlen mit einem sehr treffenden Freitag-Artikel über postdemokratische Zustände, die nicht nur in Italien, sondern auch bei uns in Deutschland leider schon näher sind, als die meisten das wahrhaben wollen. Aber Hauptsache, die Kanzlerin ist weiterhin fest davon überzeugt, dass wir auf einem guten Weg sind…