Aus einer Film-Kolumne in der (letzten Ausgabe der) Fachzeitschrift „Comixene“ von 1981: „… findet die Funkausstellung in Berlin statt, d.h. u.a.: Videoschlacht. Während sich die einen noch um die Marktanteile ihrer Systeme und Bänder schlagen, wird auf der anderen Seite offiziell die Bildplatte eingeführt.“
Abgesehen davon, dass ich deren Einführung auf etwa zehn Jahre später geschätzt hätte: Heute weiß ja kaum noch jemand, was eine Bildplatte überhaupt ist. Ich hatte genau einmal solche Dinger in der Hand bzw. in einen Player geschoben, damals während meiner Berufsausbildung. Im BIZ gab es nämlich solche Player, auf denen Schülern kurze Infofilme über Ausbildungsberufe gezeigt wurden. Und ich musste da mal einen Vormittag lang mit einem Kollegen den DJ spielen. Oder VJ? Da kamen dann auch mehrere 14-jährige Jungs, die unbedingt den Infofilm „Hebamme“ sehen wollten. Die schickten wir dann mit freundlichen, aber bestimmten Worten und kritischem Blick wieder weg. Wir waren ja schließlich das BIZ, nicht die Pornovideothek.
Ansonsten kannte ich genau einen Menschen, der (noch vor ein paar Jahren) Bildplatten aka Laserdiscs oder Videodisks sammelte. Einen schönen Gag zum Thema gibt es in Michel Gondrys „Be kind rewind„: Der Videotheksangestellte versucht telefonisch, eine VHS-Kopie von „Ghostbusters“ aufzutreiben. Aber alle haben nur noch DVDs. Man hört ihn dann ins Telefon sagen: „Das Gleiche haben sie damals über die Laserdisc auch gesagt.“
Gondrys Film ist eine herrlich nostalgische Hommage an die VHS-Kassette und das Videozeitalter. Ich bekam zeitweise richtig Lust, eine VHS-Videothek zu eröffnen. Das wäre auf jeden Fall eine Marktlücke, aber wahrscheinlich keine, die groß genug wäre, um als Geschäftsmodell zu taugen. Ich kam mir schon sehr nostalgisch vor, als ich neulich die Videos zurückspulte, die ich mir aus dem Archiv meiner Lieblings-Arthousevideothek bestellt hatte. Davor war es zumindest fünf Jahre her, seit ich das bei einem Leihvideo das letzte Mal gemacht hatte. Vorbei auch die Zeiten, wo die Angestellten nach der Rückgabe die Hülle öffneten, um zu kontrollieren, ob man den Film auch zurückgespult hatte. Heute gucken sie in den Kommerzvideotheken immer, ob die DVD zerkratzt ist. Dabei sagt das meistens gar nichts über deren Zustand aus.
Mit den sich immer schneller ablösenden Trägermedien gehen ja nicht nur deren spezifische Eigenheiten verloren, sondern auch ganze Kulturtechniken. In den 70ern wussten die meisten Familienväter noch, wie man eine Filmspule in einen Projektor einlegt. Einfach, weil jeder, der etwas auf sich hielt, einen Super 8-Projektor im Schrank stehen hatte. Ich hingegen bin da vor ein paar Jahren gnadenlos dran gescheitert. Wenn ich heute einem 14-Jährigen erklären würde, wie ich mal eine VHS-Kassette mit Bandsalat aufgeschraubt und repariert habe, würde der mich wahrscheinlich auch für verrückt erklären.
Super 8, Video 2000, Beta Max, VHS, Laserdisc, DVD, HD-DVD, BluRay: Das sind allein die Formate, die ich in meinen 36 Lebensjahren so mitbekommen habe. (Selbst besessen habe ich allerdings nur zwei davon, ich gehöre nicht zu den Leuten, die jeden neuen Hype mitmachen müssen. Oder anders gesagt: Ich bin ein very late adopter. Ich habe auch seit meinem 16. Geburtstag immer einen Plattenspieler besessen.)
Die Vinyl-Schallplatte ist ja irgendwie nicht tot zu kriegen und hat in den letzten Jahren eine richtige Renaissance erlebt. Andere veraltete Medienträger werden hingegen nur noch von einigen Hardcore-Nerds hochgehalten. Dabei war der Walkman damals eine Revolution! Und neben selbst erstellten Mixtapes gab es ja auch (semi-)professionelle Kassettensampler. Schon mal von C 86 gehört? Der ist ja heute noch legendär. Oder die deutschsprachigen Kassettensampler, auf denen Distelmeyer, la Hengst & Co. ihre ersten Songs veröffentlicht haben.
Gondry hat wohl über seinen Film gesagt, er habe nichts gegen neue Systeme, er habe nur etwas gegen den Druck, man müsse sie unbedingt haben. Ist es wirklich ein Zufall, dass kurz nach Einführung der digitalen Filmmedien die ganze Videothekenkultur weitgehend den Bach runter ging? VHS-Tapes konnte man nicht rippen und ins Internet stellen. Raubkopieren war damals noch echt gefährlich und kein wirklich erfolgversprechendes Geschäftsmodell. Statt größerer Vielfalt gibt es heute zumindest im Leihgeschäft immer mehr vom Immergleichen. Auch darauf geht Gondrys Film sehr schön ein, etwa wenn Mr. Fletcher, der altmodische Videothekar, Feldstudien in einer Filiale einer Kommerz-Videothekenkette betreibt: „Statt großem Titelangebot mehr Kopien von einem Film.“; „Nur noch zwei Abteilungen: Action-Adventure und Komödie.“ Alles, was nicht in diese Kategorien oder unter Horror fällt, steht hier bei WoV unter Unterhaltung.
Ich würd jetzt aber doch mal gerne die „unverhüllten Parodien“ sehen, die in der „Comixene“-Kolumne angekündigt werden, vor allem „Boschwanza“ und „Prinz Eisenschwanz“. Aber die entsprechenden Bänder dürften sich inzwischen weitgehend aufgelöst haben.