Mit ‘brand eins’ getaggte Beiträge

Heute mal ganz old school zwei Print-Lesetipps: In der aktuellen „brand eins“ findet sich zum einen eine sehr gute Reportage über die Frage, warum der erfolgreiche Popjournalist Marc Fischer Suizid beging. Darin geht es u.a. um die TEMPO-Jahre, erfundene Figuren in Artikeln und die Einsamkeit des „Kriegsberichterstatters“  inmitten der hippen Berliner Kulturszene. Schönes Zitat (sinngemäß): „Wer sich um Frau und Kinder kümmert, bleibt in Nürnberg wohnen, die anderen gehen nach Berlin.“

Zum anderen gibt es noch einen recht aufschlussreichen Artikel über IKEA, sein Erfolgsrezept und die Schattenseiten seines Geschäftsmodells. Hat mir sehr aus der Seele gesprochen, nachdem ich neulich beim Versuch, ein Regal auszusuchen, sehr genervt war. Ich glaube auch immer mehr, dass das Geschäftsmodell im Grunde auf Blendung des Kunden basiert – Marketing 1, Service 5. Oder wie es der Artikel in Anspielung auf die Hotline formuliert: „Fluchst du noch oder telefonierst du schon?“. Außerdem möchte ich nicht während meines Einkaufs von Lautsprecherdurchsagen und Hinweisschildern permanent in vertraulichem Ton dazu aufgefordert werden, doch bitteschön mitzuarbeiten („Mach dir Notizen!“, „Miss deinen Stoff selbst ab!“ etc.). Aber die Köttbullar sind lecker, das muss ich zugeben…

P.S.: Wem 7,60 Euro für die Zeitschrift wie mir auch zu teuer sind und wer dann kein hippes Szenecafé in der Nähe hat, das sie ausliegen hat, kann die Texte ab Erscheinen der nächsten Ausgabe dann auch online lesen.

Zwei Mal Philosophie am Kiosk

Veröffentlicht: 25. November 2011 in Print
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Ein "brand eins"-Klon? Philosophie-Magazin "Hohe Luft"

Gleich zwei Publikumszeitschriften zum Thema Philosophie sind diesen Monat neu auf den Markt gekommen. Das eine heißt auch schlicht „Philosophie“, wurde heute Mittag bei WDR5 ziemlich verrissen und sieht relativ populär aus, inklusive Richard David Precht. Das andere heißt „Hohe Luft“, erscheint im Verlag der „Emotion“-Herausgeberin und kommt zurückgenommener und wertiger daher, kostet dafür aber auch acht statt 5,90 Euro. Titelschriftzug und Covergestaltung ohne Abbildung erinnern stark an „brand eins“, das Papier ist dicker, das Magazin laminiert statt geheftet, das Layout luftiger, aber auch textlastiger. Da gibt es auch schon mal 12-seitige Artikel mit nur einem einzigen Foto. „Herzstück des Magazins sind lange Lesestücke“, so die Selbstdarstellung. Themen der Erst- (und Test-) Ausgabe sind z.B. “Steckt mein Geist im iPhone?” oder „Was macht mich zur Person?“ Wenn ich das Geld etwas lockerer sitzen hätte, hätte ich mich auf jeden Fall für dieses Heft entschieden. Eine Blattkritik gibt es bei W&V zu lesen.

 

Als solches hatte ich „brand eins“ schon länger in Verdacht. Letzten Monat hat sich das insofern bestätigt, als ich mir das Magazin zum ersten Mal selbst gekauft habe. Wobei das jetzt nicht heißen soll, dass Menschen, die sich für Wirtschaft interessieren, mit der Zeitschrift nichts anfangen können. Aber alle anderen, die wie ich um „Handelsblatt“, „Wirtschaftswoche“ und „Capital“ einen großen Bogen machen und den Wirtschaftsteil der Tageszeitung auch meist schnell überblättern, finden in „brand eins“ auch einfach interessante, gut geschriebene und toll illustrierte Geschichten abseits trockener Unternehmensberichterstattung und langweiliger Börsenanalyse. Lesegeschichten nennt man das in den Redaktionen (mal wieder so ein bescheuerter Journalisten-Fachbegriff, als solle man alle anderen Artikel nicht lesen): lange, locker geschriebene Hintergrundartikel abseits der Tages- oder Monatsaktualität.

Tierisch gut: brand eins im August

Letzten Monat gab es das Schwerpunktthema „Tierisch“ und schon das Covermotiv war herrlich. Ich hab wohl tatsächlich mehr als vier Stunden in dem Heft gelesen. Es gab durchaus Unternehmensporträts, aber welche von ungewöhnlichen Unternehmen wie dem Vogelpark Walsrode, Reportagen, wie sie auch in „DUMMY“ stehen könnten, z.B. über Pferdediebstahl, und gut recherchierte Hintergrundstücke über die Fleischindustrie in China und die Schweinemast in Mecklenburg. Und herrlich lustige Fotos von allerlei Tieren. Also alles das, was ich in einem Wirtschaftsmagazin normalerweise überhaupt nicht erwarte. Meine Lieblingsgeschichte war aber der Erfahrungsbericht von Andreas Molitor, der zum Hundebesitzer wurde:

Wir würden ein paar Trainingsstunden mitmachen, zehn oder vielleicht auch zwanzig, als Gäste, aber auf keinen Fall in den Verein eintreten. Wir waren nicht auf der Suche nach neuen Bekannten, erst recht nicht nach Vereinskameradie. Vorstand, Schriftführer, Kassierer, Jahreshauptversammlung, Anträge zur Geschäftsordnung – grausam all dies. „Die hören bestimmt Wolfgang Petry“, sagten wir uns. Seit Anfang des Jahres bin ich Mitglied im Hundesportverein Gatow-Kladow e. V. Ich bin jetzt der Sportskamerad Molitor. Ich hätte nie geglaubt, dass mich mal jemand ungestraft so anreden darf.

Alle Geschichten kann man jetzt auch online lesen, aber man sollte trotzdem die 7 Euro 60 für ein Printexemplar investieren, da das Lesen bei so einem gut gemachten Magazin natürlich viel mehr Spaß macht als online.

Im aktuellen „journalist“ findet sich ein längerer Artikel über das TV-Magazin-Projekt „Programm„, über das ich schon einmal geschrieben hatte. Die Erfinder desselben zeigen sich darin sehr frustriert, weil sie unter all den Verlagen, die sie angesprochen haben, niemanden fanden, der ihre alternative Fernseh- und Kultur-Programmzeitschrift finanzieren wollte. Und ohne Geldgeber sei das angeblich nicht möglich. Irgendwie ist da immer die Rede von Investitionskosten im Millionenbereich.

Dass das für Projekte von Großverlagen wie Bauer, Burda und Springer so ist, ist klar. Ohne Marktforschung und Marketing-Großoffensive bringen die ja gar keine neue Zeitschrift auf den Markt. Aber bei einem Magazin, das sich von Anfang an nur an eine überschaubare Zielgruppe von vielleicht 40.000 Leuten richten soll, eher an weniger? Wie schaffen es denn vergleichbare Minderheitenmagazine wie DUMMY oder „Cargo“, ihre Hefte zu drucken und zu vertreiben? Hinter denen stecken ja auch keine finanzkräftigen Großverlage, sondern GbRs. Beide sehen nicht nur professionell, sondern sogar sehr stylish aus und scheren sich wenig bis gar nicht um Marktkonformismus. (Die Themen in „Cargo“, dessen zweite Ausgabe gerade erschienen ist, sind selbst mir als Cinephilem etwas zu elitär; der gemeine Kinogänger dürfte sich da eher gar nicht angesprochen fühlen.) DUMMY z.B. hat sich ja durchaus am Markt etabliert, ebenso wie „brand eins“, „11 Freunde“ etc. Alles Zeitschriften, die für ihr Marktsegment sehr ungewöhnlich sind, sich an eine eher kleine Zielgruppe von anspruchsvolleren Lesern wenden, auch eher im oberen Preissegment angesiedelt sind. Und die es ohne großen Werbeetat geschafft haben, eine treue Leserschaft aufzubauen. Warum soll das bei einer alternativen Programmzeitschrift für 2 Euro 50 nicht klappen? Weil es keine anspruchsvollen TV-Zuschauer gibt? Vielleicht sollten die „Programm“-Schöpfer einfach mehr Mut aufbringen.