Mit ‘Tom Kummer’ getaggte Beiträge

Tom Kummer als Wertanlage

Veröffentlicht: 3. Dezember 2011 in Bücher, Journalismus
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Das ist ein Scherz, oder? Könnte ja noch verstehen, wenn Maxim Billers „Esra“ zu solchen Preisen angeboten würde, denn das wurde ja gerichtlich verboten, bevor es überhaupt erschien. Aber dieser (Fake-)Interviewband war doch regulär im Handel. Da müssten doch noch einige Tausend Exemplare von rumschwirren.

Videotipp: „Bad Boy Kummer“

Veröffentlicht: 28. Oktober 2011 in Film, Journalismus, Lesetipp, Print
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Zurzeit in der arte-Mediathek: der Dokumentarfilm über Tom Kummer. Irgendwie finde ich immer noch, dass Kummer mit fast allen seinen Aussagen Recht hat. Und die Ausschnitte aus seinen gefakten Interviews in dem Film sind alle großartig (Tyson über Nietzsche und Tolstoi, Bronson über Orchideenzucht und Pamela Anderson über Abnehmen und Schönheitswahn). Muss mal gucken, ob man die Interviewsammlung noch billig im Netz bestellen kann.

NEON kummert

Veröffentlicht: 23. März 2010 in Print
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Jetzt hat also auch die ach so tolle NEON ihren Borderline-Journalismus-Skandal: Ein Mitarbeiter namens Ingo Mocek musste zugeben, mehrere Interviews mit Prominenten gefälscht zu haben, nachdem dem Management von Beyoncé einige ihrer angeblichen Statements merkwürdig vorkamen. Die Zusammenarbeit mit dem Journalisten wurde sofort beendet und die neon.de-User kloppen nun überwiegend auf den „Betrüger“ ein.

Das Ganze erinnert natürlich frappierend an den Fall Tom Kummer beim „SZ-Magazin“. Hier wie da waren es Interviews mit Stars und Sternchen aus dem Pop- und/oder Filmbusiness, die gefaket wurden, wobei Mocek wohl etwas subtiler vorging als seinerzeit Kummer: Während der bekannterweise einfach Bücher an die Wand warf, und aus den zufällig aufgeschlagenen Seiten die Interviews komponierte, stellte Mocek sie teilweise aus Statements zusammen, die die „Interviewten“ anderen Medien gegeben hatten.

Warum da nun wieder die Wellen so hoch schlagen, wird mir ewiglich ein Rätsel bleiben. Es handelte sich ja nun nicht gerade um politisch, weltgeschichtlich oder sonst irgendwie wichtige Zeitgenossen, sondern um Unterhaltungs“künstler“, deren Aussagen ja nun eh keinerlei Relevanz haben, außerhalb derjenigen, die man so einem der Unterhaltung dienenden Text in einer Illustrierten selbst zumisst. Ähnlich wie z.B. die Interviews auf der letzten Seite der Wochenend-SZ liest man diese Gespräche doch eh nicht, weil man sich einen tieferen Informationsgehalt davon verspricht, sondern weil sie bestenfalls gut geschrieben und witzig sind. Oder anders gesagt: Gut collagiert ist immer noch besser als Langweiliges abgetippt.

Abgesehen davon glauben wohl eh nur Menschen, die noch nie was mit Journalismus zu tun gehabt haben, dass Wortlaut-Interviews wirklich den Wortlaut eines Interviews wiedergeben. Natürlich wird da gekürzt, gestrichen, umgestellt, zugespitzt und komponiert. Was denn sonst? Sonst würde das ja kein Mensch lesen, was all diese A-, B- und C-Promis so von sich geben.

Fraglich bleibt natürlich, warum Autoren und Redaktionen Textcollagen à la Kummer und Mocek unbedingt als (authentische) Interviews verkaufen müssen. Warum schreibt man statt Interview nicht einfach Collage drüber, wenn es sich um eine solche handelt. Oder, wenn man die Antworten frei erfindet, wie Kummer das überwiegend getan hat, „ein Interview, das nie stattgefunden hat“ oder so was Ähnliches. Das gab’s z.B. in der taz mal (als Beispiel für Borderline-Journalismus), ein Porträt über Zidane, wo dann unten drunter stand: „Der Autor dieses Textes hat Zidane in der Halbzeitpause einmal aus einhundert Meter Entfernung vorbei laufen sehen.“ Das wäre genauso unterhaltsam, ehrlicher, kein Leser würde sich verarscht fühlen und kein Mitarbeiter seinen Job verlieren.

Das Problem ist nur: Redaktionen würden das nicht mitmachen, weil sie nicht mit tollen Exklusiv-Interviews mit großen Namen prahlen könnten, und die meisten Leser wollen wahrscheinlich lieber verarscht werden, als im Vorhinein ehrlich über den Authentizitätsgrad eines Textes aufgeklärt zu werden. Also drücken (Chef-)Redakteure auch bei Verdachtsmomenten lieber beide Augen zu, solange es gut geht. Und wenn’s dann doch mal auffliegt, hat man ja das entsprechende Bauernopfer schnell bei der Hand.

Es gibt mal wieder ein neues Lifestyle-Magazin in Deutschland: FACES. So neu ist es allerdings gar nicht, denn es ist die deutsche Ausgabe einer Schweizer Zeitschrift, die dort schon länger erscheint. Als ich gestern im Buchladen durch das Heft blätterte, hatte ich beim Betrachten des Inhaltsverzeichnisses ein ziemliches Déjà Vu: Nicht nur, dass es eine Reportage von Tom Kummer über Charles Manson gibt, direkt darüber wurden gleich drei Kolumnen angekündigt, die ebenfalls von ehemaligen TEMPO-Autoren stammen: Uwe Kopf, Peter Glaser und Maxim Biller. FACES hat es also tatsächlich geschafft, das alte Triumvirat der TEMPO-Kolumnisten wieder in einem Heft zu vereinigen. Damals waren die Drei auch als KGB bekannt, abgeleitet von den Anfangsbuchstaben ihrer Nachnamen. Hinzu kommt dann noch Helge Timmerberg, der mit seinen wilden Reisereportagen in TEMPO auch als „deutscher Hunter S. Thompson“ bekannt wurde, und der in FACES eine, allerdings sehr kurze Kolumne schreibt.

Leider sind die weiteren Seiten des Heftes wesentlich uninteressanter als die ersten 40. Da geht es  nämlich hauptsächlich um Mode, Beauty und Reise, mit den üblichen Modefotostrecken und Shoppingtipps für Parfüm, Make up und Accessoires. Artikel über Film- und Popstars sind hingegen nie länger als eine Seite. Am Schluss gibt es dann noch Berichte über irgendwelche Society-Events mit Promifotos, wie man sie aus der BUNTEn kennt. Insgesamt ist das Heft eine merkwürdige Mischung aus der deutschen „Vanity Fair“, BUNTE und TEMPO. Schade, denn mit Autoren wie Kummer, Glaser, Biller und Timmerberg hätte ich echt auf ein insgesamt interessanteres Magazin gehofft.

Immerhin kann man die komplette Ausgabe (sowie die Back Issues) kostenlos als E-Paper im Netz lesen, sogar mit zusätzlichen Videos, die in die Seiten eingebaut sind (wobei die Biller-Kolumne sowie eine Contributors-Seite, auf der die fünf Ex-TEMPO-Mitarbeiter kurz vorgestellt werden, komischerweise fehlen). Vor allem die Kummer-Reportage über einen Besuch bei Charles Manson im Knast ist absolut lesenswert: typischer Kummer eben.

„Poschardt ist einerseits der personifizierte Größenwahn und andererseits auch wieder so banal, dass man eigentlich Mitleid mit ihm haben müsste. Ulf Poschardt ist die Paris Hilton des deutschen Journalismus, ein selbsternannter Leistungsträger einer selbsternannten Elite.“

Der Spiegelfechter nimmt einen WamS-Artikel von Ulf Poschardt zum SPD-Wahlprogramm auseinander. Bei dem Typen denke ich auch jedesmal, das war damals Tom Kummers größter Verdienst, dass Poschi wegen ihm seinen Job als Chefredakteur des SZ-Magazins verloren hat. Alleine deswegen müsste man Kummer eigentlich schon einen Orden verleihen.

(via)

Menschen, die schon mein altes Blog kennen, wissen wahrscheinlich, dass ich ein Anhänger des New Journalism bin. Allerdings eher in seiner deutschsprachigen Ausprägung, denn von den amerikanischen Autoren kenne ich zu wenig, um das wirklich beurteilen zu können. In Deutschland war es vor allem die leider schon lange verblichene Zeitschrift TEMPO, die diesen Schreibstil adaptierte. Mein Gott, was hat dieses Magazin für hervorragende Autoren hervorgebracht: u.a. und vor allem Maxim Biller, Peter Glaser, Tom Kummer…und Helge Timmerberg.

Timmerberg ist ein absoluter Outsider und Einzelgänger des deutschen Journalismus. Damit ist er allerdings ziemlich gut bzw. erfolgreich gefahren, denn er nach seiner Zeit bei TEMPO war er u.a. bei der BUNTEn gut im Geschäft (er schrieb von Marrakesch aus Meldungen für die People-Rubrik; dazu brauchte er nach eigener Aussage einen Tag pro Woche, die Bezahlung reichte aber, um die ganze Woche ein gutes Leben zu führen), schrieb für alle möglichen renommierten Zeitschriften und veröffentlicht regelmäßig Bücher.

2001 erschien ein Taschenbuch namens Tiger fressen keine Yogis. Stories von unterwegs. Es versammelt eine Auswahl seiner besten Reisereportagen und andere Artikel, die er im Laufe der Jahre für TEMPO, WIENER, BUNTE, PRINZ, Die Zeit und andere Titel geschrieben hat. Die Artikel sind immer höchst subjektiv. Egal, ob es um eine Reise durch Indien geht, Besuche in Kriegsgebieten wie dem Irak oder ob er deutsche Städte bereist, egal, ob es um Drogen geht oder um das Entlieben: Immer lässt uns Timmerberg hautnah nicht nur an seinen Erlebnissen, sondern auch an seinen Gedanken und Gefühlen teilhaben. Dabei ist er ein so begnadeter und unterhaltsamer Erzähler, dass das Thema des jeweiligen Artikels eigentlich völlig egal ist.

Wie sein Vorbild Hunter S. Thompson schreckt auch Timmerberg nicht davor zurück, tief in das Milieu seines Themas einzutauchen und vollen körperlichen und psychischen Einsatz zu zeigen. Bermerkenswert ist z.B. eine hier abgedruckte Zusammenstellung von Artikeln, die sich mit verschiedenen Drogen beschäftigen. Ob Kokain, LSD oder Viagra: Timmerberg hat immer interessante Erkenntnisse mitzuteilen, die fast immer auf eigenen Erfahrungen beruhen. Herrlich etwa seine „Recherchetour“ für den WIENER, bei der er die Wirkung von Viagra testen will. Obwohl er auch vor Selbstentblößung in seinen Texten nicht zurück schreckt, werden seine Stücke doch nie peinlich, sondern bleiben immer sehr klug und authentisch. Inwieweit hier die dichterische Freiheit ins Spiel kommt, ist meistens natürlich nicht so ganz klar. Es sei denn, dies ist so offensichtlich wie in der Indien-Reportage, wo Timmerberg angeblich zehn Minuten (oder länger) die Luft anhält, um einen ihn belauernden Tiger wieder loszuwerden. Ob die Reportagen nun zu 100 Prozent der „Realität“ entsprechen oder nicht, ist aber auch – wie im Grunde bei allen Vertretern des New Journalism oder Gonzo-Journalismus –  mehr oder weniger egal. Denn Ziel dieses Konzeptes ist es ja gerade, die subjektive Realität abzubilden. Wenn es dem Autor gelingt, dabei trotzdem etwas Substantielles über das Sujet seines Artikels zu vermitteln, wie es Timmerberg in nahezu jedem der hier abgedruckten Texte schafft, ist das Konzept vollständig aufgegangen.

Die ebenfalls von mir bewunderte Sybille Berg schreibt im Vorwort dieses Bandes, wenn man Timmerberg gelesen habe, sei es schwer, noch selbst etwas auch nur annähernd Gutes zu schreiben (sinngemäß).  Leider ist es auch schwer, überhaupt noch etwas ähnlich Gutes aus dem journalistischen Bereich zu lesen zu finden.

Die WOZ verteidigt Kummer

Veröffentlicht: 12. Februar 2009 in Journalismus, Print
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Und womit? Mit Recht!

„Tom Kummer aber lesen wir nicht wegen der Fakten, sondern wegen des Spasses an temporeicher Schreibe.“

Borderline-Journalist Tom Kummer, der 2000 für einen der größten Medienskandale im deutschsprachigen Raum der letzten Jahre sorgte, durfte nach längerer Zeit mal wieder etwas für die Schweizer „Wochenzeitung“ schreiben: eine Reportage über das Super Bowl-Finale, in der es eigentlich natürlich um etwas völlig Anderes geht, nämlich die wirtschaftliche Lage der USA. Und prompt zählen kleinliche Journalisten wieder irgendwelche zweifelhaften Rechercheergebnisse auf, Zahlen und Zitate Kummers, die angeblich oder tatsächlich nicht stimmen (Ich kann und will das nicht überprüfen, es ist mir auch herzlich egal).

Ob Angelina Jolie und Steven Spielberg nun wirklich diese beiden Sätze gesagt haben, ob das nun das Finale mit den höchsten Erlösen war oder nicht, ist eigentlich völlig irrelevant. Wer Kummer hier Fehler vorwirft, hat seinen ganzen Ansatz nie verstanden: Es geht Kummer nämlich nicht um Fakten, sondern um die Beschreibung gesellschaftlicher Stimmungen anhand höchst subjektiver Eindrücke. Das hat er selbst oft genug dargestellt, zuletzt in seiner lesenswerten Autobiographie „Blow Up“. Und Kummer macht das auf einem stilistischen Niveau, von dem die überwiegende Zahl seiner Kritiker wohl nur träumen kann.  Ich hoffe, die WOZ lässt sich von den zu erwarten gewesenen Kritiken nicht beirren und lässt Kummer weiter schreiben. Für die deutschsprachige Medienszene wäre es nämlich ein herber Verlust, wenn er irgendwann ganz verstummen sollte.