Als ich davon gehört habe, dass der deutsche Journalistenverband (DJV) und die Verdi-Sektion für Journalisten dju mit den Verlegerverbänden neue Honorarsätze für freie Tageszeitungsjournalisten ausgehandelt haben, fand ich das zunächst mal sehr positiv. Zumal diese Zeilenhonorare überwiegend wesentlich höher sind als das, was die meisten Zeitungen bisher ihren meisten Mitarbeitern zahlen (wenn es sich nicht gerade um irgendwelche prominenten Edelfedern handelt, die für die üblichen Sätze wahrscheinlich nicht mal den Füller in die Hand nehmen, geschweige denn irgendwas recherchieren würden). Was ich allerdings von Anfang an anzweifelte, war, inwieweit sich diese verhandelten Honorare auch tatsächlich bei den Zeitungen selbst durchsetzen lassen.
Am 1. Februar sind die „Gemeinsamen Vergütungsregeln“ offiziell in Kraft getreten, anwenden tut sie bisher so gut wie keine Zeitung in Deutschland. Von einer einzigen habe ich bisher gehört, dass sie es tut, zwei weitere haben das wohl zumindest für die Zukunft versprochen. Neben allem anderen, was man an dem Verhandlungsergebnis noch kritisieren könnte – der Verband freier Journalisten „Freischreiber“ macht das recht detailliert – ist der große Knackpunkt, dass es praktisch keine Möglichkeit für den einzelnen freien Mitarbeiter gibt, die ausgehandelten Honorare auch tatsächlich durchzusetzen, wenn der Auftraggeber sie nicht zahlen will.
Das Problem ist nämlich, dass es immer genügend andere Schreiber gibt, die bereit sind, auch weiterhin für die niedrigeren Sätze der Redaktionen zu arbeiten. Überwiegend sind das eh Studenten, Schüler und Hobbyschreiber wie pensionierte Deutschlehrer und andere mitteilungsbedürftige Renter, die nicht wissen, wie ein Blog funktioniert. Hier zeigt sich der nächste große Konstruktionsfehler: Die Vergütungsregeln gelten nämlich nur für hauptberufliche Journalisten. Allen anderen darf die Zeitung sogar mit Billigung der Gewerkschaften weiterhin Zeilenhonorare ab 12 Cent zahlen. Da sagt natürlich jeder profitorientierte Verleger: Wieso soll ich einem hauptberuflichen Journalisten mindestens 52 Cent zahlen, wenn doch genügend Hobyschreiber und Nachwuchsjournalisten es auch für die Häfte oder ein Viertel machen?
DJV-Vertreter Michael Hirschler argumentiert dann im „Freischreiber“-Blog, für andere als Hauptberufler hätten die Gewerkschaften nun mal gar kein Handlungsmandat. Seltsamerweise sollen die Vergütungsregeln aber nicht nur für Gewerkschaftsmitglieder gelten, sondern für sämtliche Zeitungsmitarbeiter, sofern sie denn hauptberufliche Freie sind. Und für die haben DJV und Verdi dann ein Verhandlungsmandat, auch wenn sie gar nicht Mitglied sind? Aber rechtsverbindlich ist das ganze Regelwerk ja sowieso nicht, jedenfalls ist man sich da bei Verdi nicht sicher, inwiefern die Honorare denn auch einklagbar wären. Da es sich kein freier Mitarbeiter leisten können wird, dies auszuprobieren, da er ja als Freier auch keinerlei Kündigungschutz bzw. Anrecht hat, weiterhin Aufträge von seiner Zeitung zu bekommen, werden wir es so schnell wohl auch nicht erfahren.
Man muss es ganz klar sagen: Diese Vergütungsregeln sind das Papier nicht wert, auf dem sie gedruckt wurden. Sie dienen allenfalls als Feigenblatt für die Zeitungsverlegerverbände, die jetzt sagen können: „Wieso, wir haben doch faire Honorare mit den Gewerkschaften vereinbart? Wenn sich einzelne Verlage nicht daran halten, können wier doch nichts dafür.“ Statt dass die Gewerkschaften auf juristischer Ebene dafür kämpfen, dass die Regeln auch eingehalten werden, überlassen sie das gesamte Verhandlungsrisiko den Freien selbst. Im günstigen Fall bekommen diese von ihren Redaktionen vielleicht die Antwort: „Tut uns Leid, die höheren Sätze können wir nicht zahlen“, oder sie bekommen gar keine Antwort. Im ungünstigsten Fall geht es ihnen wie zwei Kollegen von der „Frankenpost“, die auf ihre Honorarforderungen einen Brief des Chefredaktuers bekommen haben, in dem stand: „… haben Sie Dank für Ihr großzügiges Angebot, auf das wir leider nicht zurückgreifen können. Ich wünsche Ihnen für Ihre berufliche Zukunft alles Gute.“ Aber vielleicht haben die Beiden ja auch reiche Ehefrauen, so dass sie das Ganze jetzt vor Gericht ausfechten können, wie es eine hauptamtliche Verdi-Mitarbeiterin bei einer Mitgliederversammlung als idealen Weg zur Durchsetzung ersann. Die Gewerkschaft selbst überlegte unterdessen lieber, ein Transparent zum Thema für ihre 1. Mai-Demo zu malen. Die Regeln selbst seien ja gut, nur im wirklichen Leben laufe es halt anders.
Das ist ja das Problem mit dem wirklichen Leben! Wenn es so abliefe wie im Lehrbuch, gäbe es auch keine Verlage, die ihre Redakteure in hauseigenen Zeitarbeitfirmen beschäftigen und ihnen dort wesentlich weniger zahlen als vorher. Und auf zahnlose Gewerkschaften, die völlig an der Arbeitsrealität von freien Journalisten vorbei argumentieren und verhandeln, wäre man dann gar nicht erst angewiesen.