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Es gab hier ja schon lange keine Beiträge mehr über meine Probleme mit der ARGE, mittlerweile als Jobcenter reinkarniert. Das lag vor allem daran, dass ich mich Anfang des Jahres mit einem Zeitschriftenprojekt selbständig gemacht und deshalb genug zu tun hatte. Der Brief, der mir diese Woche vom Amt ins Haus flatterte, und die dahinter stehenden Vorschriften sind allerdings so absurd, dass ich mich frage, ob ich den Verstand verloren habe oder wie sonst zu erklären ist, dass diese nicht längst vom Bundesverfassungsgericht für ungültig erklärt worden sind. Knapp acht Monate nach Ende des entsprechenden Bewilligungszeitraums ist dem JC nämlich eingefallen, dass das betriebliche Darlehen, dass ich mir in der Familie geliehen habe, um die Betriebskosten in den ersten Monaten aufzubringen (hauptsächlich die nicht unbeträchtlichen Druck- und Vertriebskosten der ersten Zeitschriftenausgabe) in voller Höhe als Betriebseinnahme gilt – und damit auf das weiter laufende Alg II angerechnet werden soll.

Da denkt man ja mit seinem gesunden Menschenverstand erst mal, kann nicht sein, ein offensichtlicher Fehler des Sachbearbeiters, vielleicht auch Gängelei, nach dem Motto: Wir versuchen mal, ob da was zu holen ist oder ob er’s merkt. Ein bisschen Googeln bringt aber die Erkenntnis, dass die Formulierung des JC zwar falsch ist, sich das rechnerische Ergebnis in Form einer saftigen Rückzahlungsforderung aber mit den Vorschriften konform zu gehen scheint. Im Juli 2011 wurde nämlich die Alg II-VO dahingehend geändert, dass jegliche Ausgaben, die mit einem betrieblich bedingten Darlehen bezahlt werden – vorher galt das anscheinend nur für solche, die man von der ARGE selbst gewährt bekommen hatte – nicht mehr als Betriebsausgaben abgesetzt werden können (das können lediglich noch die Tilgungsraten für das Darlehen). Wenn ich mir also 5000 Euro leihe, um die Startinvestitionen oder die Betriebskosten in der Anlaufphase der Selbständigkeit zu bestreiten, zählen diese Ausgaben nicht mehr als Betriebsausgaben – und erhöhen dementsprechend den (fiktiven) Gewinn um die gleiche Summe. Auch wenn ich in Wirklichkeit null Euro Gewinn erzielt habe, rechnet das JC also so, als hätte ich 5000 Euro erzielt. Und rechnet mir diese Summe auf meine laufenden Alg II-Bezüge an. Ich habe nun also die Wahl, ob ich sechs Monate hungere und meine Miete nicht mehr zahle oder ob ich das betriebliche Darlehen dazu verwende, meinen Lebensunterhalt zu bestreiten, was zur Folge hat, dass ich die Anfangsinvestitionen gar nicht zahlen kann bzw. schon insolvent bin, bevor ich das Unternehmen überhaupt gestartet habe. Denn ich kann ja das gleiche Geld nicht zwei Mal ausgeben. Das alles wohl gemerkt bei einer vom JC geförderten Unternehmensgründung.

Abgesehen davon, dass ein Darlehen schon rein logisch nie eine Betriebseinnahme sein kann, da es ja früher oder später zurückgezahlt werden muss, widerspricht dieses Vorgehen jeder betriebswirtschaftlichen Rechnung. Wieso sollten betriebliche Investitionen plötzlich den Gewinn nicht mehr verringern, nur weil sie mit geliehenem Geld finanziert worden sind? Alle Steuer- und Handelsgesetze der Welt ermitteln den Gewinn wohl nach der Formel „Betriebseinnahmen – Betriebsausgaben = Gewinn“, nur das SGB II nicht. Denn das hat bekanntlich mit Logik nichts zu tun, und wie wir jetzt wissen, auch nichts mit Mathematik.

Bezeichnend ist, dass für diese absurde Regelung wohl nicht einmal der Bundestag zustimmen musste, denn eine Verordnung wird ja vom Ministerium im Alleingang erlassen. Was nutzt es da, wenn das Bundessozialgricht festgestellt hat, dass betriebliche Darlehen nicht als Betriebseinnahmen angerechnet werden dürfen, wenn gleichzeitig die daraus getätigten Betriebsausgaben auch nicht zählen, was rechnerisch ja aufs selbe rauskommt? Vor der Existenzgründung erzählt einem sowas natürlich niemand, da sich sonst wahrscheinlich kein (Langzeit-)Arbeitsloser mehr selbständig machen würde. Und das wäre ja wieder schlecht für die Statistik. Ehrlicher wäre da doch, wenn einem die „Berater“ beim JC von Anfang an sagen würden, dass es nicht möglich ist, sich aus Alg II heraus selbständig zu machen (es sei denn mit einem Geschäftsmodell, bei dem es keinerlei Anfangskosten gibt, oder wo man gleich vom ersten Monat an Gewinne schreibt; solche dürften aber nicht allzu häufig existieren).

Seltsamerweise habe ich über diese offensichtlich skandalöse Vorschrift noch nie etwas in den Medien gehört, selbst im vom mir seit zwei Jahren abonnierten „Freitag“ nicht, der ja meist konträre Ansichten zum politischen Meinungsmainstream vertritt. Jetzt kann man natürlich immer noch argumentieren, dass es den Arbeitslosen in Ländern wie Russland oder Griechenland noch schlechter ginge, weil man da eben gar keinen dauerhaften Anspruch auf Arbeitslosenunterstützung hat und eben nach ein paar Monaten ohne Job wieder zu seinen Eltern ziehen muss, um sich von denen durchfüttern zu lassen. Ein wirtschaftlich reiches Land wie Deutschland muss sich meiner Meinung nach aber schon fragen lassen, ob es sich solche Vorbilder suchen will oder ob es damit nicht seine grundgesetzlich verankerte Definition als Sozialstaat längst aufgegeben hat.

Doch noch nicht reif für die Insel

Veröffentlicht: 11. April 2012 in Allgemeines
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Pittoresk: Mit dem Fischerboot aufs Wattenmeer

Nachdem ich in den vergangenen 11 Jahren so ziemlich alle großen und interessanten Städte der Niederlande bereits besucht hatte, dachte ich, ich versuch’s über Ostern mal mit einer der Wattenmeerinseln. Was ich auf Texel erwartet hatte, waren viele deutsche Touristen und hauptsächlich ältere Leute. Was ich stattdessen mitbekam, waren mindestens 80 Prozent niederländische Familien mit meist kleinen Kindern in der „Jugend“herberge. Also, jugendlich im engeren Sinn war da eigentlich niemand, stattdessen hüpften ständig Kinder um mich rum, selbst an die Bar verfolgten sie einen noch und nervten die Bedienung mit (auch für diese) unverständlichem Gebrabbel. Manche hatten auch noch ihre Oma, Opa und die halbe weitere Verwandtschaft dabei. Als Alleinreisender kommt man sich da irgendwie schon sehr eigenartig vor, zumal ich in drei Tagen da auch mit niemandem der anderen Gäste ins Gespräch gekommen bin, anders als etwa, wenn man in Amsterdam im Hostel absteigt.

Pünktlich als ich auf der Insel ankam, wurde natürlich das Wetter schlechter. Am Samstag machte ich den Fehler, mir ein Rad auszuleihen, um beim Dorfhopping nicht auf den stündlich fahrenden Bus angewiesen zu sein. Dummerweise hatte ich keine Handschuhe mitgenommen. Am Deich dachte ich vor lauter Gegenwind, ich würde niemals ankommen. Immerhin habe ich dann eine sehr unterhaltsame Fahrt mit einem Garnelenfischerboot mitgemacht. Da bekam man als Tourist erklärt, was sich so alles auf dem Wattenmeeresboden ansammelt und wie man Garnelen pult – gut, an letzterem bin ich gescheitert. Dafür hatte der vortragende Fischer einen hohen Unterhaltungswert, an dem ist echt ein Rudi Carell verloren gegangen. In einer lustigen Mischung aus Deutsch und Holländisch erzählte er ständig solche Späßken wie „Dieser Raubfisch frisst alles: kleinere Fische und holländische Kinder“. Am Ende empfahl er, jede Familie solle ein Tütchen Garnelen mitnehmen und dann abends gemeinsam weiter üben zu „drücken, ziehen und pulen, die Deutschen vielleicht bei einer schönen Udo-Jürgens- oder Rammstein-Platte“.

Später bin ich dann auf dem Rückweg vom Strandort Den Hoorn vor lauter Gegenwind fast auf halber Strecke liegengeblieben. Wobei ich tatsächlich noch einen Einheimischen überholt habe, der noch langsamer, dafür aber deutlich entspannter, neben mir her radelte und dabei versuchte, mir in seinem 50 Jahre alten Schuldeutsch ein Gespräch aufzudrängen. Wobei dazu mein Atem einfach nicht mehr reichte. (Auf der Insel antworteten die Menschen grundsätzlich auf Deutsch, wenn ich sie auf Niederländisch ansprach.) Ein bisschen Hagel gab’s auch, wobei kurz vorher noch die Leute am Strand in der Sonne gesessen hatten.

Am nächsten Tag nahm ich lieber den Bus in einen anderen Strandort, der deutlich touristischer ist als die „Inselhauptstadt“ Den Burg, in der das Hostel liegt. In De Koog spricht dann tatsächlich jeder Zweite, der einem entgegen kommt, Deutsch, und Handygespräche beginnt man hier gerne mit „Ich sitze gerade in De Koog im Paal 17.“ Nee, ist klar, kennt ja jeder. Im Museum, das eher ein halber Zoo ist, lernte ich dann später, dass der Schweinswal auf Niederländisch zwar bruinvis heißt, aber weder braun, noch ein Fisch ist. Na gut, er ist ja auch kein Schwein; weiß der Himmel, welche Kapriolen die Etymologie so schlägt. Das holländische Wort für robben (also die Fortbewegungsart, die die gleichnamigen Tiere an Land vollziehen) lautet übrigens bobbelen – auch sehr schön.

Es gibt ihn wirklich!: Der Wulp aus Maarten 't Harts Romantitel "Een vlucht regenwulpen" (hier allerdings ausgestopft)

Wobei Niederländisch ja ohnehin immer ein steter Quell unglaublicher Wörter ist. Auf Radio 2 habe ich gehört, wie der Moderator ernsthaft bei einer E-Mailadresse nicht „at“ sagte, sondern „apenstaartje“, also „Affenschwänzchen“. Das erinnerte mich daran, dass dieses Zeichen in der Prä-Internetära ja auch auf Deutsch noch ernsthaft als „Klammeraffe“ bezeichnet wurde. Sagt heute aber glaube ich niemand mehr, außer vielleicht einigen Fanatikern von der Gesellschaft für Deutsche Sprache.

Nach zwei Tagen wusste ich nicht mehr so recht, was ich auf dieser Insel eigentlich noch tun sollte. Angelehnt an den Song „I am from Austria“ könnte man sagen: Ich kannte die Leute, ich kannte die Schafe (von beiden leben etwa gleich viele auf Texel). Den Burg hat zwar eine relativ große Fußgängerzone, die am Samstagmittag ähnlich belebt war wie Venlo, aber wenn die Geschäfte zu sind, ist da tote Hose. Die Restaurants sind völlig überteuert, haben alle die ewig gleichen Gerichte auf der Karte (zalm, anderer Fisch, kipsaté und rundstuck) und sind meistens schon von sechsköpfigen Familien „gereserveerd“. Außerdem wurde überall das Endspiel um den „KNVB-Beker“ übertragen, ein Ereignis, aus dem das Fernsehen eine 4-stündige Livesendung machte, die mich ungefähr so stark interessierte wie die Übertragung einer chinesischen Meisterschaft im Sack-Reis-Umstoßen.

Die geschmackvollste Vorgartendeko auf Texel: Tropischer Baum mit Stofftieren (die Doppelhaushälfte ist übrigens gerade "te koop", falls jemand sucht)

Die Niederlande sind ja eh ein Paralleluniversum, aber die Inselbewohner sind dann noch mal ein eigenes Paralleluniversum innnerhalb dessen. Da gibt’s dann etwa eine christlich-religiöse Buchhandlung und zwei Häuser daneben hängt ein Kondomautomat an der Wand. Sagen wir mal so, für ein paar Tage ist so ein Inselbesuch eine skurrile, aber noch ganz witzige Erfahrung. Wenn ich allerdings da leben müsste, wüsste ich, um ein Max-Frisch-Zitat abzuwandeln, schon, an welchem Giebel ich früher oder später hängen würde.

Ganz im Gegensatz zu Amsterdam, wo ich dann gestern sieben Stunden durch den Regen gelaufen bin, bevor mein Zug zurückfuhr. Das ist immer noch so eine Traumstadt für mich, die auch beim vierten Besuch nicht langweilig wird. Unglaublich, dass die nur etwa 50-100.000 Einwohner mehr hat als Düsseldorf. Man merkte nicht, dass Ostermontag war, denn im Zentrum waren fast alle Geschäfte offfen, sonntags kann man eh bis 22 Uhr im Supermarkt einkaufen. So ein deutsches Wort wie „Ladenschlussgesetz“ ist wohl unübersetzbar. Bei so unchristlichem Verhalten kann ich einerseits verstehen, dass eine Jesus-Jüngerin laut singend vor dem Hauptbahnhof steht, aber bringen tut es nichts. Mir ist dieses Nichtvorhandensein von Regeln genauso sympathisch wie die Tatsache, dass Jung und Alt bei jedem Sauwetter mit dem Fahrrad durch die Stadt brettern.

…dass niemand einen Helm trägt und Kinder auch schon mal auf dem Gepäckträger ihres Vaters stehen (würde bei uns vermutlich die Polizei und anschließend ein Sorgerechtsentziehungsverfahren zur Folge haben).

…dass im Vondelpark bei Regen noch mehr Jogger und Radfahrer unterwegs sind als bei uns an kühlen Tagen ohne Regen.

…dass ich trotz wagemutiger Radler und überall umherirrender Touristen noch nie einen Unfall beobachtet habe.

…oder dass die Fähre zum nördlichen Stadtteil auf der anderen Seite des IJ, der gerade ein komplett neues Gesicht bekommt (einschließlich des letzte Woche eröffneten Filmmuseumsneubaus), 24 Stunden am Tag verkehrt, und zwar gratis.

Wenn ich alt werde, gebt mir bitte eine Wohnung in Amsterdam mit Blick auf die Gracht statt mich auf Texel zu begraben.

Und zum Abschluss noch meine schönste musikalische Neuentdeckung, ein Lied über die (eigene) Sterblichkeit mit der schönen Textzeile: „Is het 5 voor 12 of is het half 7?“

Als ich einmal bei einem Literatursalon war

Veröffentlicht: 24. März 2012 in Allgemeines, Bücher
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Eine Erregung fast Proust’schen Ausmaßes ergriff mich, als ich mich gestern auf den Weg zum ersten Literatursalon meines nicht mehr ganz so jungen Lebens machte. Wein, Speis und Gesang waren mir von kundigen Stammgästen verheißen worden, eventuell sogar Weib. Allerdings auch, dass der Altersdurchschnitt der Besucher schon alleine durch mein Auftauchen beträchtlich gesenkt werden könne. Tatsächlich fand ich, nachdem ich auf dem unbeleuchteten Fahrrad meinen Weg durch mir bis dato völlig unbekannte Wohnviertel meines Stadtteils gefunden hatte (wobei ich an einer roten Ampel von einer radfahrenden älteren Besucherin des Salons überholt worden war, der im Gegensatz zu mir wohl die Geduld fehlte, jetzt noch auf so etwas Profanes wie Verkehrsregeln acht geben zu müssen), beim Eintreten in die Wohnung eine Schar überwiegend schon etwas reiferer Herrschaften vor.

Während die Groupies der beiden eingeladenen Schriftsteller bereits im Backstagebereich – der wohl im Alltag die Bibliothek war – ungeduldig mit den Füßen scharrten, suchte ich mir einen Platz in der vorletzten Reihe. Wenig später traf noch ein mittelalter Herr mit einem großkrempigen schwarzen Hut ein, nahm auf dem Sofa hinter mir Platz und seine auffällige Kopfbedeckung für den Rest des Abends nicht mehr ab, wohingegen der Alkoholgehalt seines Blutes stetig zunahm. Ich beobachte bei Lesungen immer wieder, dass der Genuss des einen oder anderen Glases Rotweins für viele Besucher ein Hauptgrund zu sein scheint, das eigene Haus zu verlassen. Nach begrüßenden Worten der Gastgeberin – denen auch zu entnehmen war, dass eine vormals hier vortragende Reiseautorin heute leider nicht anwesend sein könne, da sie sich während ihres jüngsten Aufenthalts in Bangkok spontan die Hüfte habe auswechseln lassen (müssen) – ging es auch schon los.

Während nun das – im übrigen sehr gelungene, aber davon soll hier nicht die Rede sein – Programm seinen Lauf nahm, hörte man aus der letzten Reihe des Öfteren in der Lautstärke kaum gedrosselte Kommentare des Bekrempten im Stile von „Jetzt wird’s langweilig“ oder „Mist, kein Wein mehr da“. Vielleicht war es auch so etwas wie „Mist, ohne Wein wird’s jetzt langweilig.“ Zum Glück war es irgendwann Zeit für eine Snackpause. Diese war im Vorfeld generalstabsmäßig durchorganisiert worden, weswegen es den etwa 30 Anwesenden kaum Mühe bereitete, sich innerhalb von fünf Minuten in der ursprünglich wohl auch nur auf zwei Personen ausgerichteten Küche mit Essen zu versorgen. Danach war allerdings nicht mehr auszumachen, wer im Flur vor dem Bad wartete, weil er einem dringenden Bedürfnis abhelfen wollte, und wer dort nur Zuflucht gesucht hatte, weil er der einzige freie Platz war.

Nach einer Gesprächsrunde mit den beiden Autoren, die mich ein wenig wehmütig an die goldenen Zeiten der anspruchsvollen Fernsehunterhaltung erinnerte, in der im Spätprogramm des ZDF noch Gäste wie Jeanne Moreau und Götz George die Talkshows bevölkerten, statt wie heute Veronica Ferres und Til Schweiger, hieß es von den meisten Besuchern Abschied nehmen. Der Herr mit dem Hut, der vorher noch schnell ein paar Flyer unter die Leute gebracht hatte, auf denen allerdings lediglich ein Foto von ihm selbst mit seinem Hut sowie ein mysteriöses Wort abgedruckt waren, verfehlte die Tür dabei nur knapp. Laut der Gastgeberin fand er sich, nachdem sie ihn bereits im Fahrstuhl gesehen hatte, plötzlich doch noch einmal in der Wohnung wieder, was aber lediglich ein kurzes Intermezzo bleiben sollte.

Ob es dann später am Abend so klug war auszuprobieren, ob die Angabe im Lift „für 4 Personen bis 400 Kilo“ auch dann noch gilt, wenn einer der vier bereits die Hälfte davon wiegt und ein anderer noch ein mannshohes Keyboard dabei hat, ist eine Frage, die hier nicht abschließend geklärt werden kann. Ansonsten war es ein deliziöser Abend, der fast das Gefühl in mir erzeugte, ich wäre damals bei Gertrude Stein eingeladen gewesen. Man sollte statt bei Facebook zu verweilen einfach viel öfter Literatursalons besuchen!

Skandal! Kultkneipe hängt Plakate ab

Veröffentlicht: 19. Februar 2012 in Allgemeines
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Die Überschrift stellt eine Übung dar für den Fall, dass ich doch noch mal notgedrungen im Düsseldorfer Boulevardjournalismus aktiv werden muss. Bei der Kultkneipe handelt es sich um das alteingesessene Tigges in Bilk, das sich vor allem dadurch auszeichnet, dass sich dort seit 20 Jahren nichts ändert (außer dass die Stammgäste älter werden). Eben fiel mir aber schon beim Reinkommen auf, dass irgendwas nicht stimmt. Als ich hinten im Gastraum ankam, merkte ich auch sofort, was das war: die altvertrauten Poster an den Wänden waren teilweise verschwunden, die Kreidetafeln leer gewischt. Keine anklagend guckenden Kinder (wobei ich nie verstanden habe, wo das Foto eigentlich aufgenommen wurde), kein von der türkischen Heimat träumender Gastarbeiter (als das Plakat entstand, nannte man die glaube ich wirklich noch so) mehr. Alle der Renovierung zum Opfer gefallen! Zumindest hängen in einer Ecke noch die halb zerrissene Marlene Dietrich (also das Poster ist zerrissen, nicht die Abgebildete), Che und die bunten Fassaden der Kiefernstraße. Trotzdem eine nicht gutzuheißende Maßnahme. Hat doch die Beständigkeit des Etablissements in meinem Bekannten- und Freundeskreis bereits weit über die Grenzen Düsseldorfs hinaus (ok, bis nach Wuppertal und Duisburg) Zuspruch und sogar Eingang ins Olsenblog gefunden. Oder wie ein Kumpel neulich meinte, er wäre seit 15 Jahren nicht mehr da drin gewesen, verändert habe sich aber nix.

Abschließend für alle, die immer noch bedauern, dass ich kaum noch dem Ego-Bloggen fröne, noch ein witziger Dialog zwischen bayerischen Karnevalstouristen und der Bedienung: „Habt ihr auch Alternativen zum Bier?“ – „Alt, Kölsch…“

Das war 2011 im Medienjunkieblog

Veröffentlicht: 1. Januar 2012 in Allgemeines

Die WordPress.com Statistikelfen fertigten einen Jahresbericht dieses Blogs für das Jahr 2011 an.

Hier ist eine Zusammenfassung:

Dieses Blog wurde in 2011 etwa 12.000 mal besucht.

Klicke hier um den vollständigen Bericht zu sehen.

Glückwunsch an Olsen für die meisten Kommentare im abgelaufenen Jahr. Und danke auch an die schweigende Mehrheit der Stammleser. Ein gutes neues Jahr und bleibt mir treu!

Konsumterror und Prostatamassage

Veröffentlicht: 29. November 2011 in Allgemeines
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Vorhin zum ersten Mal im umgebauten und wiedereröffneten Saturn auf der Düsseldorfer Kö gewesen. Das Einkaufszentrum, in dem er drin ist, das „Sevens“, war schon vor dem Umbau ziemlich sinnlos. Jetzt besteht es praktisch nur noch aus fünf Etagen Saturn plus ein paar kleinen Geschäften im Erd- und der üblichen Schickimicki-Fastfood-Gastronomie im Untergeschoss. Gut, hat den Vorteil, dass man jetzt nicht mehr erst durch drei Etagen mit zweckfreien Modegeschäften laufen muss, bis man im Saturn ist. Dafür hat der jetzt seine DVD- und Musikabteilungen ganz nach oben verfrachtet, man muss also erst mal vier Etagen mit Waschmaschinen, PCs und Fernsehern überwinden, wenn man einen Ton- und/oder Bildträger sucht.

Fünf Etagen Elektromarkt, das ist so ziemlich der Gipfel des Konsumterrors, den ich mir vorstellen kann. Aber bei Amazon kann man halt nichts in die Hand nehmen und so viele Sonderangebote gibt’s natürlich im ziemlich einzigen verbliebenen kleinen Plattenladen der Stadt auch nicht. Jetzt, wo ich mir die vierte Staffel „Six Feet Under“ für 18 Euro im Internet gekauft habe, weil es die nirgendwo in D’dorf gab (der andere Saturn hatte neulich alle Staffeln für jeweils 12 Euro, nur die, bei der ich gerade angelangt war, natürlich nicht), liegt im neuen Laden natürlich ein ganzer Stapel zum Spottpreis. Skurrilerweise gibt’s jetzt auch eine Buchabteilung.

Am Faszinierendsten aber: Endlich hat der Saturn auch eine Porno…äh, ich meine Sexratgeber-DVD-Ecke. Der Höhepunkt (sorry für das Wortspiel): „Prostata-Massage – Von den Machern von …“ (hier bitte zwei andere Massagetechniken einsetzen, die ich mir leider nicht merken konnte). Erstaunlich finde ich schon, dass diese und ähnliche DVDs (von manueller Befriedigung bis Koitustipps) da alle frei zugänglich im Regal stehen, zwischen Western/Eastern/Kriegsfilmen und Deutscher Film. Jugendschutz und so? Interessiert nicht, wird ja bei YouPorn auch umgangen, denkt sich der Saturn wahrscheinlich. Oder läuft dieses Programmsegment unter Gesundheitserziehung? Schön, braucht man wenigstens nicht mehr beim Video Tümmers in die Schmuddelecke.

Existenzverhinderungsseminar

Veröffentlicht: 26. November 2011 in Allgemeines
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Diese ganze von der BA bzw. den Jobcentern finanzierte Weiterbildungsindustrie hat so eine eigene Logik, die man als normal denkender Mensch glaube ich gar nicht begreifen kann. Ich hatte mich schon gefragt, warum das JC die Kosten für ein eintägiges IHK-Seminar für Existenzgründer nicht übernehmen kann, die für ein selbst in Auftrag gegebenes zweiwöchiges bei einem anderen (natürlich privaten) Anbieter aber schon. Obwohl die Inhalte natürlich grob die gleichen sind und die IHK da natürlich auch eine Bescheinigung fürs JC ausgestellt hätte,  das die dann wohl auch hätte anerkennen müssen. Gut, man finanziert mit Steuergeldern also lieber 70 statt 8 Stunden, was dann natürlich auch mindestens proportional mehr kosten dürfte (wahrscheinlich sogar überproportional, wenn ich von den Preisen ausgehe, die da in dieser ARD-Reportage genannt wurden und auch noch berücksichtige, dass dieser Anbieter im Gegensatz zur IHK auch noch Räume anmieten muss).

Statt dass einem in kompakter Form erklärt wird, was man so bei Steuern, Sozialversicherung etc. beachten muss und wie man einen Businessplan schreibt, wird einen nun also über zehn Tage detailliert vorgetragen, was man alles unbedingt machen muss. Darunter Dinge, die in keinem der Ratgeber für Freie Journalisten bzw. Solo-Selbständige, die ich gelesen habe, jemals erwähnt werden. Rechungen sind nicht gültig, wenn sie mit einem Tintenstrahldrucker geschrieben sind. Auch wenn man außer Portokosten gar keine Barausgaben hat, muss man unbedingt ein Kassenbuch führen (im verdi-Ratgeber, der überhaupt angenehm unkompliziert gehalten ist, steht dazu: Dem Finanzamt ist es egal, ob sie ihre geschäftlichen Einkäufe aus ihrer Kasse, vom Geschäftskonto oder aus Ihrer Hosentasche bezahlen, da Sie sowieso alle Belege aufbewahren müssen). Solche Sachen halt.

Dann gibt es Dozenten, die gleichermaßen unvorbereitet wie unmotiviert sieben Stunden von den Folien einer Powerpoint-Präsentation ablesen, die voller Zeichensetzungs- und Rechtschreibfehler steckt (beim Thema Werbung besonders schön) und auf Fragen immer nur diffus antworten (Früher war das mal so…). Oder solche, die auf jeden Einwand und jeden Protest mit einem gekünstelten Lächeln reagieren, überhaupt nicht auf die Bedürfnisse der Teilnehmer eingehen und strikt ihr Programm durchziehen (warum eigentlich eine Journalistin beauftragt wird, Preiskalkulation zu unterrichten, wäre auch so eine Frage, aber die kannte dann auch offenbar nicht den Unterschied zwischen Vorsteuer und Steuervorauszahlung). Und auf das merkwürdige Menschenbild mancher BWLer möchte ich gar nicht weiter eingehen.

Statt zu informieren, verwirrt und entmutigt das ganze Seminar eigentlich mehr. Einerseits soll man seine privaten Kosten hoch ansetzen, da man ja als Unternehmer höhere Bedürfnisse hätte als als Alg II-Bezieher, andererseits muss das Projekt so tragfähig sein, dass man am besten gleich im ersten Quartal schwarze Zahlen schreibt. Irgendwas passt da nicht zusammen. Als Alg II-Empfänger brauch ich eigentlich meine privaten Mindestausgaben in der Anlaufphase (in der man ja weiterhin Geld vom und Krankenversicherung übers JC bekommt, solange der Gewinn nicht groß genug ist) gar nicht ausrechnen, weil ich ja weiß, was ich mindestens zum Leben brauche: eben das, was ich bisher vom JC bekomme, denn verhungert bin ich damit ja bisher auch nicht.

Ich hab mich zwischendurch mehrmals gefragt, warum ich eigentlich nicht bei solchen Seminaren als Dozent arbeite, dann was einige da gebracht haben, könnte ich sicher genauso gut. Abgesehen davon, dass ich dafür zu nervös wäre, konnte ich mir die Antwort selbst geben: Mein Weltbild passt nicht zu dem, das da vorherrscht: Der Unternehmer arbeitet 24 Stunden am Tag, den Rest schläft er, jeder Geschäftspartner will einen potentiell übers Ohr hauen, denn bei Geld hört die Freundschaft auf, und den Büffel (= Kunden) muss man an der Wasserstelle abholen, an der er säuft. Und da sagen mir manche nach, ich sei zynisch und misanthropisch.

Schwein ist mein Gemüse

Veröffentlicht: 25. September 2011 in Allgemeines

Ein Bestandteil der rheinischen Kultur, mit dem ich nie warm werde, sind Brauhäuser. Diese Art von rustikaler Gemütlichkeit liegt mir einfach nicht. Wobei es auch eher skurrile Vertreter dieser Gastronomiesparte gibt. Von außen sah alles so aus wie erwartet, inklusive Schildern der Schützenbruderschaft und andere obskurer Vereinigungen, die hier regelmäßig verkehrten. Freunde der rheinischen und gutbürgerlichen Küche würden sich hier wohl fühlen, versprach die Eigenwerbung. Ein Blick auf die Speisekarte offenbarte dann allerdings ein Angebot, das wenig rheinisch klang: Cevapcici war noch eines der Gerichte, das für mich am vertrautesten klang, viele andere konnte ich nicht einmal aussprechen. Breite Auswahl sieht wohl auch anders aus: Von etwa zehn Gerichten war gerade mal eines mit Hähnchenfleisch zubereitet. Ansonsten Schwein in allen Variationen: Gegrillt, gerollt, gefüllt, im Zopf und am Spieß und Schweinefleisch gefüllt mit Fleisch. Letzteres erinnert mich irgendwie an den Ursprung der koscheren Essenszubereitung, nämlich Gottes Gebot, das Lamm nicht im Milch seiner Mutter zu kochen.  Rheinisches Brauchtum: Hier bin ich Mensch, hier darf ich’s schwein.

Songtitel

Veröffentlicht: 2. Juni 2011 in Allgemeines

Gibt es eigentlich schon den Songtitel „Everything I eat reminds me of you“?

Ohne Kommentar.