Mit ‘Vanity Fair’ getaggte Beiträge

Es gibt mal wieder ein neues Lifestyle-Magazin in Deutschland: FACES. So neu ist es allerdings gar nicht, denn es ist die deutsche Ausgabe einer Schweizer Zeitschrift, die dort schon länger erscheint. Als ich gestern im Buchladen durch das Heft blätterte, hatte ich beim Betrachten des Inhaltsverzeichnisses ein ziemliches Déjà Vu: Nicht nur, dass es eine Reportage von Tom Kummer über Charles Manson gibt, direkt darüber wurden gleich drei Kolumnen angekündigt, die ebenfalls von ehemaligen TEMPO-Autoren stammen: Uwe Kopf, Peter Glaser und Maxim Biller. FACES hat es also tatsächlich geschafft, das alte Triumvirat der TEMPO-Kolumnisten wieder in einem Heft zu vereinigen. Damals waren die Drei auch als KGB bekannt, abgeleitet von den Anfangsbuchstaben ihrer Nachnamen. Hinzu kommt dann noch Helge Timmerberg, der mit seinen wilden Reisereportagen in TEMPO auch als „deutscher Hunter S. Thompson“ bekannt wurde, und der in FACES eine, allerdings sehr kurze Kolumne schreibt.

Leider sind die weiteren Seiten des Heftes wesentlich uninteressanter als die ersten 40. Da geht es  nämlich hauptsächlich um Mode, Beauty und Reise, mit den üblichen Modefotostrecken und Shoppingtipps für Parfüm, Make up und Accessoires. Artikel über Film- und Popstars sind hingegen nie länger als eine Seite. Am Schluss gibt es dann noch Berichte über irgendwelche Society-Events mit Promifotos, wie man sie aus der BUNTEn kennt. Insgesamt ist das Heft eine merkwürdige Mischung aus der deutschen „Vanity Fair“, BUNTE und TEMPO. Schade, denn mit Autoren wie Kummer, Glaser, Biller und Timmerberg hätte ich echt auf ein insgesamt interessanteres Magazin gehofft.

Immerhin kann man die komplette Ausgabe (sowie die Back Issues) kostenlos als E-Paper im Netz lesen, sogar mit zusätzlichen Videos, die in die Seiten eingebaut sind (wobei die Biller-Kolumne sowie eine Contributors-Seite, auf der die fünf Ex-TEMPO-Mitarbeiter kurz vorgestellt werden, komischerweise fehlen). Vor allem die Kummer-Reportage über einen Besuch bei Charles Manson im Knast ist absolut lesenswert: typischer Kummer eben.

Ausgerechnet Ulf Poschardt soll zum Jahreswechsel Herausgeber der Springer-Musikzeitschriften „Rolling Stone“, „Musikexpress“ und „Metal Hammer“ werden, meldet die taz. Poschardt, Godfather der neoliberalen Gehirnverkleisterung, der als Chefredakteur des SZ-Magazins über Tom Kummers gefälschte Promi-Interviews stolperte, als Gründungschefredakteur die Totgeburt der deutschen „Vanity Fair“-Version maßgeblich zu verantworten hatte, wo er in seinen Editorials die „Mover und Shaker“ der Republik ansprechen wollte, die wahrscheinlich in ihrer Gesamtheit ins Berliner „Borchardt“ passen würden, und der seitdem wieder unglaublich reaktionäre Kommentare in der „Welt am Sonntag“ schreiben darf. Nun darf der selbst ernannte Popjournalist (der ja immerhin über „DJ Culture“ promoviert hat) also bald u.a. beim „Rolling Stone“ mitreden, der doch in den USA mal als Zeitschrift der linken Gegenöffentlichkeit gegründet wurde.  Was für ein Abstieg, wenn man betrachtet, welche Tradition der (amerikanische) RS doch hat: von Jann S. Wenner zu Ulf Poschardt – das bringt auch nur der Springer-Verlag fertig.

„Poschardt ist einerseits der personifizierte Größenwahn und andererseits auch wieder so banal, dass man eigentlich Mitleid mit ihm haben müsste. Ulf Poschardt ist die Paris Hilton des deutschen Journalismus, ein selbsternannter Leistungsträger einer selbsternannten Elite.“

Der Spiegelfechter nimmt einen WamS-Artikel von Ulf Poschardt zum SPD-Wahlprogramm auseinander. Bei dem Typen denke ich auch jedesmal, das war damals Tom Kummers größter Verdienst, dass Poschi wegen ihm seinen Job als Chefredakteur des SZ-Magazins verloren hat. Alleine deswegen müsste man Kummer eigentlich schon einen Orden verleihen.

(via)

Fragt man sich, wenn man mal auf der Homepage der US-Mutter vorbeischaut. Oder im Laden die UK-Ausgabe durchblättert (die zu einem großen Teil aus Übernahmen der US-Ausgabe zu bestehen scheint, während letztere in Deutschland gar nicht erhältlich zu sein scheint). Hat man sich einmal durch die Dutzende von Doppelseiten mit Hochglanzwerbung gekämpft (ich glaube, der erste richtige Artikel begann auf Seite 60 oder so – unglaublich), findet man dort nicht nur Fotoserien von u.a. Annie Leibowitz über die Obamas und die kongenialen Partnerschaften zwischen Schauspielern und ihren Regisseuren, sondern auch laaange Artikel über Hollywood & Co., u.a. über die Entstehungsgeschichte von Coppolas „Der Pate“. Und Artikel über die Finanzkrise. Und was gab es in der deutschen VF? Heike Makatsch auf dem Titel und Reportagen über Knut, den Eisbären. Das sagt eigentlich schon alles. Da ich aber auch nicht 11 Euro irgendwas für die importierte britische VF ausgeben möchte, stellt sich weiterhin die Frage: Wer macht sowas auf deutsch?

Ergebnisse sonntäglicher Lektüre im Café:

1. WAZ-Geschäftsführer Bodo Hombach scheint jetzt endgültig am Rad zu drehen. Nachdem diese Woche bekannt gegeben wurde, dass seine Zeitungsgruppe 300 Leute entlässt (die Unternehmensberatung hatte nur 275 empfohlen), findet er noch genug Zeit, einen 2 1/2-seitigen Artikel für „Cicero“ zu schreiben, indem er den Niedergang des Tageszeitungsjournalismus beklagt. Sein Fazit:

„Seitdem immer mehr Menschen einen immer größeren Anteil der Welt nur noch über die Medien erfahren, entscheiden diese über die gefühlte Bedeutsamkeit eines Themas. Das ist eine tägliche Herausforderung und eine tägliche Verantwortung. Da provozierte einer: „Du hast dir nichts vorzuwerfen. Deine Zeitung ist immer noch gut. Nur deine Leser wurden schlechter.“ Treue Gefolgschaft ist aus der Mode. Es gibt immer mehr „Laufkunden“. Viele leben auf Probe, flüchtig, bis zum Widerruf.“

Genau, wenn weniger Leute eine Zeitung kaufen/abonnieren, ist nicht die Qualität der Zeitung daran schuld, sondern der Leser, der zu blöd ist zu erkennen, was für ein Wahnsinnsqualitätsprodukt doch diese wunderbare Zeitung ist! Und ich habe immer gedacht, in einer Marktwirtschaft wäre es das gute Recht des Kunden, zu einem anderen Produkt zu wechseln, wenn ihm das alte nicht mehr gefällt. Mit der Logik Hombachs darf ich auch nicht meine Zahnpastamarke wechseln, sondern muss der alten auf ewig die Treue halten, auch wenn sie inzwischen nach Rhizinusöl schmeckt statt nach Pfefferminz.

Außerdem beklagt Hombach, dass immer mehr Redakteure dazu neigen, auf die Wünsche von Werbekunden einzugehen. Anscheinend hat der Mann keinen blassen Schimmer, was in seinem eigenen Verlag vor sich geht, in dem ganze Beilagen in externe Redaktionsbüros ausgegliedert werden, die dann Werbekunden-freundliche Artikel schreiben. Die ganze WAZ-Gruppe kann ich inzwischen nicht mehr ernst nehmen.

2) Niklas Maas trauert in der FAS (leider nicht online) der vertanen Chance nach,  in Deutschland eine  Zeitschrift zu machen, die der amerikanischen „Vanity Fair“ entspricht: anspruchsvolle Reportagen und bunter Lifestyle in einem Heft. Die deutsche VF sei dies am wenigsten gewesen, was aber nicht an unserem Land, sondern an der Konzeptlosigkeit und personellen Unterbesetzung der Redaktion gelegen hätte. Wir träumen also alle weiter und fragen uns bis dahin, warum Maas es denn nicht selbst versucht, wo doch seine Argumentation zu 95 Prozent richtig ist (wahrscheinlich aus dem gleichen Grund, aus dem ich keine Zeitschrift aufmache: no money). (Die 5 Prozent, wo er falsch liegt, sind übrigens die Behauptung, Heike Makatsch hätte das Zeug zum Star. Tut mir leid, aber wer den Trailer zu „Hilde“ sieht, bekommt nicht diesen Eindruck, sondern den, dass Makatsch nicht schauspielern kann und die Zeit der deutschen Weltstars seit mindestens 60 Jahren vorbei ist.)

Promis ohne Glamour

Veröffentlicht: 21. Februar 2009 in Print
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„Wer sind die „Movers and Shakers“, die Ulf Poschardt, Vanity-Fair-Chef im ersten Jahr, erreichen wollte, wer bildet die „revolutionäre Elite“? Und was hat das mit Til Schweiger zu tun, der mit einer Ziege im Arm vom ersten Cover grinste?“

Die taz hat gleich zwei lesenswerte Artikel zum Ende der „Vanity Fair“.

Der Jahrmarkt der Eitelkeit wird noch diese Woche geschlossen – zumindest in Deutschland. Nach zwei Jahren erklärte Condé Nast sein Experiment einer deutschen Ausgabe der traditionsreichen amerikanischen „Vanity Fair“ für wirtschaftlich gescheitert (Schuld sei angeblich alleine die Wirtschaftskrise.). In Wahrheit war das Experiment natürlich schon lange inhaltlich gescheitert, spätestens seit Gründungschefredakteur Ulf Poschardt im vergangenen Jahr seinen Hut nehmen musste.

Ein stringentes Konzept war sowieso von Anfang an nicht erkennbar: Die Themenmischung wirkte statt originell meist eher skurril, die Titelbilder waren teilweise sogar unfreiwilig komisch und wirkten manchmal wie die eines Satiremagazins (Till Schweiger mit Ziege, Knut und Benedetto). Angebliche Scoops wie das provozierende Horst Mahler-Interview mit Friedmann wirkten eher bemüht; politisch war das Magazin irrelevant, kulturell beliebig und größtenteils wirkte es einfach wie eine stinknormale Frauenzeitschrift mit Boulevardthemen und Schminktipps. Die angepeilte Zielgruppe der „Mover und Shaker“ existierte sowieso nur im Kopf von FDP-Anhänger Posch, der inzwischen neoliberale Kommentare in der „Welt am Sonntag“ schreiben darf.

Schade ist das Ganze trotzdem, denn vor dem Start hatten viele (auch ich) große Hoffnungen in das neue Magazin gesetzt: endich (wieder) ein relevantes Popkultur- und Gesellschaftsmagazin auf dem deutschen Markt zu etablieren (btw: Was ist eigentlich aus dem Konkurrenzprojekt mit dem Arbeitstitel „Neues Deutschland“ geworden? Wohl gestorben in der Entwicklungsredaktion.). Während das US-Original diesen Spagat zwischen gesellschaftlicher Relevanz und lockerem Lifestyle-Jounalismus ja wohl schaffen soll, ist es der deutschen Schwester nie gelungen, irgendwie einen eigenen Stil zu finden und etwas Anderes zu sein als eine BUNTE mit (dürftigem) Politikteil.

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