Mit ‘Twitter’ getaggte Beiträge

„Was machen wir auf Twitter?“ – „Wir twittern.“ (Dialog zwischen Moderator und Mitarbeiter beim TV-Festival in Köln.

„Wenn die Parkausflügler dann die Schwäne füttern, und die Allerblödsten es gleich weitertwittern, …“ (Christiane Rösinger, „Berlin“)

Hab gestern in Köln die erste Folge von „Sherlock“ auf der großen Leinwand gesehen. Fing rasant an und ließ dann stark nach. Der Showdown dauerte gefühlte 30 Minuten und ich dachte währenddessen die ganze Zeit, die 90 Minuten Filmdauer müssten doch längst vorbei sein. Hinter uns brachen die Hardcore-Fans der Sherlock Holmes-Gesellschaft, die teilweise schon in passenden T-Shirts ins Kino gekommen waren, bei jedem zweiten Dialog in Gelächter oder Begeisterungsstürme aus.  Und mir wurde mal wieder bewusst, dass ich mit Krimis im Allgemeinen nichts anfangen kann. Dafür den BAFTA als beste Dramaserie? Den hätten „Misfits“ oder „This is England ’86“ aber deutlich eher verdient. Im Juli läuft „Sherlock“ dann übrigens im Ersten. Sonntags nach dem „Tatort“. Verglichen mit dem ist die Serie zumindest stilistisch weit überlegen.

Ein Redakteur der Münsterschen Zeitung fand wahrscheinlich selbst absurd, dass in seiner Zeitung über einen umgekippten Blumenkübel berichtet wurde, verbreitete die Meldung über Twitter und löste damit eine nicht vorhersehbare Welle aus: Twitterer parodierten die Meldung in immer neuen Varianten und sorgten dafür, dass der Blumenkübel zu einem der weltweit meistdiskutierten Themen bei Twitter wurde.

Die MZ selbst nimmt’s mit Humor und freut sich wahrscheinlich, dass überhaupt mal jemand in der Netzgemeinde auf ihren Neuenkirchener Lokalteil aufmerksam geworden ist. Das Traurige an diesem lustigen Hype ist eigentlich, dass die Meldung, die ihn auslöste, nicht einmal besonders schräg oder auffallend belanglos ist. Denn gerade in kleinen Lokalteilen überall in der Republik wird über solche Nichtigkeiten täglich geschrieben. Ich durfte in meiner Zeit als freier Mitarbeiter bei einer Stadtteilausgabe unter anderem über verschmutzte öffentliche Toiletten schreiben, über Vandalen, die Spielzeugbagger auf einem Spielplatz verbogen hatten und über den Belag eines Platzes in einem Wohngebiet, der zur Auseinandersetzung zwischen Boulespielern in der Nachbarschaft und gehbehinderten Anwohnern wurde. Und zwar nicht in vier Sätze-Meldungen, sondern jeweils in 80 Zeilen-Berichten. Einfach, weil die Redakteure meinten, das gehöre schon zu den spannendsten Dingen, die in ihrem Stadtbezirk so passiert seien.

Der MZ-Mitarbeiter schreibt dann selbst, dass die Blumenkübel-Zerstörung nur einen begrenzten Nachrichtenwert hätte:

„sie ist gerade mal für die Bewohner des Hauses, deren Angehörige, die Mitarbeiter des Altenheims und vielleicht einige Anwohner der Straße relevant.“

Demnach hat sie mMn überhaupt keinen Nachrichtenwert. Denn wenn etwas nur für die Leute interessant ist, die auf einer einzigen Straße wohnen oder arbeiten, ist das noch keine Öffentlichkeit, sondern ein privater Kreis. Wenn auf Onkle Hugos 70. Geburtstag mit 150 Gästen der Gastgeber für eine halbe Stunde mit seiner Nachbarin im Schlafzimmer verschwindet, steht das ja auch nicht morgen in der BUNTEN. Wenn eine Lokalzeitung dann meint, über einen zerbrochenen Blumenkübel trotzdem eine Meldung schreiben zu müssen, zeigt das, dass es ihr im Grunde nicht um Nachrichtenwert geht, sondern nur darum, dass der Lokalteil halt auch in einem Ort, in dem nichts Berichtenswertes passiert, irgendwie gefüllt werden muss.

Es zeigt aber auch exemplarisch, welche Bevölkerungsgruppen sich in einer Lokalzeitung eigentlich noch wiederfinden: Altenheimbewohner und sonstige Senioren. Ich gehe stark davon aus, dass es die Jugendlichen selbst in Neuenkirchen wenig interessiert, wenn ein Blumenkübel in ihrem Ort kaputt geht. Gestern bekam ich zufällig mit, wie sich zwei etwa 40-Jährige neben mir über die mangelnde Qualität von Lokalzeitungen hier in der Region unterhielten. Der eine: „Optisch sieht die Zeitung in Neuss etwas anders aus als hier, inhaltlich ist das aber dasselbe.“ Der andere: „Schützenverein halt.“

… könnte man in Abwandlung des alten Nina Hagen-Songs bald sagen, wenn man mit Hilfe der Augmented Reality-Technik nicht nur Orte und Sehenswürdigkeiten durchleuchten können wird, sondern auch fremde Menschen auf der Straße. Einen kurzen Überblick über aktuelle und zukünftige Anwendungen, Risiken und Nebenwirkungen findet ihr in meinem neuesten epd-Artikel.

Die Realitätsferne des DJV

Veröffentlicht: 22. März 2009 in Journalismus
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„Was Journalisten derzeit an medialer Gier zutage fördern ist desöfteren fragwürdig. Wenn dann eine handvoll Journalisten über twitter einen Einblick in ihre Arbeit geben, ist dies der wohl unwichtigste Punkt, an dem der DJV mit einer Kritik seinen Mitgliedern gegenüber ansetzen muss.“

Dieser Aussage von Thomas Gigold zur Winnenden-Berichterstattung ist im Grunde nichts mehr hinzuzufügen.

(via)

Eigentlich wollte ich nichts über den Amoklauf von Winnenden schreiben, weil ich dachte, es reicht ja, wenn alle darüber schreiben. Erstaunlich ist in diesem Zusammenhang aber, wie wenig Ahnung vom Internet doch viele Journalisten haben, die meinen, jetzt etwas über die vermeintliche Ankündigung des Täters im Internet schreiben zu müssen oder über die Nutzung von Web 2.0-Diensten von Journalisten, die über den Amoklauf berichteten.

Die dpa etwa scheint überhaupt keine Ahnung zu haben, was ein Chat überhaupt ist oder wie dieser funktioniert. Da schreibt die Agentur von einem “ Schreiben [, dass der Täter] wenige Stunden vor der Tat ins Internet gestellt hatte“. In einen Chat stellt man also ein Schreiben, aha. Wenn die Polizei das so formuliert, weckt das auch nicht unbedingt Vertrauen in deren Ermittlungskompetenz, aber zumindest versteht man, wenn eine Behörde so ein Bürokratenwort wie „Schreiben“ verwendet. Aber der Satz ist ja im dpa-Text nicht als Zitat gekennzeichnet. Also geht wohl auch der Journalist davon aus, dass ein Chat halt aus verschiedenen Schreiben, also Briefen, besteht. Und dass die Teilnahme an einem Chat im Normalfall keine Spuren auf dem eigenen Rechner hinterlässt, ist anscheinend auch eine Neuigkeit, die dem Leser erst einmal umständlich erklärt werden muss.

Bei der SZ ist skurrilerweise ein Redakteur für das Themengebiet Internet zuständig, der das komplette Web 2.0 mehr oder weniger offen ablehnt. Ich habe jedenfalls noch nie einen Artikel von Bernd Graff gelesen, in dem er an Blogs, Sozialen Netzwerken oder Ähnlichem auch nur ein gutes Haar lassen würde. So ist es auch nicht verwunderlich, dass er die Überreaktion vieler Journalisten nach dem Amoklauf in Bezug auf die Twitter-Nutzung als Anlass nimmt, mal wieder kräftig auf den Microblogging-Dienst einzuschlagen.

Was die Ergebnisse angeht, hat Graff mit seiner Kritik natürlich weitgehend Recht: Dass Journalisten eine Twitterin belästigen, weil die über den Dienst gemeldet hat, sie habe gehört, dass an der Schule ein Amoklauf stattfinde, ist genauso fragwürdig wie die sensationsheischende Live-Berichterstattung z.B. von Focus Online via Twitter. Aber was bitte soll die Behauptung, es sei eine Selbstverständlichkeit, dass es falsch sei, „die Aufmerksamkeit vom Gegenstand der Berichterstattung auf den Berichterstatter zu lenken“, wie es Stefan Niggemeier formuliert hat? Warum sollen Reporter nicht ihre Eindrücke und Emotionen bei der Berichterstattung schildern dürfen? Und ich rede jetzt von wirklich mitteilenswerten Gefühlen, nicht von solchen effektheischenden Belanglosigkeiten, wie die anscheinend von den Focus Online-Reportern getwittert wurden. Mir scheint es unglaublich, dass es 30 Jahre nach Erfindung des New Journalism immer noch Journalisten gibt, die solche Behauptungen unhinterfragt aufstellen, wie Graff es tut. Einen lesenswerten Artikel zu dieser Frage gibt es hingegen bei medienlese.com.:

„Aber abgesehen davon, dass sich Journalisten niemals wichtiger als die Geschichte nehmen sollten: Nehmen sich Journalisten, wenn sie zum Beispiel Twitter nutzen, “ich” sagen, ihre Arbeit transparent machen, damit automatisch zu wichtig? Schmälern sie das Ereignis? Bedient es nicht die wachsende Medienkompetenz der Leser, dass man ihnen deutlich macht: Ich fahre da hin, ich berichte für dich, mit diesen Problemen werde ich konfrontiert?“

Kürze bringt poetische Würze

Veröffentlicht: 23. Februar 2009 in Bücher, Online
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Portal in die Twitter-Welt: Die Homepage des Kurznachrichten-Dienstes

Portal in die Twitter-Welt: Die Homepage des Kurznachrichten-Dienstes

Können 140 Zeichen lange Texte Literatur sein? Immer mehr Nutzer des Kurznachrichten-Dienstes Twitter glauben das: Sie veranstalten Lesungen und unterziehen Meldungen einer Literaturkritik. Vor kurzem startete sogar der erste deutschsprachige Twitter-Fortsetzungsroman. „Twitteratur“ – eine neue Kunstform. (mehr …)

Ich habe das Gefühl, einige dieser digitalen Bohémians (Schreibt man das so?) beantworten gar keine E-Mails mehr. Wahrscheinlich ist ihnen das schon längst wieder zu old school, wie man in der Jugendsprache zu sagen pflegt(e). Ich stelle mir aber gerade die Reaktion vor, wenn ich einem Autraggeber mitteilen würde (natürlich per Telefon, Skype, Chat oder Twitter), ich hätte keine Mailadresse mehr, weil mailen doch eigentlich total 2007 wäre. Wahrscheinlich würden mich die meisten Redakteure dann fragen, ob ich denn wenigstens ein Faxgerät hätte. Oder Telex.

Dabei waren das doch im Grunde herrliche Zeiten, als E-Mails begannen, sich als Massenkommunikationsmedium durchzusetzen: Man schaute ein- bis zwei Mal pro Woche in sein Postfach, hatte vielleicht eine Handvoll neuer Nachrichten und schrieb dann ein paar Antworten, wofür man sich richtig Zeit lassen konnte. Also richtig viel Zeit natürlich auch wieder nicht, denn damals wurde ja noch pro Minute abgerechnet und die imaginäre Kostenuhr tickte immer im Hintergrund.

Dann kam die Zeit, wo jeder diverse Newsletter abonnierte und man wegen jedem Scheiß erst einmal einen Verteiler oder eine Yahoogruppe einrichtete („Wir sollen nächsten Monat ein Gruppenreferat an der Uni halten? Da mach ich erst mal ’ne Yahoogroup für uns auf, damit wir da rund um die Uhr alles absprechen können.“ ). Wenn man jetzt mal zwei Tage keinen Internetzugang in der Nähe hatte, wurde man beim nächsten Einloggen von Dutzenden von Mails erschlagen, die man über diverse Verteiler weitergeleitet bekommen hatte. Oder man wurde vorwurfsvoll angeguckt, wenn man zur Uni kam und die letzten zwanzig Diskussionsbeiträge noch nicht gelesen hatte. (Dabei bin ich nicht mal bei Facebook oder StudiVZ angemeldet, das hätte die Sache wahrscheinlich noch schlimmer gemacht.) Statt sich einfach mal eine Woche vor einem Referat in der Caféteria zu treffen, postete man als guter Student nun schon sechs Wochen vor dem Termin täglich irgendwelche Links, Arbeitsaufforderungen und Lesehinweise in seine Internetgroup. Das Referat wurde dadurch zwar meist nicht besser, es dösten nicht weniger Kommilitonen im Seminar vor sich hin, aber man hatte das Gefühl, unheimlich fleißig und super vorbereitet gewesen zu sein.

Und heute? Kommen E-Mails schon wieder aus der Mode, chatten die 14-Jährigen lieber mit ihren (realen und virtuellen) Freunden vor sich hin, und erfolgreiche Freiberufler twittern alle zwei Stunden (minimale Frequenz) aus ihrem Leben. Der britische Schriftsteller und Schauspieler Stephen Fry („Peter’s Friends“, „Die Entdeckung des Himmels“) hat bei Twitter gut 139.000 Follower, also Menschen, die seinen Channel abonniert haben. Wenn man sich jetzt vorstellt, dass nur ein paar Prozent von denen ihm auch ab und zu mal irgendwas antworten oder ihm eine Frage stellen, kann man sich ungefähr vorstellen, welcher „Communication-Overkill“ da auf Frys Handy bzw. in seinem Kopf herrscht. Wann kommt der Mann noch zum Arbeiten (und zum Bloggen, Video-Podcasten etc.)? Das Leben als A-Blogger, -twitterer, -podcaster ist wahrscheinlich ganz schön anstrengend. So, und ich melde mich jetzt bei GMX ab.