Ich weiß echt nicht, was alle immer mit den 70er Jahre-Fernsehkrimis des Exil-Tschechen Brynych haben. Größtenteils finde ich die zwei Folgen, in die ich jetzt mal reingeguckt habe, genauso behäbig und schauspielerisch hölzern, wie ich die ZDF-Freitagskrimiserien insgesamt in Erinnerung hatte. Die große Ausnahme: Klaus Löwitsch, der in Brynychs „Der Alte“-Folge „Sportpalast-Walzer“ einen daueralkoholisierten Kneipenwirt gibt, der vor Jahren seine Ehefrau zum Krüppel gefahren hat, sie jetzt mit einer Kellnerin betrügt und nach einem Streit denkt, sie ermordet zu haben, ohne sich aber daran erinnern zu können, dank eines Filmrisses. Löwitsch spielt alle Anderen in dieser Folge komplett an die Wand. Gesehen hatte ich von ihm wohl schon mindestens fünfzehn Jahre nichts mehr.
Damals, in den späten 80ern und frühen 90ern war er ja einer der großen Stars der deutschen TV-Krimiserien (nachdem er in den 70ern schon zu Fassbinders Stammensemble gehört hatte, u.a. in „Welt am Draht“, einem VR-Thriller, lange bevor es den Begriff Virtuelle Realität überhaupt gab): zuerst immer mal wieder in Gastrollen in „Tatort“, „Der Alte“, „Derrick“ & Co., ab 1985 dann als Hauptfigur in „Detektivbüro Roth“, „Der Hafendetektiv“ und natürlich, in seiner vielleicht bekanntesten Rolle, als „Peter Strohm“. Hin und wieder, eher selten, bekam er auch noch mal eine Rolle in einem Kinofilm, so etwa als Titelfigur in „Kaminsky – Ein Bulle sieht rot„, einem deutschen Film Noir, den ich vor Urzeiten mal im Fernsehen gesehen und als ziemlich beeindruckend in Erinnerung habe (ist natürlich nie auf DVD erschienen). Zunehmend frustriert von den mangelnden und ewig gleichen Rollenangeboten starb er Anfang des neuen Jahrhunderts.
1982 war er für eine Folge Hauptfigur des hr-„Tatorts“. „So ein Tag…“ heißt der Film von Jürgen Roland, in dem Löwitsch nicht etwa den Kommissar spielt, sondern einen Streifenpolizisten, Hauptmeister Rolfs, eine Art Schimanski in Uniform. Die Folge fängt viel versprechend an, mit einer dokumentarischen Szenenfolge aus dem Frankfurter Bahnhofsviertel. Dazu erzählt eine Stimme von dem gewaltdurchsetzten Milieu dort und dem verlorenen Posten, auf dem die örtlichen Polizisten stehen – typischer Roland-Stil also. Der ganze Film legt dann auch mehr Wert auf eine realistische Schilderung des Arbeitsalltags der Polizisten der Frankfurter Bahnhofswache als auf die Schilderung des Kriminalfalles, der sich vor diesem Hintergrund abspielt: der tägliche Frust, die kleinen Freuden, der ruppige, aber teilweise fast liebevolle Umgang mit ihrer Klientel wie Kleinganoven und Prostituierten. Rolfs ist seit mehr als 25 Jahren auf der Wache, ein Cop alten Schlages, der mitansehen muss, wie um ihn herum alles den Bach runter geht, und der trotzdem keinen anderen Posten haben will. Er liefert sich eine Art Privatkrieg mit einem reichen Bordellbetreiber, der seine Hände in allerlei kriminellen Machenschaften hat, die ihm aber natürlich niemand nachweisen kann. Die kleinen Ganoven sperrt man ein, die großen Fische kommen ungeschoren davon.
Leider kann dieser Film die hohen Erwartungen, die sein Anfang erzeugt, nicht vollends einlösen. So, wie die Geschichte des „Tatort“ ja im Grunde insgesamt eine Geschichte des Scheiterns ist, der uneingelösten Versprechen, der halbherzigen oder nie wiederholten Experimente, der einzelnen Highlights in einem Mainstream der Mittelmäßigkeit. Die immer wieder großartige Figuren hervorbrachte wie Schimanski, die sich dann meistens in unausgegorenen bis langweiligen Drehbüchern wiederfanden. Um ab und zu dann mal ein gutes abzubekommen. Auch ließ man immer mal wieder einen interessanten Regisseur wie Samuel Fuller oder Dominik Graf einen Fall inszenieren oder einen guten Autor wie Bodo Kirchhoff eine Folge schreiben, aber danach folgten dann immer wieder Dutzende von 08/15-Filmen. Und so fragt man sich dann auch am Ende von „So ein Tag…“, warum man Hauptmeister Rolfs, diesen modernen Robin Hood, nicht zur Serienfigur gemacht hat. Vielleicht, weil man kurz vorher schon Schimanski erfunden hatte, der ihm von der Attitüde und seinem Gerechtigkeitssinn her sehr ähnlich ist. Dafür bringt Löwitsch in seine Figur eine lakonische Abgeklärtheit ein, die Schimi nie gehabt hat.
„He’s a Man“, sang Mandy Winter im Titelsong über den Helden Peter Strohm. Man kann das auch über Löwitsch so stehen lassen und noch hinzufügen „He was an actor!“, und was für einer. Wenn es im deutschen Kino der 80er/90er den Genrefilm gegeben hätte, wäre er einer seiner größten Stars gewesen (warum spielte er nie in Grafs Filmen mit?). Demnächst muss ich mir „Space Pirates“ besorgen, eine italienische Science Fiction-Version der „Schatzinsel“ (!), in der er neben Ernest Borgnine und Anthony Quinn eine Hauptrolle spielt (!!).