Mit ‘Freitag’ getaggte Beiträge

Lesetipp: Das Leben in den Zeiten der Kohl-Ära

Veröffentlicht: 14. Juli 2011 in Lesetipp, Politik
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Vor der Schaffung des neuen, größeren Deutschland und dem Erwachen in Sozialabbau, Krieg und Krisen war die Bundesrepublik in einen langen Schlaf mit schweren Träumen gefallen. Man nannte diese Phase die „Ära Kohl“.

Georg Seeßlen im „Freitag“ mit einer brillianten Analyse des Phänomens Helmut Kohl, wie er unsere Gesellschaft geprägt hat, und der bangen Frage, ob Merkel nicht die Fortsetzung des Systems Kohl mit anderen Mitteln ist. Ich denk ja mittlerweile, dass die Regierung Kohl politisch fast noch harmlos war im Vergleich zu dem, was danach kam. Moralisch und habituell ging der Mann natürlich überhaupt nicht. Oder wie es neulich ein Anrufer bei WDR 5 ausdrückte: „Politisch mag er seine Verdienste haben, aber menschlich halte ich ihn für verabscheuungswürdig.“

 

 

Satz des Tages

Veröffentlicht: 5. Juni 2011 in Musik, Print
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Eine körperlose Bräsigkeit eignet dem Deutschen, wenn er sich singend zusammenrottet; eine Vorliebe für die einfachen Freuden der Funktionsharmonik, ein nicht zu hohes Tempo.

Diedrich Diederichsen in einem „Freitag“-Artikel über deutsche Arbeiterlieder.

„Überhaupt, das Rauchen und Trinken! Der ältere Kollege, nachdem er den ganzen Tag leidenschaftlich telefoniert (und geraucht) hatte oder mit der Schreibmaschine Briefe zusammengehackt, öffnete abends seinen Schrank, wo eine Selektion von Rotweinflaschen mehr über seine Einstellung zum Leben und Arbeiten aussagte, als es die heutigen aseptischen, mit Energiesparlicht abgetöteten Arbeitsplätze im Großraumbüro vermögen.“

Der Nachruf der ehemaligen FR-Redakteurin Ina Hartwig auf diese Zeitung im „Freitag“ ist eine herrlich melancholische Erinnerung an Zeiten geworden, von denen man sich gar nicht mehr vorstellen kann, dass es in Redaktionen wirklich mal so zuging. Rohrpost, Rauchen, Rotwein – und das alles noch 1997? Ich war eindeutig neun Jahre zu spät Praktikant bei der FR.

Ach ja, und R.I.P., liebe FR.

Satz des Tages

Veröffentlicht: 11. März 2011 in Print
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„Ich glaube, dass Muttersein keine Intelligenz voraussetzt, sondern hauptsächlich Entkleidung.“

Horst Eckert alias Janosch in einem auch ansonsten sehr launischen Interview mit dem „Freitag“.

KT zu Guttenberg: Berlusconismus light

Veröffentlicht: 3. März 2011 in Lesetipp, Politik
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„Immer muss man ihn zugleich bewundern und in Schutz nehmen; alles, was an ihm kritisiert werden kann, ist eine Gemeinheit seiner linken, intellektuellen Kritiker, die die Einzigartigkeit unseres Stars nicht ertragen. Der Politiker dieses Typs wird zu einer Popcorn-Variante des faschistischen „Führers“.Er erhält seine Zustimmung, wie medial diese auch immer manipuliert sein mag, nicht trotz, sondern gerade wegen seiner Verstöße gegen Gesetz und die fundamentalen Regeln von Stil und Anstand.“

Georg Seeßlen mit einem sehr treffenden Freitag-Artikel über postdemokratische Zustände, die nicht nur in Italien, sondern auch bei uns in Deutschland leider schon näher sind, als die meisten das wahrhaben wollen. Aber Hauptsache, die Kanzlerin ist weiterhin fest davon überzeugt, dass wir auf einem guten Weg sind…

Der „Erfolg“ der Jobcenter und ARGEN

Veröffentlicht: 6. Juni 2010 in Lesetipp
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Wieder mal ein „Freitag“-Artikel über eine Tatsache, die überall anders unter den Tisch gekehrt wird.

„Der ganze Kunstbetrieb ist so.

Dass man nicht über Geld spricht?

Man spricht nicht darüber, wieviel man verdient. Man spricht auch nicht darüber, wenn man kein Geld hat. Es ist immer alles okay.“

Die Künstlerin Lisa Jugert, die sich ihren Lebensunterhalt teilweise als Assistentin berühmterer Künstler finanziert, in einem Interview zur Selbst- und Fremdausbeutung, ohne die der Großteil der freien Kunstszene wohl nicht existieren würde.

„Der Freitag“ bringt heute zwei sehr lesenswerte Auszüge aus einem Sammelband mit Texten des 1993 gestorbenen Musikkritikers Jonas Überohr, der in den 70ern u.a. für die „Sounds“ geschrieben hat. In einem geht es um die Rolle des Kritikers im kapitalistischen System:

„Die Firmen, in Form ihrer bezahlten Beauftragten, scheinen sich einzubilden, Kritiker hätten die Funktion, ihnen die Werbesprüche für ihre Produkte zu liefern, da ihren eigenen Sprüchen sowieso keiner mehr glaubt. Die Unabhängigkeit des Kritikers kommt ihnen da gerade recht, hebt sie doch die Glaubwürdigkeit des Gesagten. Und so zeigt sich, daß genau dies im System der kapitalistischen Produktionsweise die Funktion des Kritikers ist: Reklame zu machen für die Produkte, die er kritisiert, indem er sie kritisiert. Und seine Unabhängigkeit, mit der er sein feuchtes Gewissen abtrocknet, geht in diesen Deal mit ein.“

Der andere Auszug schildert die Auswüchse des „Love ans Peace-Festivals“ auf Fehmarn 1970 und kommt zu einem ernüchternden Schluss über die 68er-Generation:

„Was bis heute als Underground, Gegenkultur oder Pop-Generation den Schein des Besseren an sich trug, entpuppt sich als Versagergeneration. Diese jungen Leute werden nichts verändern oder gar verbessern. Sie lassen alles mit sich machen und fühlen sich auch noch high dabei. Sie sind bravere Konsumenten als ihre sauberen gutgekämmten Altersgenossen, die gehorsam die vorgeschriebenen Laufbahnen der bürgerlichen Gesellschaft einschlagen.“

Muss mal das Buch auf meine Wunsch- bzw. Einkaufsliste setzen. (Liebe aber auch den „Freitag“ u.a. dafür, immer wieder solche interessanten Bücher auf zwei ganzen Seiten auszugsweise vorzustellen.)

Quo Vadis, „Freitag“?

Veröffentlicht: 24. Februar 2010 in Online, Print
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Heute stolperte ich im Internet zufällig über zwei Artikel zum Thema „Freitag“, die die Situation der Wochenzeitung sehr unterschiedlich erscheinen lassen: In einem schon etwas älteren Interview mit DWDL sprach Verleger Jakob Augstein über die Möglichkeiten, in Zukunft (u.a. im Internet) Einnahmen zu erzielen. Das klingt alles sehr vernünftig, zumal Augstein von seinen Paid Content-Plänen, die er vor einigen Monaten mal in der „Freitag“-Community zur Diskussion stellte, inzwischen wieder abgekommen zu sein scheint.

Ein weniger rosiges Bild zeichnet ein taz-Artikel über die Kündigung eines altgedienten Feuilleton- und Literaturredakteurs. Nach diesem Artikel will sich Augstein im April komplett vom Kiosk zurück ziehen. Der „Freitag“ soll dann nur noch im Bahnhofsbuchhandel zu kaufen sein. Das ist schade und zeigt, dass die finanzielle Lage doch schlechter zu sein scheint, als ich gedacht hätte. Nur über den Bahnhofshandel und die Webseite wird es sicher schwieriger sein, neue Abonnenten zu gewinnen, was doch wohl das vorrangige Ziel ist.

Die Kündigung von Ingo Arend und die geplante Halbierung der Literaturseiten schlägt natürlich auch in der „Freitag“-Community hohe Wellen. Ich persönlich muss sagen, dass mich die inhaltliche Entscheidung nicht besonders stört. Tatsächlich sind die Literaturseiten im „Freitag“ mit diejenigen, auf denen ich am wenigsten lese. Eine Seite statt zwei würde mir da völlig reichen. Dass man einen langjährigen Redakteur kündigt bzw. ihm eine freie Mitarbeit mit 2/3 Honorar anbietet, ist hingegen für eine linke Zeitung ziemlich bedenklich. Das Argument, er habe eh immer nur einen Pauschalistenvertrag gehabt – sei also defacto eh immer nur freier Mitarbeiter gewesen – ist auch nicht besonders tauglich. Eher wundert mich, dass beim „Freitag“ selbst (ehemalige) Ressortleiter nur als Pauschalisten beschäftigt sind.

Den Eindruck könnte man zumindest gewinnen, wenn man liest, dass die letzten Montag bei 3sat gestartete HBO-Serie „In Treatment“ nur den halben Marktanteil hatte, den 3sat sonst so durchschnittlich hat, nämlich nur 0,5 Prozent. In absoluten Zahlen machte das bei der ersten Folge 160.000 Zuschauer. Also eine vernichtend schlechte Quote.

Jetzt kann man von der Serie selbst halten, was man will. Ich fand die ersten Folgen z.B. ziemlich dröge, erst ab der sechsten fing es so langsam an, mich zu interessieren. Aber dass selbst das 3sat-Publikum nicht bereit zu sein scheint, einer anspruchsvollen US-Serie mit einer interessant klingenden Prämisse (kammerspielartig inszeniert, fast in Echtzeit, jede Folge auf einen Raum und zwei bis vier Personen beschränkt) eine Chance zu geben. Mal ehrlich: Was läuft denn sonst so um die Zeit bei 3sat? Tierdokus und merkwürdige Reportagen. Und am Samstag Theteraufführungen. Und die haben dann einen doppelt so hohen Marktanteil?

Vielleicht ist es wirklich längst so, dass sich alle, die an guten Serien interessiert sind, diese sowieso kurz nach der US-Ausstrahlung irgendwo herunter laden. Oder dass diese Menschen alle eine Allergie gegen Synchronisationen haben. Ich weiß es nicht. Für die Aussichten, dass vielleicht doch noch mal andere anspruchsvolle Serien ihren Weg ins deutsche Free-TV finden, ist das jedenfalls mehr als schlecht. Wobei ich mich echt frage, ob es unter den Sky-Abonnenten tatsächlich mehr Leute gibt, die solche Serien sehen wollen als unter den 3sat-Zuschauern. Anscheinend ja, denn dort laufen ja die ganzen Serien von HBO & Co.

Dabei kann man sich über das Marketing von 3sat eigentlich nicht beschweren: Die serienaffine Zielgruppe versucht man mit einem Blog zur Serie anzusprechen, im Internet kann man die Folgen auch sehen, allerdings nur während der TV-Ausstrahlung (was an den Rechten liegen dürfte). Außerdem hat der Serienstart Medienecho von ungewöhnlichen Seiten bekommen: WDR5 brachte eine Kritik dazu, ebenso „der Freitag“, also Medien, die normalerweise nicht über neue Fernsehserien berichten. Die registrieren das also durchaus, wenn ein Spartensender mit einer Sendung mal ungewöhnliche Wege geht. Nur der deutsche Zuschauer scheint sich mit dem Einheitsbrei aus Wintersport und Karneval zufrieden zu geben.