Ich habe endlich ein Kino gefunden, bei dem ich genau in die Zielgruppe zu passen scheine: Während ich in anderen Programmkinos meist einer der wenigen unter 50-Jährigen bin und bei meinen seltenen Verirrungen in ein Multiplex immer mindestens 15 Jahre über dem Altersdurchschnitt, sitze ich in der Black Box im Düsseldorfer Filmmuseum fast immer mit fünf, sechs anderen vereinzelten Männern zwischen 30 und 65 im Saal (manchmal ist auch eine vereinzelte Dame dabei), egal, welcher Film gezeigt wird.
Gut, bei einem Beitrag der Reihe „Facetten des erotischen Kinos“ (in der u.a auch Hardcore-Filme wie „Deep Throat“ liefen, Düsseldorf ist so reich, dass es so etwas mit Steuergeldern finanzieren kann) ist das natürlich weniger überraschend als etwa bei einem Kurosawa- oder Bergman-Film. Eine Dame war dementsprechend gestern auch nicht anwesend, als ich auf den Spuren meiner Jugenderinnerungen Walerian Borowczyks skandalumwitterten Klassiker „La Bete“ (F 1975) goutierte. Ich hatte in den vor bestimmt schon 20 Jahren mal zufällig reingezappt, als er im Fernsehen lief – und zwar ausgerechnet in die Szene, in der die Protagonistin gerade – in einer Traumsequenz -, tja, wie sagt man am besten, mit einem Monster schläft, wäre wohl etwas schräg – also: Sex mit einem Monster hat, oder besser gesagt: mit einem Tier, einer Mischung aus Bär und Wolf. Viel mehr war mir von diesem Film auch nicht in Erinnerung geblieben.
Borowczyk geht gleich in medias res: Das erste Bild zeigt den erigierten Schwanz eines Pferdes (wobei mit Schwanz jetzt tatsächlich nicht der Schweif gemeint ist). Kurz darauf kommt es zur Paarung mit einer Stute, wobei dem Zuschauer keine Nahaufnahme ersparrt bleibt. Pferdeporno könnte man das nennen; wenn’s jemand auf einem gängigen Sexvideo-Portal hochladen würde, würd’s vermutlich schnell wegen Verstoßes gegen die Strafgesetze gesperrt. Aber im Namen der Kunst ist vieles möglich, auch ein Pferdegesicht beim Orgasmus. Vielleicht etwas plump als Auftakt für einen Film.
Das Abdecken wird auf dem Sitz einer verarmten Adelsfamilie durchgeführt, deren Oberhaupt neue Hoffnung schöpft, bald aus der finanziellen Malaise herauszukommen. Schon reist nämlich eine junge Amerikanerin an, die ein Millionenvermögen erben wird, wenn sie der testamentarischen Auflage nachkommt, den Sohn des Adligen zu heiraten. Während sich diese Miss Broadhurst zunächst im wilden Teil des Schlossgartens verirrt und später in ihren erotischen Fantasien, setzt der Adlige alles daran, Hindernisse auf dem Weg zur Eheschließung zu beseitigen – was auch radikale Schritte nicht ausschließt.
Schon bald merkt nämlich die Besucherin, dass auf dem Schlossgelände einiges nicht ganz koscher zu sein scheint. Immer wieder findet sie Anspielungen auf eine Bestie, die hier umgehen soll und die körperlichen Freuden mit Menschen nicht abgeneigt zu sein scheint. Außerdem verhält sich ihr heimischer Verlobter mehr als merkwürdig… Schließlich steigert sich Miss Broadhurst in einen zunehmend ekstatischer werdenden (Tag-)Traum hinein, in dem sie zu barockartigen Spinettklängen im Schlosswald erst von der Bestie gejagt (die Gebrüder Grimm lassen grüßen) und schließlich bestiegen wird, wobei ihr letzteres dann doch noch so gut gefällt, dass sie Brüste, Hände und Füße einsetzt, um dem Tier zur Luststeigerung zu verhelfen.
Diese Traumsequenzen nehmen – mit Unterbrechungen – gut eine halbe Stunde des Films ein und dürften der eigentliche Grund sein, warum dieser bei seiner Veröffentlichung einen Skandal auslöste. Tatsächlich wirkt der Sex zwischen Frau und Raubtier auch heute noch ziemlich krass, auch wenn das Bestienkostüm klar als solches zu erkennen ist. Damals, in der Prä-CGI-Zeit, gab man sich mit sowas noch richtig Mühe und baute Kostüme mit hydraulisch ausfahrbaren und ejakulationsfähigen Plastikpenissen. (Ich würde hier ja gerne ein Video verlinken, weiß aber nicht, ob’s das bei YouTube gibt oder doch eher bei YouPorn.)
Aber auch vorher gibt es bereits einige Skurrilitäten zu entdecken: Borowczyk erweist sich als Meister der Groteske, der geschickt mit Stereotypen, Überzeichnungen und Wiederholungen spielt. So ruft der Hausherr immer gerade dann nach seinem (schwarzen) Diener, wenn der sich gerade mit der jüngsten Tochter des Hauses vergnügt, worauf die Arme dann gezwungen ist, das einmal Begonnene alleine zu Ende zu führen, zwecks dessen sie regelmäßig das Fußteil ihres Bettes besteigt. Der Film führt uns auch insofern zurück in goldene Zeiten, als dass damals noch nicht der Terror der Intimfrisur vorherrschte und deshalb selbst in den expliziten Szenen ein angenehmer Grad der Verdeckung gewahrt bleibt. Außerdem sprachen deutsche Synchronsprecher zu der Zeit noch Rollen sowohl in Kinofilmen als auch in Kindershows im TV, weswegen hier eben zum Beispiel der Chauffeur dieselbe Stimme hat wie Fraggle Bo.
Und ja, so etwas wie eine Aussage hat der Film auch („Nur wenig trennt den Menschen vom Tier, weswegen wir mühsam unsere animalischen Instinkte im Zaum halten müssen.“), aber ich weiß echt nicht, ob ihn sich derentwegen jemand anguckt. Als das, was er in erster Linie ist, nämlich als Erotikfilm mit grotesker, eben einmal nicht unfreiwillig, sondern bewusst komischer Handlung- oder wie die „New York Times“ schrieb, als „schmutzige[s] Gebräu aus Märchen, freudianischer Torheit und Eight-Avenue-Peepshow“ – funktioniert er hingegen überwiegend gut. Auch wenn ich keine Ahnung habe, was Mitte der 70er in diesen Peepshows so en vogue war. Der einzige Nachteil, wenn man Pornos um 18 Uhr im Filmmuseum guckt: Man muss danach noch an den Besuchern des nächsten Films vorbei. Wobei die folgende Doku über den mir gänzlich unbekannten Archtekten John Lautner ungefähr zehn Mal so viele Leute angezogen hatte. Es ist ein Jammer.