Mit ‘Zeitschrift’ getaggte Beiträge

Den Kinderschuhen entwachsen: Yps goes Neon

Veröffentlicht: 11. Oktober 2012 in Print
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Gediegenes Schwarz statt bunter Comicoptik: das neue Yps; Abb.: Egmont Ehapa

Seit Ehapa 1999 das kriselnde Yps von Gruner + Jahr gekauft hat, hat man viel mit dem Comicheftklassiker herumexperimentiert: erst heruntergewirtschaftet und nach gut einem Jahr eingestellt, 2005/06 einen ersten Relaunchversuch gestartet, zum zweiten Mal eingestellt – und nun versucht der Verlag es mit einem völlig neuen Konzept noch einmal. Heute liegt also Yps mit Gimmick 1258 an den Kiosken und es sieht komplett anders aus als alle seine Vorgänger.

Statt an die Kinder von heute wendet sich das neue Yps an die Kinder von damals, also an die, die in den 70ern und 80ern mit dem Magazin aufgewachsen sind. Denn Yps ist seit Jahren ohnehin ein Retro-Phänomen geworden wie MacGyver und der C64 (beide kommen dann sinnigerweise auch im neuen Heft vor). Ehapa appelliert mit dem neuen Testballon folgerichtig an die nostalgischen Gefühle der Altleser. In ironischer Anlehnung an Neon prangt auf dem Cover der abgewandelte Slogan „Eigentlich sind wir doch schon erwachsen!“. Ansonsten wirkt das Cover, das ganz ohne richtiges Titelbild und fast ohne Comicbezug auskommt, reichlich überladen und ziemlich spröde: Auf schwarzem Hintergrund werden kreuz und quer Themen aus dem Inhalt angepriesen. In der Ecke klebt dann noch das unvermeidliche Gimmick: die Urzeitkrebse samt Futter, die anscheinend bei keinem Relaunch fehlen dürfen.

Das Heft beginnt dann mit einer nostalgischen Strecke, die an das alte Yps und seine Leser erinnert: Auf vier Seiten gibt es einen informativen Rückblick auf die Geschichte des Magazins, danach Fotoeinsendungen alter Leser nach dem Motto „Vorher – nachher“, besonders gelungen ist eine Aufnahme einer Tanne aus einem Heft von 1981, die ihren Pflanzer inzwischen ums Fünffache überragt. Natürlich dürfen auch die unvermeidlichen Promis nicht fehlen, die zu ihren Yps-Erinnerungen befragt wurden. Insgesamt ein unterhaltsamer Einstieg ins Heft.

Ein echter Höhepunkt hätte das Interview mit dem langjährigen „Yinni und Yan“-Zeichner Heinz Körner werden können, leider zeigte der sich aber sehr wortkarg. Trotzdem lesenswert. Danach folgen einige neue (Kurz-)Comics, wovon der norwegische Familienstrip „Pondus“ und die neue Albenserie „Zombillenium“ überzeugen können. Im Anschluss folgt der Reportageteil: ein wenig informativer, aber angemessen launig geschriebener Artikel zur Frage, wie man als ehemaliger Yps-Geheimagent doch noch im richtigen Leben Spion werden kann, eine Reportage über die Suche nach Dinosaurierfossilien, ein Buchauszug eines echten Abenteurers und ein Rückblick auf den in den 80ern tobenden Kampf zwischen Spielkonsolen und Heimcomputern um die Vormachtstellung in den Kinderzimmern. Alles nicht weltbewegend, aber durchaus angenehm zu lesen. Überflüssig wirken hingegen die nun folgenden Fotostrecken mit Autos aus den 70ern/80ern und ihren heutigen Nachfolgemodellen sowie mit Zaubertricks. Auch die Modestrecke mit Yps, Kasper, Patsch und Willy hätte es nicht gebraucht, letztere sind aber wenigstens nett gezeichnet und wecken so noch einmal nostalgische Gefühle.

Wie natürlich auch die abschließende Comicstrecke mit Nachdrucken von Originalgeschichten aus dem alten Yps. Endlich hat es dabei auch das Yps-Fernsehteam „Yinni und Yan“ wieder ins Heft geschafft, der vielleicht größte Yps-Klassiker überhaupt. Die Serie war von Anfang an und bis kurz vor Schluss in (fast) jedem Heft vertreten und ist ohnehin ein zu Unrecht vergessener Schatz der deutschen Comicgeschichte. Die hier abgedruckte Episode aus der Hochphase der Serie (bevor Körner gezwungen wurde, seinen Zeichenstil immer mehr zu verkindlichen) gehört zwar nicht zu den besten, ist aber trotzdem sehr nett. Auch Peter Wiechmanns realistisch angelegter „Hombre“ kann in einer monochromatischen (braun-weißen) Fassung überzeugen.

Insgesamt hat die neue Redaktion vieles richtig gemacht: Die Comicauswahl ist wesentlich gelungener als beim letzten Relaunchversuch, sowohl die Klassiker als auch die Neuvorstellungen. In Artikeln und Rückblicken werden angenehme Kindheitserinnerungen geweckt, ohne dass man sich selbst und seine Generation zu ernst nehmen würde. Wirkten die vier Testausgaben von 2005/06 irgendwie lieblos zusammengeschustert, hat man diesmal offenkundig wesentlich mehr Gedanken und auch Liebe in das Heft einfließen lassen. Es reicht halt nicht, ein dünnes Heftchen mit einer neu gezeichneten Comicseite, ein, zwei kurzen Nachdrucken und ein paar willkürlich ausgewählten „modernen“ Einseitern zu füllen und auf den restlichen Seiten ein paar Wissensinfohäppchen zu präsentieren wie 2005 und dann zu hoffen, dass der Nostalgiefaktor alleine das Ding schon zu einem Selbstläufer machen wird. Zumal eine Kinderzeitschrift mit Nostalgiefaktor schon ein Widerspruch in sich ist, da den Kids von heute die Marke Yps überhaupt nichts mehr sagen wird.

Insofern ist die Neuausrichtung auf erwachsene Leser konsequent und wahrscheinlich die letzte Chance, das Magazin noch einmal dauerhaft zu etablieren. Die Frage ist nur, ob sich genügend groß gewordene Kindsköpfe oder im Herzen Kind gebliebene Erwachsene finden werden, die bereit sind, für ihre Jugenderinnerungen regelmäßig den doch recht hohen Coverpreis von 5,90 Euro zu bezahlen. Für die Zielgruppe der erwachsenen Comicleser ist der Comicanteil dann mit 25 von 100 Seiten doch zu gering und ob diejenigen, die mit Comics nicht mehr viel am Hut haben, für ein Retro-Lifestylemagazin mit Comicanteil knapp 6 Euro hinlegen wollen, bleibt fraglich. Das neue Yps konkurriert am Kiosk jedenfalls nicht mehr mit der Micky Maus und auch nicht mit dem schon vor 13 Jahren erfolgreich wiederbelebten ZACK, sondern mit anderen Nostalgiemagazinen wie „Kult“. Und der schnelle Tod von „Retro“ hat gezeigt, dass Nostalgie alleine für eine erfolgreiche Zeitschrift eben doch nicht reicht. Sollte Yps tatsächlich die Nr. 1259 erleben, wären ein größerer Comicanteil, etwas tiefgründigere Reportagen und dafür weniger Produktvorstellungen wünschenswert. Dann lasse ich mir mit dem endgültigen Erwachsenwerden vielleicht doch noch etwas Zeit.

In einem Radiobeitrag im „Zündfunk“ wurde sie diese Woche schon als neue TEMPO angekündigt, die deutsche Ausgabe von Andy Warhols legendärem „Interview“-Magazin. Im Gegensatz zu Meedia finde ich 6 Euro für 260 überformatige Seiten auch nicht „happig“, eher habe ich mich gefragt, wie sich das zu dem Preis finanzieren lässt. Die Antwort findet man, sobald man anfängt, das „Heft“ durch zu blättern: Schon nach etwas mehr als 50 Seiten findet sich der erste redaktionelle Beitrag, davor endlose Werbung. Von den Themen interessierte mich spontan ein einziges: Chloe Sevigny erzählt im Interview mit Sonic Youths Kim Gordon über ihre neue TV-Serie. Ansonsten die üblichen Sternchen allenthalben, und wenn ein Vorspann damit anfängt, dass Woody Allen Scarlett Johannson für die attraktivste Schauspielerin seit Marilyn Monroe hält, hätte ich schon keine Lust mehr, weiter zu lesen (ok, hätte ich bei der Dame ohnehin nicht).

Auf den ersten Blick wirkte das am Kiosk auf mich wie ein Magazin, auf das niemand gewartet hat. Jedenfalls nicht in dieser Form. Der TEMPO-Vergleich geht ja schon deshalb völlig in die Irre, weil die eben nie ein reines Promi-Lifestyle-Magazin war, sondern diese Themen mit ernsthaften Politik-Reportagen und soziokulturellen Essays mischte. Der Vergleich „frühe MAX“, den Meedia bringt, ist recht zutreffend: viele große Fotos von gut gekleideten hippen Menschen, wenig Gehalt. Die MAX war ja damit auch so wenig erfolgreich, dass sie in den nächsten Jahren ihr Konzept gefühlte fünf Mal völlig über den Haufen warf – was ihr am Ende auch nichts nützte. Mal sehen, wie lange „Interview“ durch hält.

Zwei Mal Philosophie am Kiosk

Veröffentlicht: 25. November 2011 in Print
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Ein "brand eins"-Klon? Philosophie-Magazin "Hohe Luft"

Gleich zwei Publikumszeitschriften zum Thema Philosophie sind diesen Monat neu auf den Markt gekommen. Das eine heißt auch schlicht „Philosophie“, wurde heute Mittag bei WDR5 ziemlich verrissen und sieht relativ populär aus, inklusive Richard David Precht. Das andere heißt „Hohe Luft“, erscheint im Verlag der „Emotion“-Herausgeberin und kommt zurückgenommener und wertiger daher, kostet dafür aber auch acht statt 5,90 Euro. Titelschriftzug und Covergestaltung ohne Abbildung erinnern stark an „brand eins“, das Papier ist dicker, das Magazin laminiert statt geheftet, das Layout luftiger, aber auch textlastiger. Da gibt es auch schon mal 12-seitige Artikel mit nur einem einzigen Foto. „Herzstück des Magazins sind lange Lesestücke“, so die Selbstdarstellung. Themen der Erst- (und Test-) Ausgabe sind z.B. “Steckt mein Geist im iPhone?” oder „Was macht mich zur Person?“ Wenn ich das Geld etwas lockerer sitzen hätte, hätte ich mich auf jeden Fall für dieses Heft entschieden. Eine Blattkritik gibt es bei W&V zu lesen.

 

Es tut sich was im Blätterwald der Comic-Szene

Veröffentlicht: 24. November 2011 in Print
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In den 90ern gab es teilweise fünf, sechs gleichzeitig erscheinende allgemeine Comic-Fachzeitschriften, also Magazine, die mehr oder weniger regelmäßig über Neuerscheinungen, Zeichner und Autoren oder Neuigkeiten aus der Verlagsbranche berichteten. Dazu kamen dann noch einige Titel, die auf bestimmte Teilaspekte der Comicszene spezialisiert waren. Nach und nach wurden fast alle der allgemeinen Magazine eingestellt, meistens nicht wegen sinkender Verkaufszahlen, sondern wegen anderer Prioritäten der Herausgeber. Übrig blieb eigentlich nur noch die altehrwürdige „Comixene“, die in den 70ern die erste Zeitschrift dieser Art im deutschsprachigen Raum war. In den vergangenen Jahren erschien sie aber immer seltener.

Umso überraschender, dass diese Woche nicht nur die „Comixene“ ein häufigeres Erscheinen zu einem günstigeren Preis angekündigt hat, sondern sich auch ein neuer Konkurrent angekündigt hat. Volker Hamann und Mathias Hofmann, die dieses Jahr bereits das neue (sehr empfehlenswerte) jährliche Handbuch „Comic Report“ gestartet haben, wollen ab nächsten Juni mit „Karacho“ ein neues dreimonatliches Sekundärmagazin herausgeben. Das könnte richtig gut werden, bringt Hamann doch bereits seit seinen Schülerzeiten vor 25 Jahren die meist monothematische „Reddition“ heraus, die zum Interessantesten gehört, was man auf Deutsch so über Comics lesen kann.

Thomas Kögel vom Online-Magazin „Comicgate“ hat den Machern der beiden Magazine jeweils einige Fragen gestellt. Schon interessant, dass es in unseren Medienwandelzeiten, in denen Print doch angeblich in den letzten Zügen liegt, immer noch Menschen gibt, die an solche Nischenmagazine glauben.

Das neue DUMMY – Ein beschissenes Heft

Veröffentlicht: 21. September 2011 in Print
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An ausgewählten Verkaufsstellen auch in Papiertüte erhältlich: DUMMY 32

Nicht etwa, weil es schlecht wäre, sondern weil das Thema diesmal tatsächlich „Scheiße“ lautet. Die schrecken echt vor nichts zurück, auch wenn potentielle Anzeigenkunden das Thema wohl nicht so prickelnd fanden, wie dem Editorial zu entnehmen ist. Ich find’s aber schon faszinierend, wie man aus Scheiße… äh, ich meine zu Scheiße ein ganzes Heft machen kann. Wie immer nehmen die Macher das Thema natürlich nicht immer ganz so wörtlich, sondern manchmal auch nur sinnbildlich, es geht also auch um Menschen in Scheißsituationen, Scheißversager, beschissene Liebhaber und Scheißwut. Aber eben auch um Latrinenleerer in Indien, den Inselstaat Nauru, der einst mit Vogelscheiße reich wurde (und sich danach quasi selbst ruinierte) und Künstler, die aus Scheiße Kunstwerke gemacht haben… oder Kunstwerke, die künstliche Scheiße herstellen.

Insgesamt wieder mal ein gelungenes Heft, auch wenn Zartbesaitete diesmal bei einigen Texten und vor allem Fotos vorsichtig sein sollten, dass ihre Perestaltik nicht in die andere Richtung arbeitet. Und das Titelbild hab ich erlich gesagt erst nach drei Tagen vertstanden (wobei ich mich immer noch frage, ob das nicht latent rassistisch, sexistisch oder beides ist).

Außen hui, innen pfui: Die deutsche WIRED ist da

Veröffentlicht: 9. September 2011 in Print
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Verspricht mehr als es halten kann: Cover der deutschen WIRED; Abb.: Condé Nast

Glaubt man den einschlägigen Medienseiten im Internet, hätten viele Deutsche schon lange darauf gewartet, dass es endlich eine deutsche Version der WIRED gäbe. Ich frag mich ehrlich gesagt, wer das gewesen sein soll: Die Hardcorenerds lesen wahrscheinlich schon längst die amerikanische oder die britische Ausgabe, die meisten anderen kennen das Magazin allerhöchstens dem Namen  nach. Seit gestern liegt die deutsche Ausgabe nun also am Kiosk, vorerst allerdings nur als Beilage zur GQ. Nachdem im Wired-Blog monatelang die Rede davon war, man könne beide Hefte nur zusammen erwerben, lese ich nun plötzlich, dass die WIRED nächsten Monat dann auch alleine am Kiosk liegt. Da ärgere ich mich erst mal, dass ich diesen Stapel Altpapier miterworben habe, der sich GQ nennt (von 300 Seiten gefühlte 150 Werbung und die Seiten dazwischen sind auch nicht viel interessanter).

Aber zur WIRED selbst: Die Titelthemen klingen zunächst einmal spannend: „Drogen shoppen im Web“ und „The Sexual Network“. Im Heft entpuppt sich erstere Geschichte gleich als doppelter Etikettenschwindel: Statt einer großen Reportage gibt es nur zwei Seiten, davon knapp eine mit Fließtext, und in weiten Teilen geht es gar nicht um kriminelle Aktionen im Netz, sondern nur um das Darknet, das nicht mit Google durchsucht werden kann. Ähnlich oberflächlich bleibt die Geschichte über das Online-Dating-Netzwerk Badoo, man erfährt eigentlich nichts wesentlich Neues. Christian Jakubetz‘ Artikel über die Mobilität der Zukunft ist zwar ausführlicher und solide, reißt mich aber auch nicht gerade vom Hocker. Das Stück könnte genau so auch im „Spiegel“ oder im „Stern“ stehen, nur dass da für weniger Geld dann noch eine Vielzahl weiterer gesellschaftspolitischer Artikel drinstehen.

Lesbar wird das Heft eh erst ab Seite 60 (von 130). Vorher gibt es allerlei nerdige Fotos und Grafiken zu sehen, an denen sich der Art Director zwar austoben durfte, die aber keinen besonderen inhaltlichen Mehrwert bieten. Die diversen Kolumnen sind ein Totalausfall. Mario Sixtus füllt eine Seite mit Allgemeinplätzen zum Thema technische Innovation, es folgen zwei Seiten mit Allgemeinplätzen zum Thema „Ich lagere mein Gehirn bei Google aus“, nach der dritten Kolumne habe ich aufgegeben. Wer wissen will, wie man eine gleichermaßen unterhaltsame wie tiefgründige Kolumne über Technik, Computer und digitale Welten schreibt, sollte mal alte „Tempo“-Hefte rauskramen. Da zeigte Peter Glaser das nämlich schon vor 25 Jahren, als es in Deutschland praktisch noch gar kein Internet gab.

Danach folgt das „Dossier“ zum Thema Geeks. Chefredakteur Thomas Knüwer steuert dazu eine Art Essay bei, der eher ein etwas lang geratener Blogartikel ist – nichts, was man nicht auch dutzendfach in der Blogosphähre lesen könnte. Internetguru Jeff Jarvis versucht auf vier Seiten etwas bemüht, Parallelen zwischen Buchdruck-Erfinder Guttenberg und den Steve Jobs von heute zu ziehen. Zwischendrin gibt es immer mal wieder hübsche grafische Ideen wie eine doppelseitige comichafte Darstellung des Oktoberfests oder eine Art Organigramm, das die vielschichtigen Beziehungen zwischen verschiedenen Marvel-Helden eher verschleiert als veranschaulicht. Überhaupt ist die Optik des Hefts weitgehend gelungen, manchmal etwas zu verspielt, aber insgesamt überzeugend. Nur finden sich unter der schillernden Oberfläche erschreckend wenig Inhalte. Längere Texte gibt es nur wenige und die lesen sich dann teilweise wie aus dem Lehrbuch für Journalismusschüler: eine wilde These, ein Treffen mit dem Firmengründer, denn noch ein Statement eines Experten. Von einem Magazin, dass innovativ sein will, erwarte ich ehrlich gesagt etwas mehr: eine originelle Schreibe, einen ungewöhnlichen Ansatz, Mut zur Provokation zum Beispiel.

Thematisch finde ich die Mischung der ersten Ausgabe durchaus ansprechender als das, was ich beim Durchblättern der englischsprachigen Versionen so gesehen habe. Insgesamt frage ich mich aber schon, wer das eigentlich regelmäßig lesen soll(te). Mir scheint, die herbeigeredete Zielgruppe der Geeks ist in Deutschland genauso klein wie die der einst von der deutschen „Vanity Fair“ heraufbeschworene der Mover und Shaker.

Niveauvolle Unterhaltung statt trockener Nachrichtenlektüre: "Moxxito"; Abb.: Carlsen Verlag

Comic-Magazine für Erwachsene haben in Deutschland keine richtige Tradition. Ganz anders als in Frankreich oder Belgien, wo es seit den späten 60er Jahren immer eine Vielzahl solcher Zeitschriften gegeben hat, die in einem Heft verschiedene Fortsetzungs- und Kurzcomics unterschiedlicher Zeichner präsentieren, darunter so langlebige und heute legendäre wie „Pilote“, „Metal Hurlant“ oder „A Suivre“. Die einzigen derartigen Magazine, die im deutschen Sprachraum über einen längeren Zeitraum erschienen sind, waren „Schwermetall“ und „U-Comix“ sowie bis heute das sehr avandgardistische Schweizer „Strapazin“. Seit einigen Jahren muss man sicher auch die Neuauflage von „ZACK“ dazu zählen, obwohl das ja lange Zeit hauptsächlich Serien abdruckte, die  ursprünglich mal für Jugendliche gedacht waren. Versuche, Magazine mit reinen Erwachsenenstoffen zu etablieren hingegen, hat es  auch hierzulande immer wieder gegeben, wurden aber meist nach wenigen Ausgaben wieder eingestellt. Das wohl beste dieser Projekte war „Moxxito“.

Es war 1988, als der Carlsen Verlag, damals noch unangefochtener Marktführer bei Buchhandels-Comicalben, den ambitionierten Versuch startete, ein ebenso niveauvolles wie unterhaltsames Comic-Magazin für ältere Leser zu lancieren. Mit einer Auflage von 20.000 Exemplaren wurde es nicht nur über die üblichen Vertriebswege für seine Alben angeboten, also über den Comicfach- und (Bahnhofs-)Buchhandel, sondern auch über normale Zeitschriftenläden. Wobei viele Händler wohl nicht wussten, ob sie das Heft neben dem „Playboy“ oder neben der „Micky Maus“ einsortieren sollten. Auf überformatigem Hochglanzpapier präsentierte Chefredakteur Andreas C. Knigge (damals auch Leiter des Carlsen-Comicprogramms) Fortsetzungs- und Kurzgeschichten europäischer Zeichner, darunter viele Newcomer. Das Themenspektrum reichte von Thrillern mit Insektenfiguren („Inspektor Gomina“) über Fantasy bis Erotik (allerdings viel dezenter als die berüchtigten Sexcomics in „Schwermetall“). Neben französischen, belgischen und spanischen Autoren kamen auch deutschsprachige zum Abdruck. Chris Scheuer, damals einer der aufstrebenden Stars der hiesigen Szene (obwohl Österreicher) lieferte mit „Sir Ballantime“ sicher eines der grafischen Highlights des Magazins.

„Moxxito“ bot aber noch mehr als bloß eine bunte Mischung meist guter bis sehr guter Comics. Auch der redaktionelle Teil konnte sich, im Gegensatz zu dem der meisten anderen deutschen Comic-Magazine, sehen lassen. Neben den üblichen Rezensionen aktueller Comics widmete man sich in regelmäßigen Kolumnen auch angrenzenden Medien wie (Unterhaltungs-)Literatur oder Spielfilmen (allerdings nur in Form von TV-Tipps). In der Rubrik „Creativ“ wurden nicht nur Comiczeichner vorgestellt, sondern auch mal ein Filmplakatmaler oder einer, der die Eingänge von Nachtclubs auf der Reeperbahn mit Ölgemälden verschönerte.  Und neben Berichten über einen Streik in den Disney-Studios oder die Rückkehr des Marsupilamis fanden sich auch welche über Profikiller, US-Geisterstädte und die moderne Piraterie. Teilweise waren diese Artikel ziemlich gut geschrieben, man merkte, dass Carlsen für das Heft richtig Geld in die Hand genommen hatte. Statt am Fanniveau etwa der gelegentlichen Artikel in „Schwermetall“ orientierte man sich journalistisch eher am „Stern“.  Knigge konnte sich hier als Blattmacher richtig austoben.

Seine Verdienste für die Etablierung des Comics als ernstzunehmende Kunstform in Deutschland kann man meiner Meinung nach ohnehin gar nicht hoch genug einschätzen: Er brachte mit der „Comixene“ in den 70ern die erste Fachzeitschrift heraus, die sich ernsthaft mit Comics auseinander setzte. Er baute in den 80ern maßgeblich das Erwachsenencomic-Programm des Carlsen Verlags auf. Und er scheiterte leider mit dem Versuch, ein intelligentes Magazin für erwachsene Comic-Freunde am Kiosk zu etablieren. Denn schon nach einem halben Jahr und sechs Ausgaben war schon wieder Schluss mit „Moxxito“.

Wahrscheinlich war es dann doch zu anspruchsvoll, zu elitär, um eine breite Masse anzusprechen. Zudem hatte sich Carlsen mit der viel zu hohen Auflage wohl kräftig verkalkuliert. Auch hatte man den Fehler gemacht, mit lauter ersten Alben neuer, unbekannter Serien in Fortsetzung zu starten, statt auf bekannte Namen zu setzen. Bezeichnend ist nämlich, dass auch die späteren Albenausgaben der „Moxxito“-Fortsetzungsserien im Carlsen Verlag fast alle nach ein oder zwei Alben wieder eingestellt wurden. Erst im letzten Heft hatte man mit Moebius, Bilal und Hermann eine ganze Reihe großer Namen ins Heft geholt. Aber da war es wohl ökonomisch schon zu spät. Da half es auch nicht mehr, dass „Der Spiegel“ laut einem „Moxxito“-Editorial das Magazin als  „savoir vivre für den intelligenten Comic-Freund“ geadelt hatte.

Carlsen versuchte es 13 Jahre später mit dem populäreren, eher auf eine jugendliche bis studentische Zielgruppe ausgerichteten Fantasy-Magazin „Magic Attack“ noch einmal auf dem Magazinmarkt, das sie nach 13 Ausgaben wieder einstellten. Immerhin muss man ihnen zu Gute halten, dass sie es zwei Mal versucht haben, und beide Male mit einem gut gemachten Produkt, während zum Beispiel Erzkonkurrent Ehapa nie den Mut aufbrachte, ein Erwachsenen-Magazin zu starten. Ambitioniert zu scheitern ist mir immer lieber als auf Nummer sicher zu gehen. Und „Moxxito“ sieht noch heute genauso aus, wie ich mir im Grunde ein solches Magazin wünsche. Selbst das Layout wirkt nach knapp 15 Jahren noch frisch und modern. Es war wohl einfach eine jener Zeitschriften, für die der Markt (noch?) nicht bereit war.

Das neue DUMMY zum Thema Freiheit ist seit vorletzter Woche draußen. Es ist wie fast immer wieder toll geworden, wenn auch diesmal etwas morbide. Neben einer laaangen Geschichte über einen abenteuerbesessenen Wildwasserfahrer, der auf seiner letzten Fahrt von einem Krokodil gefressen wurde, geht es gleich zwei Mal um Menschen, die ihrem Leben selbst ein Ende gesetzt haben. Zu Zeiten von Heinrich von Kleist und seiner Geliebten, die zusammen gestorben sind, hat man noch herrlich leidenschaftliche Abschiedsbriefe geschrieben, aber auch in der Stunde seines Todes noch die Regeln des Anstands gewahrt. So schreibt Henriette Vogel in ihrem Abschiedsbrief an ihre Freundin: „Herr von Kleist, der mit mir stirbt, küßt dir zärtlichst die Hände und empfiehlt sich mit mir aufs angelegentlichste Deinem teuren Mann.“ Ihr Geliebter, der ihre Freudin wohl gar nicht kannte, fügt am Ende noch hinzu: „Adieu, adieu! v. Kleist.“ Nicht etwa „Dein Heinrich“ oder einfach „Kleist“, nein „v. Kleist“. So viel Zeit musste damals sein, auch wenn man sich danach das Gehirn wegschießen wollte.

Der französische Anarchist Jacob schrieb hingegen 1954 einen ganz prosaischen, aber umso sympathischeren Abschiedsbrief: „Die Wäsche ist gewaschen, ausgespült und getrocknet, aber noch nicht gebügelt. Ich bin so faul. Entschuldigt. Neben dem Brotkorb findet ihr zwei Liter Rosé. Auf euer Wohl!“

Die neue „Spex“ habe ich hauptsächlich wegen einem Vergleich Vincent Gallo vs. Marlon Brando gekauft (der allerdings etwas enttäuschend war) und einem Bericht über experimentelles Fernsehen der 60er und 70er (Beckett, Zadek & Co.). Am Tollsten war aber letztlich eine Originalreportage aus den 40ern von New Journalism-Vertreter Joseph Mitchell über die New Yorker Calypso-Szene. Insgesamt fasziniert mich das Themenspektrum der „Spex“ immer noch. Von den vorsgestellten Musikern kante ich mal wieder niemanden, wollte auch eigentlich gar nichts davon lesen, bis ich die CD-Beilage gehört habe. Da sind einige echt gute Stücke drauf, und teilweise werden die Interpreten dann auch ausführlicher im Heft vorgestellt. So muss eine Musikzeitschrift sein: Lust machen auf neue Bands, von denen man noch nie was gehört hat. Ich weiß nicht, wann mir das das letzte Mal mit einer Band von einer „New Noises“-CD im „Rolling Stone“ passiert ist. Muss aber schon sehr lange her sein.

Nicht der RS, trotz Dylan auf dem Cover: Spex Mai/Juni 2011; Abb.: piranha media GmbH

Viele sagen ja, seit ihrem Umzug nach Berlin und dem Quasi-Rauswurf der alten Redaktion könne man die „Spex“ nicht mehr lesen. Ich sehe das eher umgekehrt: Wann immer ich früher in einem Café oder bei einem Freund in dem Heft geblättert oder mal einen Artikel gelesen habe, kannte ich keine der gefeatureten Bands, fand die Themen uninteressant und die Texte unleserlich. In letzter Zeit ist mit am Zeitschriftenregal schon mehrmals aufgefallen, dass mich die Themen mehr ansprechen. Nachdem ich mir neulich nun zum ersten Mal eine Ausgabe gekauft habe, muss ich sagen: Ich bin begeistert.

Von den vorgestellten Bands kenne ich zwar immer noch die meisten nicht (außer Duran Duran natürlich), aber die sonstige Themenmischung ist hoch interessant und die Texte größtenteils hervorragend geschrieben und angenehm tiefgründig: Klaus Theweleit über 60 Jahre Cahiers du Cinéma und die Nouvelle Vague, ein amerikanischer Filmkritiker über die Berliner Schule, das neue Dreiherfilmprojekt von Graf, Petzold und Hochhäusler, israelische Nazi-Porno-Romane, Mode & Politikerinnen, deutsche Musiker auf Truppenbesuch in Afghanistan, warum es keine Protestsongs mehr gibt, die Auswirkungen von AIDS auf Pornos usw. Die nehmen Popkultur wirklich in ihrer ganzen Bandbreite wahr und ernst. Der Schreibstil ist meistens  trotz aller theoretischen Tiefe angenehm lesbar. Was für ein Unterschied zu dem pseudosoziologischen Geschwurbel in der „Intro“! Selbst die Kritiken sind abwechslungsreich und teils witzig. Klaus Walter, einer meiner Lieblings-Musikjournalisten, darf auch schreiben (ist wohl von der „Intro“ rüber gewechselt?). Das Layout ist originell, aber nicht aufdringlich.

Das Schönste ist, dass man nebenbei noch Nachhilfe in Musikgeschichte bekommt und dazu ermuntert wird, mal im Netz nach vergessenen Perlen der Popmusik zu suchen. Selbst die CD ist das beste, was ich seit langem als Beilage in einer Musikzeitschrift gehört habe. Ist die „Spex“  jetzt immer so gut oder liegt’s diesmal an den Themen? Wenn’s so weiter geht, werd ich dem „Rolling Stone“ endgültig untreu.

.. der Hedonismus lässt sich in diesem Fall gut mit der Jobsuche vereinbaren. … Ich bin auf Facebook aktiv, ich treffe mich mit Leuten, ich saufe auch mit Leuten. Das ist ja im Kulturbereich viel effektiver als Bewerbungen zu schreiben, das weiß meine Arbeitsvermittlerin auch.

Heiko Gogolin, Ex-Chefredakteur des gerade eingestellten Spielemagazins GEE in einem höchst interessanten Interview (Arbeitssuche und Hedonismus? Irgendwas mache ich wohl falsch.)