Archiv für April, 2011

Eine bittersüße Ode an die Jugend: die britische Serie „Skins“

Veröffentlicht: 23. April 2011 in TV
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Unzertrennlich: Die Hauptcharaktere der ersten beiden Staffeln (jedenfalls die meisten)

Manchmal erwartet man von einer Serie erst einmal wenig bis gar nichts, weil alle Rahmenbedingungen zunächst gegen sie sprechen: eine Teenagerserie um eine Gruppe von Oberschülern, von einem kleinen britischen Digitalsender produziert, mit einem Haufen unbekannter Schauspieler in den Hauptrollen, die noch dazu selbst erst im Teeniealter waren. Und dann soll es noch hauptsächlich um die wilde Jugend gehen, wobei sich das wild vorrangig auf Drogenkonsum, Partys und Sex beziehen soll. Das klingt nicht unbedingt viel versprechend für Zuschauer, für die die eigene Schulzeit nur noch eine bestenfalls nostalgische Erinnerung ist.

Aber wenn man „Skins“ erst einmal eine Chance gibt, entdeckt man eine der fesselnsten und vielschichtigsten Serien der letzten Jahre überhaupt, die sich vor teuren HBO- oder AMC-Produktionen nicht zu verstecken braucht – gerade, weil sie so völlig anders ist als diese. Immerhin vier Jahre hat es gedauert, bis auch ein deutsches DVD-Label das gemerkt hat und so müssen deutsche Serienfans nun nicht mehr auf Importboxen zurück greifen, um die vielleicht beste High School-Serie aller Zeiten zu entdecken. Aber „Skins“ kommt ja aus dem UK, und da ist natürlich alles etwas anders. Deshalb heißt das Gymnasium hier auch nicht High School, sondern College, und statt aus der gehobenen Mittelschicht wie in den meisten US-Teeniedramen stammen dessen Schüler überwiegend eher aus der Arbeiterklasse.

Im Mittelpunkt der ersten beiden Staffeln steht eine achtköpfige Clique um den beliebten und erfolgreichen Tony, seine Freundin Michelle und seinen besten Freund Sid. Der ist ungefähr das Gegenteil von Tony: nicht besonders attraktiv, schlecht in der Schule, eher schüchtern und leicht trottelig. Bei den Mädchen kann er nicht landen, schon gar nicht bei Michelle, in die er mehr oder weniger heimlich verliebt ist. Wohingegen sich Tony durch alle Betten schläft. Aus der Dreiecksgeschichte wird bald eine Vierecksgeschichte, denn die magersüchtige Cassie verliebt sich in Sid, der aber zunächst nur Augen für seine angebetete Michelle hat. Komplettiert wird die Clique durch die schwarze Jal, eine begabte Klarinettistin, die unter dem Verschwinden ihrer Mutter leidet, den offen homosexuellen Maxxie, dessen bester Freund ironischerweise ausgerechnet der Muslim Anwar ist, und den chaotischen Partyhengst Chris, in dessen Kopf nur Platz für Drogen und Sex zu sein scheint.

Erst nach und nach wird klar, dass diese Figuren nicht annähernd so klischeehaft sind, wie es auf den ersten Blick scheint. Dank eines interessanten Erzählkonzepts, bei dem in jeder Folge eine andere Figur im Mittelpunkt steht – manchmal auch zwei –, bekommt jeder Charakter Gelegenheit, Tiefe zu entwickeln. So verstehen wir etwa Chris plötzlich viel besser, nachdem wir gesehen haben, welche familiären Umstände ihn zu dem gemacht haben, der er ist. Nebenfiguren werden für jeweils eine Folge pro Staffel zu Hauptfiguren, während die übergreifende Handlung um Tony, Sid, Cassie und Michelle im Hintergrund weiterläuft. Ein Konzept, dass an Edgar Reitz’ Meisterwerk „Die zweite Heimat“ erinnert, wo die Liebesgeschichte um Hermann und Clarissa als Rahmen diente für die Entfaltung der Vielzahl starker Charaktere in den einzelnen Folgen.

Abgesehen davon ist „Skins“ stilistisch und erzählerisch ungefähr das Gegenteil der „Heimat“-Filme oder auch gängiger Serien amerikanischer Pay-TV-Sender: Statt langsamen Erzähltempos jagt meistens eine Party die nächste, eine skurrile Situation folgt auf die letzte Enthüllung, Tragik auf Komik auf Dramatik. „Skins“ ist schnell, schrill, knallbunt und in Humor, Handlung und Sprache immer etwas over the top – ganz angemessen seinem Sujet Jugend. Wobei viele britische Zuschauer der Serie genau das vorgeworfen haben: Die Darstellung des Teenielebens habe nichts mit der Realität zu tun, in der es sich eben nicht nur um Sex, Drugs und Rave drehe.

Diese Kritik geht aber völlig am Gehalt der Serie vorbei: Natürlich ist sie übertrieben. Das Leben eines Jugendlichen in Bristol ist in Wirklichkeit wahrscheinlich über weite Strecken ähnlich langweilig wie das eines Mittdreißigers in Düsseldorf oder eines Rentners in Paris. Aber die Probleme, die die „Skins“-Protagonisten haben, die Dinge, die sie beschäftigen, haben nicht nur ihre Altersgenossen in New York oder Castrop-Brauxel, sondern sind auch für ältere Zuschauer universell nachvollziehbar: Erwachsenwerden, veränderte Beziehungen zu den Eltern oder das Leiden daran, dass diese nicht mehr da sind, die Angst, anders zu sein als die Anderen, die Suche nach Liebe und einem Platz im Leben. Dass sie all dies meistens mit einer rüden Sprache, mit dem Einwerfen aller möglichen legalen und illegalen Drogen und einer „Fuck you“-Attitüde zu überspielen versuchen, ändert nichts an ihrer Verletzlichkeit.

Vor allem aber ist „Skins“ auch eine Ode an die Freundschaft, an ein Gefühl von Zusammengehörigkeit, wie man es vielleicht nur in einer Phase seines Lebens erfahren kann. Trotz aller Unterschiede in Temparement, Charakter, Herkunft, Ethnie, Religion und sexueller Orientierung, trotz aller Konflikte und Konkurrenzen untereinander sind diese Jungs und Mädels vor allem eines: unzertrennlich. Sie teilen alles, von einem Platz auf der Couch nach einer durchzechten Nacht bis zu ihren tiefsten Gefühlen. Ihre Freundschaft ist wahrhaft bedingungslos. Wer ernsthaft behauptet, hier ginge es nicht um Werte, hat die Serie vermutlich nie länger als zehn Minuten gesehen. Nur sind es vielleicht nicht die Werte der Elterngeneration. Dabei schafft „Skins“ wie kaum eine andere Serie den Spagat, sowohl die jugendliche Zielgruppe als auch ein erwachseneres Publikum anzusprechen und emotional zu berühren. Vielleicht gelingt das, weil ihre beiden Erfinder, Brian Elsley und Jamie Brittain, selbst Vater und Sohn sind. Angeblich erzählte letzterer seinem Vater, einem etablierten TV-Autor, seine Serienidee am Küchentisch. Brittain war Anfang 20, viele der Mitautoren waren selbst noch Teenager. Ebenso wie die Schauspieler, anders als in vergleichbaren US-Serien, wo Oberschüler meist von Mitte 20-Jährigen dargestellt werden, wie selbst im hervorragenden „Freaks and Geeks“.

Überhaupt die Schauspieler: Wenn man bedenkt, dass außer vielleicht Tony-Darsteller Nicholas Hoult, den man als 13-Jährigen aus „About a Boy“ kennt, aber hier kaum wieder erkennt, niemand professionell diesen Beruf ausübte, sind ihre Leistungen absolut erstaunlich. Fast alle Hauptakteure agieren dermaßen natürlich und vielschichtig, dass man sich fragt, warum die Pfeifen aus „Glee“ mit Golden Globes ausgezeichnet wurden und sie nicht.

Obwohl das Budget laut Brittain sehr niedrig gewesen sein soll, sieht man das der Produktion an keiner Stelle an. Bildgestaltung, Schnitt, Einsatz von Musik beweisen eine unfassbare Souvarenität im Einsatz filmischer Mittel: Sie sind innovativ, ohne die Handlung zu überfrachten. Obwohl nie namentlich erwähnt, wird Bristol zum heimlichen Hauptdarsteller der Serie, eine Stadt, die zugleich natürlich völlig austauschbar ist. Zunehmend gewinnen auch Popsongs aller Art an Bedeutung für die Unterstreichung von Emotionen. Anders als in US-Produktionen wie „Grey’s Anatomy“ kleistern sie aber nie die Szenen zu, sondern bleiben immer angenehm zurückhaltend. Meistens handelt es sich um unbekannte Lieder, wenn nicht gerade Sid & Co. im brillianten ersten Staffelfinale wie in einem Musical unvermittelt anfangen, Cat Stevens’ „Wild World“ zu singen.

Beginnt die erste Staffel schon gut, steigert sich die Serie in Episode 8 und 9 und insbesondere in der zweiten Staffel noch gewaltig. Wie hier ernste Themen wie Essstörungen, psychische Probleme, Teenagerschwangerschaften etc. behandelt werden, wie trotz aller Ernsthaftigkeit der oft haarsträubende Humor nie zu kurz kommt, das hat man selten gesehen. Und der Einfall, ausgerechnet den so selbstbewussten wie egozentrischen Tony, der in der ersten Staffel seine Freunde manipuliert, wie es ihm gefällt, in der zweiten all seiner Selbstsicherheit zu berauben und ihn durch einen unvorhersehbaren Zwischenfall um Jahre zurück zu werfen, ist fast schon genial.

Zum Konzept der Serie gehört auch, dass immer 16-18-jährige Schüler im Mittelpunkt stehen. Deshalb tauschen die Macher alle zwei Jahre den kompletten Hauptcast aus. Am Ende der zweiten Staffel heißt es also Abschied nehmen von diesen Charakteren, die einem innerhalb von nur 19 Folgen so ans Herz gewachsen sind. Lediglich Tonys jüngere Schwester, die geheimnisvoll-exaltierte Effy, bleibt weiterhin dabei. Um sie formiert sich dann in der dritten Staffel eine neue Clique. Die Ur-„Skins“ zerstreuen sich aber in Folge 19 nach dem Abitur in alle Himmelrichtungen. Auch das wie im richtigen Leben: So nah man sich auch in der Schulzeit gestanden hat, selten ist eine solche Freundschaft von Dauer. Wobei die Autoren keine endgültigen Auflösungen geben, viele Handlungsstränge und Beziehungskonstellationen offen lassen. Es bleibt der Fantasie der Zuschauer überlassen, wie es nach dem Abi mit den Figuren weitergeht.

Für den Channel 4-Digitalableger E4 war „Skins“ 2007 ein Wagnis – und ein großer Erfolg. Bisher fünf Staffeln, eine Anfang dieses Jahres bei MTV gestartete US-Version – die trotz Abmilderung gleich empörte Elternverbände mit Zensurforderungen auf den Plan rief –, und ein Image als Sender für hippe Jugendserien. Letzters baute er mit „Misfits“ aus, einer ebenso abgefahrenen Fantasy-Serie um Straftäter in ihren 20ern, die es ohne den Erfolg der Vorgängerserie sicher nie gegeben hätte. In Deutschland können wir währenddessen weiter nur von solchen gleichermaßen innovativen wie tiefgründigen Serien träumen. Bei uns heißen Schulserien „Dr. Specht“ und fast alle deutschen TV-Autoren würden sich wohl den rechten Arm abreißen, wenn sie einmal solche Drehbücher schreiben könnten. Rule Britannia!

„Überhaupt, das Rauchen und Trinken! Der ältere Kollege, nachdem er den ganzen Tag leidenschaftlich telefoniert (und geraucht) hatte oder mit der Schreibmaschine Briefe zusammengehackt, öffnete abends seinen Schrank, wo eine Selektion von Rotweinflaschen mehr über seine Einstellung zum Leben und Arbeiten aussagte, als es die heutigen aseptischen, mit Energiesparlicht abgetöteten Arbeitsplätze im Großraumbüro vermögen.“

Der Nachruf der ehemaligen FR-Redakteurin Ina Hartwig auf diese Zeitung im „Freitag“ ist eine herrlich melancholische Erinnerung an Zeiten geworden, von denen man sich gar nicht mehr vorstellen kann, dass es in Redaktionen wirklich mal so zuging. Rohrpost, Rauchen, Rotwein – und das alles noch 1997? Ich war eindeutig neun Jahre zu spät Praktikant bei der FR.

Ach ja, und R.I.P., liebe FR.

Blogtipp für Fans von Minderheitenserien

Veröffentlicht: 13. April 2011 in Online, TV
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Ich muss mal das TV & Radio-Blog des Guardian empfehlen. So was gibt es ja in Deutschland gar nicht: dass eine große Tageszeitung auf ihrer Webseite regelmäßig über aktuelle TV-Serien schreibt, und zwar nicht nur über in ihrem eigenen Land produzierte, sondern auch über solche von amerikanischen Pay-TV-Sendern. Für alle, die Serien von HBO, AMC & Co. und welche von BBC, Channel 4 etc. lieben, ist dieses Blog eine tolle Anlaufstelle. Zurzeit begleiten die AutorInnen u.a. wöchentlich die britische TV-Ausstrahlung von Treme und, ganz neu seit letzter Woche, Rubicon. Und zu letzterer Pilotepisode gibt es dann auch bereits mehr als 70 Kommentare.  Wer also noch vorhat, diese insgesamt doch empfehlenswerte Serie anzuschauen: Jetzt wäre ein guter Zeitpunkt dafür. Empfehlenswert ist übrigens auch das Episodenblog zu allen vier bisher produzierten Mad Men-Staffeln.

Die Grenze zu Gentrifikan

Veröffentlicht: 8. April 2011 in Allgemeines
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… verläuft ungefähr 300 Meter von meiner Wohnung entfernt. Und das beste daran ist: Ich bekomme im Alltag gar nichts davon mit. Ich wohne ja in Düsseldorf-Friedrichstadt, allerdings nur jeweils wenige Meter entfernt von den Stadtteilen Bilk und Unterbilk. Im Volksmund fasst man das Ganze aber eh unter Bilk zusammen; wo genau die Grenzen da verlaufen, ist mir meist auch nicht so ganz klar. Neulich habe ich in Wohnungssuchzetteln an Laternenpfählen gelesen, dass manche wohl sogar noch zwischen Friedrichstadt-West und -Ost unterscheiden. Der Mensch wollte jedenfalls nur in -West wohnen, in -Ost wohnen wahrscheinlich die Schmuddelkinder (Ich vermute mal, Ost geht mehr in Richtung Hbf, wo ich ja auch schon mal gewohnt habe.).

In letzter Zeit ist mir mal wieder klar geworden, wie gerne ich eigentlich in Friedrichstadt/Bilk wohne (nicht auf dieser Straße, aber das liegt ausschließlich am Verkehrslärm). Einerseits gibt’s hier genügend Kulturangebote, nette Kneipen und Cafés und den Fürstenplatz, an dem man im Sommer wunderbar rumsitzen kann (auch wenn sich dort insbesondere nachmittags rund um den Spielplatz teils absurde Szenarien auftun, wenn die Kindertreffs Spielzeug verleihen; dann ist nämlich der ganze Platz inklusive Gehweg von Hüpfbällen, Rollern und Gocarts aller Art sowie Stelzen und blauen Plastikpferden überschwemmt). Außerdem ist der urige Volksgarten (und die Düssel!) mit dem Rad nur fünf Minuten entfernt. Andererseits sind Friedrichstadt und Bilk noch erfreulich wenig gentrifiziert. Mit Ausnahme einiger schicker-micker Cafés ist hier noch ein buntes Gemisch aus allen sozialen Schichten und Nationalitäten unterwegs.

Ganz anders sieht es da schon 300 Meter weiter aus, im Herzen Unterbilks. Wo ich aber nur selten hinkomme. Tatsächlich wusste ich bis vor zwei Wochen nicht mal, wo die berühmte Lorettostraße ist, die selbst die FAZ neulich entdeckt hat. Sagen wir mal so: Da hatte ich auch nichts verpasst. Die Straße inklusive Neben- und Seitenstraßen erinnert nämlich eher an Prenzlauer Berg, wie man immer darüber liest. Friseursalons heißen dort „Handwerk“, Restaurants „Menta – Mediterrane Speisen“ oder „D’Vine“ und die Kindermodeläden, die es gefühlt in jedem dritten Haus gibt, z.B. „Tim & Lucy“. Außerdem gibt es gefühlt an jeder Ecke einen Italiener und auf dem Friedensplätzchen (übrigens direkt am Hauptsitz meiner ehemaligen Berufsschule) mehrmals in der Woche einen Bauernmarkt. Da kaufen dann die ernährungsbewussten Eltern ein, die vermutlich auch im „Emma’s“ ihr Frühstück mit „Biobrot, Biowurst“ und Bionade einnehmen.

Ich kann mir vorstellen, dass es sich in diesem Viertel wunderbar wohnen lässt – so lange man das nötige Geld hat, und möglichst kleinere Kinder. Wenn es einem finanziell eher schlecht geht, man gar arbeitslos ist oder „auf Hartz IV“, kann das Leben dort wahrscheinlich eher zur Qual werden. Genauso, wenn man kinderloser Single ist oder etwas ähnlich asoziales. All die hippen jungen Eltern um einen rum, die mit der einen Hand ihren überdimensionalen Kinderwagen schieben, der manchmal eher wie ein Kleinwagen aussieht, und mit der anderen auf ihrem iPhone rumtippen oder telefonieren. Die ihren Tim oder ihre Lucy zum Spielplatz oder ins Szenecafé karren, aber trotzdem noch Zeit für ihren kreativen Job haben und natürlich mit Mitte 30 noch die gleichen coolen T-Shirts tragen wie mit 13 (nostalgisch verklärte TV-Sendungen, Bands, Brandt-Zwieback). Die vor lauter Latte Macchiato-Schlürfen gar nicht mehr wissen, wie man sich einen Kaffee kocht. Und die für alle, die beim Aldi einkaufen (müssen) bestenfalls ein bedauerndes Lächeln übrig haben (wenn nicht völliges Unverständnis).

Ein Spaziergang nach Unterbilk ist für mich wie ein Ausflug in eine andere Welt, ein Paralleluniversum, das nur 300 Meter entfernt beginnt. Wenn ich an der Friedrichstraße ankomme, fühle ich mich dann wieder heimisch. Und bin trotz Schlafens mit Ohrenstöpseln froh, dass ich auf dieser Seite der unsichtbaren Grenze wohne.

Zu dieser Frage brachte die taz in ihrer letzten Wochenendausgabe einen höchst interessanten vierseitigen Artikel. Der Journalist Sebastian Heiser recherchierte dazu verdeckt und gab sich bei einigen großen und kleineren Zeitungen und Zeitschriften als Anzeigenvermittler aus, der Anzeigen gegen wohlwollende redaktionelle Beiträge „tauschen“ wollte. Wie die einzelnen Anzeigenabteilungen reagierten und was dagegen die jeweiligen Chefredakteure der Titel zur Trennung von Anzeigen und redaktioneller Berichterstattung in ihren Medien sagen, lässt sich auch im taz-Rechercheblog nachlesen.

Interessanterweise sind die Rechercheergebnisse mit Ausnahme des Spiegels nicht etwa so, wie man erwartet hätte: Während BILD und Handelsblatt solche Koppelgeschäfte ablehnten, sind es ausgerechnet „linke“ Zeitungen wie die Frankfurter Rundschau und das Neue Deutschland, die mit am weitgehendsten bereit sind, sich „redaktionelle Beiträge“ bezahlen zu lassen. Am lustigsten sind die Äußerungen des ND-Anzeigenverkäufers. Der scheint nämlich nicht viel von seinen Kollegen in der Redaktion zu halten. So sei „der Autoredakteur ein großer Stinker […], der es schon fertig gebracht hat, unseren fast einzigen Autokunden so richtig mies runterzumachen redaktionell.” Am liebsten ist es ihm dann folgerichtig auch, wenn die bezahlende Firma ihre Artikel gleich selbst schreibt.

Das sei leichter, als einen Redakteur dazu zu bekommen, einen Text auf Bestellung zu schreiben: “Die fangen eben vielleicht auch noch an zu meckern und sagen: Darüber wollte ich jetzt aber gerade nicht schreiben.” Diese Redakteure “sind ja Künstler”, sagt er, und verdreht die Augen.