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Das Jahr, in dem wir alle in Quarantäne gingen

Veröffentlicht: 20. Dezember 2020 in Uncategorized
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Das wohl seltsamste und leider auch schlechteste Jahr, das ich bisher erlebt habe, neigt sich dem Ende zu. Was soll in den verbleibenden Tagen im Quasi-Totallockdown noch groß kommen? Also kann ich auch jetzt schon ein Fazit ziehen. Ganz ehrlich, hätte ich mich Mitte März in einjährigen Winterschlaf begeben, ich hätte nichts verpasst.

Es war das Jahr, in dem alles, was mir Spaß macht, die meiste Zeit über nicht möglich war oder jedenfalls nicht unter Bedingungen, unter denen es auch wirklich Spaß gemacht hätte (wenn man jetzt mal von so Sachen absieht, die man alleine zuhause machen kann, wie Comics lesen und Musik hören). Dabei habe ich, als die Maßnahmen zwischenzeitlich gelockert wurden, fast alles wieder gemacht, was ich sonst auch unternehme: Ich war dreimal im Kino, davon zwei Mal mit Mundschutz während des Films, auf einigen Trödelmärkten, natürlich mit Mundschutz, einmal am Badesee, dort sogar weitgehend ohne Mundschutz, außerdem regelmäßig in Buch- und Plattenläden und im Sommer fast jeden Tag im Straßencafé. Alles fast immer alleine. Das Meiste davon mache ich auch sonst überwiegend alleine, aber es war trotzdem nicht dasselbe. Ich fühlte mich meist so wie die Protagonistin des Christiane-Rösler-Lieds, die versucht, ihr Leben trotz schmerzhafter Trennung weiterzuleben: „Ich war im ‚Wrestler‘ und im ‚Knochenmann‘, ich war mit Benno Führmann in Afghanistan. Ich war mit Mausi Lugner auf dem Opernball…“ Ich war überall, aber es fühlte sich an, als würde man durch ein Surrogat der echten Welt laufen, einer fast perfekten Illusion wie in „Welt am Draht“. Aber eben einer, in der dann doch etwas nicht stimmte, eben nicht normal war. Man konnte die Gesichter der Menschen oft nur noch halb sehen, blickte über seine eigene Maske wie durch einen Schleier. Bei jeder Bahnfahrt und im Supermarkt wurde man über Lautsprecher ermahnt, sich an Regeln zu halten, als habe nach Monaten immer noch nicht jeder mitbekommen, was los war. Das Lachen der Kinder wirkte naiv, das Geschwätz der Erwachsenen, die zu Zweit oder in Gruppen unterwegs waren, aufgesetzt. So, als wisse jeder, dass das AKW in der Nähe schon längst explodiert war, sich aber niemand traue, das auszusprechen.

Ich hatte noch nie das Problem, zu viele soziale Kontakte zu haben, und in den vergangenen Jahren wurden es ohnehin immer weniger. Aber auch noch staatlich verordnet zu bekommen, möglichst keine Freunde zu treffen, war dann doch noch mal ein paar Stufen heftiger. Die privaten Treffen in diesem Jahr kann ich an weniger als zehn Fingern abzählen. Was auch damit zu tun hat, dass einige Leute, mit denen ich mich normalerweise verabrede, ihre Wohnung am liebsten gar nicht mehr verlassen wollten. Um mich herum ging hingegen das Leben zumindest für einige Monate im Sommer wieder seinen scheinbar normalen Gang. An den Tischen neben mir saßen die Menschen meistens zu Zweit, auch beim Shoppen sah man mehr Paare und Gruppen als Einzelne. Freundinnen fielen sich zur Begrüßung in die Arme, auch erwachsene Kinder und ihre Elternteile, wo man doch quasi jeden Tag im Radio eindringliche Appelle hörte, Körperkontakte zu vermeiden. Mit der Schwarzen Pädagogik der 50er Jahre meinte die Kanzlerin ja noch erst vor ein paar Tagen, wer jetzt viele Leute treffe und danach zu Weihnachten die Großeltern besuche, sei selbst Schuld daran, wenn die Oma das nächste Fest nicht mehr erlebe.

Arbeiten konnte ich den ganzen Frühling und Sommer über auch nicht, da Arbeit mit Menschen erst verboten war und dann an fehlenden Räumen scheiterte. An den paar Tagen, wo ich doch unterrichtete, war ich so nervös, dass ich mehr damit beschäftigt war, meine Nerven in den Griff zu bekommen. Ausgerechnet, als die Infektionszahlen wieder anstiegen, wurden die Kurse, mit denen ich meinen Lebensunterhalt bestreite, endlich fortgesetzt. Und meine Tage gleich wieder gecancelt, da nun nach der neuesten Verordnung in zwei Räumen parallel unterrichtet werden musste, diese aber gar nicht zur Verfügung standen. Ein anderes neues Engagement mit einem Online-Kurs ging komplett in die Hose. Auch eine – im Grunde einleuchtende – Erkenntnis: Wenn man mit Menschen arbeitet, sollten diese auch körperlich anwesend sein. Der andere Kurs, erst vor ein paar Wochen wieder aufgenommen, machte wesentlich mehr Spaß, obwohl es für niemanden befriedigend sein kann, wenn der Lehrer zwischen zwei Räumen hin und her wechseln muss. Aber zumindest ist ein menschlicher Austausch möglich, ein halbwegs „normales“ Miteinander trotz Maske und Abstandsregeln. Doch auch der ist jetzt auf unbestimmte Zeit wieder verboten, denn über Nacht war schon der nächste Lockdown da.

Anders als im Frühling, wo man noch die Hoffnung hatte, es gehe schnell vorbei, außerdem die Natur erblühte und man bei jeden Tag schönem Wetter seine Zeit auch alleine gut im Freien verbringen konnte, kommt jetzt noch das schlechte Wetter, die ständige Dunkelheit und der übliche Winterblues hinzu. Das Jahr ohne Konzerte, ohne Reisen, ohne Comicbörsen, ohne Straßenfeste, ohne Körperkontakte endet nun auch noch ohne Cafébesuche, ohne Kino, ohne Shoppen. Und mit zweifelhafter beruflicher Zukunftsperspektive. 2020, du kannst mich mal, aber sowas von.

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Die Liebenden: Murphy (Karl Glusman) und Elektra (Aomi Muyock)

Am Anfang des neuen Films von Gaspar Noé steht eine dieser bei 3D-Filmen üblichen Einblendungen: „Das Management warnt…“. Aber es folgt dann nicht etwa ein Hinweis für Epileptiker und andere Übersensible, sondern gewarnt wird nur, dass man jetzt schleunigst seine Brille aufsetzen sollte, da der Film in wenigen Sekunden beginne. Worauf sich dieser Einstiegsgag bezieht, erfährt man dann später, wenn man an der Wand in Murphys Zimmer ein altes Plakat zu „Frankenstein in 3D“ hängen sieht, auf dem „das Management“ tatsächlich vor dem Effekt warnte, den das technische Verfahren für Menschen mit „nervösen Nerven oder Magen“ haben könne.

Das Schlafzimmer der Hauptfigur sehen wir abwechselnd in zwei Zeitebenen: Als er es noch mit seiner großen Liebe Elektra teilt, ist es chaotisch und eklektisch: Überall liegt Wäsche herum, offene Weinflaschen und Tassen stehen auf Anrichten, die Wände sind übersät mit privaten Fotos, Szenenfotos und Postern von Trash- und Kunstfilmen von Pasolini bis „Frankenstein“. Später, wenn seine Gelegenheitsbekanntschaft Omi bei ihm eingezogen ist und die beiden (ungewollt) ein Kind miteinander haben, ist von der alten Unordnung nichts geblieben, das Zimmer kaum wiederzuerkennen. Lediglich die alte Stehlampe ist brav in die Ecke gewandert, ein Bild mit einer Figur aus „Freaks“ ist das letzte Überbleibsel aus alten Zeiten, das an der Wand überdauert hat und an das alte Leben erinnert.

So eingehegt wie das jetzt spießig wirkende Schlafzimmer fühlt sich auch Murphy, gefangen in seiner neuen Beziehung, ein Mann, der alles verloren hat, das ihm wirklich etwas bedeutete. Der kleine Sohn ist der einzige Grund, warum er überhaupt noch da ist. Murphys früheres Leben bestand aus künstlerischem Ehrgeiz, Träumen von einem wilden, kreativen Leben, Drogenexperimenten – und aus Elektra, der Liebe seines Lebens. Jetzt ist da nur noch Leere und Routine. Als Elektras Mutter ihm am Neujahrsmorgen eine verzweifelte Mailbox-Nachricht hinterlässt, weil ihre Tochter seit drei Monaten verschwunden ist, gerät Murphy in einen Strudel der Erinnerung an die gemeinsame Zeit. Noé erzählt die Beziehung annähernd rückwärts chronologisch, wenn auch nicht ganz so konsequent wie in seinem bekanntesten Film „Irreversibel“.

Neu ist, dass die einzelnen Stationen überwiegend durch Sex abgebildet werden. Gleich in der ersten Szene befriedigen sich die beiden Liebenden ausgiebig gegenseitig oral. Wie etwa schon in Michael Winterbottoms „9 Songs“ haben die Darsteller echten Sex und der ist teilweise recht explizit, dabei aber immer ästhetisch und natürlich. Das beginnt schon damit, dass wir hier keine ausrasierten Geschlechtsteile präsentiert bekommen, sondern „echte“ erwachsene Menschen. Durch betont kitschig-romantische Musik wird die Darstellung zusätzlich künstlerisch überhöht. Mit der Zeit suchen Murphy und Elektra immer neue, zunehmend gewagtere sexuelle Erfahrungen, erst beim Dreier mit der Nachbarin Omi, dann im Swingerclub und schließlich sogar mit einer Transsexuellen. Der Beziehung ist das eher abträglich, ebenso wie der zunehmende Konsum härterer Drogen. Am Ende steht die Trennung, nachdem Murphy auch zu Zweit noch einmal mit Omi geschlafen hat und die dabei schwanger wurde.

Aber da das Ende hier der Anfang ist, steht am Ende des Films noch die schüchterne erste Begegnung Murphys mit Elektra, im Pariser Lieblingspark der Beiden, wo sie aber gleich die großen Fragen des Lebens diskutieren. „Hast du Angst vor dem Tod“, fragt er. „Ich habe Angst vor Schmerzen“, antwortet sie. „Ich würde mich lieber vorher umbringen, als unter Schmerzen zu sterben.“ Ob Elektra wirklich Suizid begangen hat, erfahren wir nicht.

Gaspar Noé ist der Gegenwartsregisseur, der am stärksten die Tradition des Mitternachtskinos aufrecht erhält, das einst der junge David Lynch oder Russ Meyer prägten. Seine Filme sind jedes Mal wie ein Trip, körperlich erfahrbar gemachte Emotionen. Dabei ist ihm nichts Menschliches fremd, er geht auch dahin, wo es weh tut. „Love“ mögen viele als Arthouse-Porno abtun, als belangloses Beziehungsdrama, dessen Dialoge (zumindest in der nicht besonders guten deutschen Synchro) tatsächlich oft an Softpornos erinnern. Aber diese Kritiker haben Noé nicht verstanden. Ihm geht es immer um das große Ganze, um den Widerstreit zwischen inneren Dämonen und dem Reinen, Wahren, Schönen im Menschen. Mit der Vision eines wahren Künstlers setzt er das in Bilder um, die es sonst nicht (mehr) auf der Kinoleinwand zu sehen gibt. Alleine das ist schon ein Grund, sich seine Filme dort anzusehen. Er versteht es in den Zeiten des formelhaften Arthousekinos wirklich noch zu überraschen und innovativ zu sein.

Auf das 3D hätte man sicher auch verzichten können, andererseits ermöglicht das einige an den Vorgänger „Enter the Void“ erinnernde Szenen von hypnotischer Schönheit. „Love“ ist teilweise höchst erotisch, teilweise abstoßend, manchmal enervierend (und sicher eine halbe Stunde zu lang) und dann wieder traurig und berührend – eben ein Wechselbad der Gefühle, wie das Leben selbst. Wenn Murphy und sein kleiner Sohn sich am Schluss in der Badewanne in den Armen liegen, beide weinend, und der Vater dem Kind sagt, dass das Leben nicht leicht sei, kann man das kitschig finden – das wäre aber zynisch.

Die goldenen Zeiten der reißerischen Videocover (und der falschen Anglizismen)

Die goldenen Zeiten der reißerischen Videocover (und der falschen Anglizismen)

Vier Figuren: Inge (Marlen Diekhoff), eine toughe Frau, die es geschafft hat, sich in dem Männergeschäft Erotikbar als Chefin durchzusetzen. Die ihren Job nicht aus Perspektivlosigkeit macht, sondern weil er ihr Spaß macht. Heinz (Peter Franke), ihr Typ, ehemaliger Fußballprofi, „um den sich die Vereine gerissen haben“, und dann ging das Bein kaputt und er fing an zu saufen, bis die letzte Kohle weg war – und die letzte Hoffnung auch. Ferdi (Peter Gavajda), sein Kumpel, ein Großmaul, hat ständig halblegale und illegale Geschäfte laufen, aber das „große Ding“, von dem er träumt, das kommt nie. Rosa (Catrin Striebeck), eine Animierdame in Inges Bar, dem „Mau Mau“, ist auf ihren Typen „Ali“ wütend, wenn der sie schlägt, fickt auch gerne mal einen Anderen, kehrt aber doch immer wieder zu ihm zurück.

Ihr Lebensmittelpunkt, ihr zweites Wohnzimmer, ist das „Mau Mau“, eine Bar mit Strip-Tanz in St. Pauli, die schon mal bessere Zeiten gesehen hat: „Früher hatten wir 1a-Publikum, jeden Abend war’s voll“, erinnert sich Inge. Jetzt laufen hier jede Nacht nur noch dieselben abgerissenen Gestalten ein und der Vermieter will den Laden bald zumachen, weil die Provision nicht mehr stimmt. Da er aber auch ein Auge auf Inge geworfen hat, hofft die, man könne gemeinsam einen neuen, moderneren Club aufmachen.

Uwe Schrader war einer der deutschen Regie-Hoffnungsträger der 80er Jahre, einer, der einen eigenen Stil hatte, der nichts mit dem glatten Unterhaltungskino der Emmerichs und Petersens zu tun hatte, aber auch wenig mit dem verkopften Ansatz des Neuen Deutschen Films von Wenders und Co. Nach drei Filmen, die auf drei internationalen Festivals Erfolge feiern konnten, war plötzlich Schluss. Schrader übernahm eine Filmprofessur und drehte danach nichts mehr. Mit seiner Art Kino konnte man schon damals kein Geld verdienen. „Mau Mau“ ist sein bislang letzter Film, nach Berlin-Kreuzberg in „Kanakerbraut“ und dem Ruhrgebiet in „Sierra Leone“ beendete er seine „Proletariertrilogie“ in St. Pauli. Auch hier treffen einheimische Gelegenheitsgauner und Armutsmigranten auf engstem Raum aufeinander, und natürlich Frauen aus dem Rotlichtmillieu: Tänzerinnen, Prostituierte, Barbetreiberinnen. Wobei es meist die Frauen sind, die ihre Arbeit selbstbewusst ausüben („Ich hab mich schon als Kind gerne ausgezogen“, sagt die Strip-Tänzerin Doris einmal), während die Männer ständig zwischen Selbstzweifeln und überzogenen Plänen hin und her schwanken.

Allen voran Heinz, der sich nicht so recht eingestehen will, dass seine besten Jahre unwiderbringlich hinter ihm liegen, der immer noch denkt, es müsse doch irgendwann noch mal bergauf gehen. Seiner Inge hat er nie verziehen, dass sie ihn mal kurzzeitig verlassen hat, kommt doch nicht von ihr los und ist nur dann ganz bei sich selbst, wenn er auf der Straße einen Ball von spielenden Jungs vor die Füße bekommt.

Schrader erzählt das alles ganz unsentimental, aber auch ohne sich über seine Figuren lustig zu machen oder zu erheben. Solche Typen findet man wahrscheinlich noch heute überall in Deutschland, wenn man mal die gentrifizierten Ecken der Großstadt verlässt und dahin geht, wo ehemalige Arbeiterviertel eben keine Gründerquartiere geworden sind, sondern eher Arbeitslosenviertel. Aber dieses (West-)Deutschland, das er hier noch einmal eingefangen hat, kurz nach der Wiedervereinigung, das gibt es vermutlich auch auf der Reeperbahn nicht mehr. Allein die Fotos der Drehorte, die Schrader auf seine Homepage gestellt hat, erzählen ganze Geschichten vergangener Zeiten, die trotz aller Schäbigkeit wenigstens noch Charme hatten.

Obwohl Schrader gerne mit Fassbinder verglichen wurde, hat seine Inszenierung doch gar nichts von der laienhaften Künstlichkeit, mit der der seine Protagonisten in Szene gesetzt hat. Hier laufen Schauspieler, die man sonst nur aus den üblichen Fernsehrollen kennt, zu großer Form auf. Verletzlich, ja, aber auch alles Andere als Opfer – höchstens ihrer selbst. Die Kamera, die Schnitte, die Dialoge – alles ist präzise und wirkt genau durchdacht. Dabei so realistisch, dass die Gemachtheit nie ins Auge springt. Oft fühlt man sich an die Säufer- und Loser-Geschichten Jörg Fausers erinnert, an die selbsternannten Schriftsteller und Gangster, deren gute Vorsätze für den Tag doch schon am Vormittag beim ersten Bier im Frankfurter Wasserhäuschen wieder scheitern, denn wenn man einmal angefangen hat zu trinken, welchen Sinn hat es dann noch, wieder damit aufzuhören, bevor es Nacht wird?

Am Ende feiern alle Mitarbeiter und Stammgäste den letzten Abend im „Mau Mau“, Nina Hagen singt noch einmal ihre schräge deutsche Version von „My Way“ und dann schlägt Heinz den Pelzkragen an seinem Mantel hoch und tritt auf die Straße – die Lichter gehen aus. Danach kamen die Gentrifizierung und das deutsche Eventkino. Das „Mau Mau“ kann man dank Zweitausendeins jetzt auf DVD wieder besuchen.

Das Internet – unendliche Weiten… Es ist schon faszinierend, dass es im Netz praktisch nichts gibt, was es nicht gibt. Hier zum Beispiel zwei alte Sendeschemen des 1Live-Vorgängers WDR 1: von 1988-1991 und von 1991 bis zur Ein- bzw. Umstellung im März 1995. Als besonderes Schmankerl kann man sich auf ersterer Seite sogar Eingangsjingles bzw. Titelmelodien legendärer Sendungen wie „Flipp-Zeit“ oder „Schlagerrallye“ (damals noch mit -ye) anhören.

Nicht nur, dass das alles vor den Zeiten der durchformatierten Begleitwellen war, in denen auch noch völlig abseitige Sendungen wie „Schwingungen“ einen Platz hatten: Es gab auch noch keine einheitlichen Senderjingles, die vor jeder Sendung praktisch gleich klingen. Jede Show hatte ihr eigenes, unverwechselbares Intro (manche hatten auch einfach gar keins, sondern begannen schlicht mit der ersten Platte), das reichte von 12 Sekunden beim Jugendmagazin „Riff“ bis zu unglaublichen 1:44 bei „Sport und Musik“.  Ah, those were the days, my friends, they’ll never come back…

Wen interessiert, was aus Wolfgang Roth geworden ist: Das Schicksal hat er echt nicht verdient. Erst Radio Berg, dann Rollstuhl…

„Der ganze Kunstbetrieb ist so.

Dass man nicht über Geld spricht?

Man spricht nicht darüber, wieviel man verdient. Man spricht auch nicht darüber, wenn man kein Geld hat. Es ist immer alles okay.“

Die Künstlerin Lisa Jugert, die sich ihren Lebensunterhalt teilweise als Assistentin berühmterer Künstler finanziert, in einem Interview zur Selbst- und Fremdausbeutung, ohne die der Großteil der freien Kunstszene wohl nicht existieren würde.

„Der Freitag“ bringt heute zwei sehr lesenswerte Auszüge aus einem Sammelband mit Texten des 1993 gestorbenen Musikkritikers Jonas Überohr, der in den 70ern u.a. für die „Sounds“ geschrieben hat. In einem geht es um die Rolle des Kritikers im kapitalistischen System:

„Die Firmen, in Form ihrer bezahlten Beauftragten, scheinen sich einzubilden, Kritiker hätten die Funktion, ihnen die Werbesprüche für ihre Produkte zu liefern, da ihren eigenen Sprüchen sowieso keiner mehr glaubt. Die Unabhängigkeit des Kritikers kommt ihnen da gerade recht, hebt sie doch die Glaubwürdigkeit des Gesagten. Und so zeigt sich, daß genau dies im System der kapitalistischen Produktionsweise die Funktion des Kritikers ist: Reklame zu machen für die Produkte, die er kritisiert, indem er sie kritisiert. Und seine Unabhängigkeit, mit der er sein feuchtes Gewissen abtrocknet, geht in diesen Deal mit ein.“

Der andere Auszug schildert die Auswüchse des „Love ans Peace-Festivals“ auf Fehmarn 1970 und kommt zu einem ernüchternden Schluss über die 68er-Generation:

„Was bis heute als Underground, Gegenkultur oder Pop-Generation den Schein des Besseren an sich trug, entpuppt sich als Versagergeneration. Diese jungen Leute werden nichts verändern oder gar verbessern. Sie lassen alles mit sich machen und fühlen sich auch noch high dabei. Sie sind bravere Konsumenten als ihre sauberen gutgekämmten Altersgenossen, die gehorsam die vorgeschriebenen Laufbahnen der bürgerlichen Gesellschaft einschlagen.“

Muss mal das Buch auf meine Wunsch- bzw. Einkaufsliste setzen. (Liebe aber auch den „Freitag“ u.a. dafür, immer wieder solche interessanten Bücher auf zwei ganzen Seiten auszugsweise vorzustellen.)

In meinem alten Blog hatte ich vor eineinhalb Jahren schon mal über die Debütausgabe des feministischen Popkulturmagazins „Missy“ geschrieben. Seitdem scheint sich das Magazin mit einer Druckauflage von 20.000 Exemplaren, von denen laut Mediadaten mehr als die Hälfte verkauft werden sollen, mehr oder weniger etabliert zu haben. Aber was hat sich inhaltlich getan, hat sich die Zeitschrift inzwischen weiter entwickelt, haben die Macherinnen aus den Fehlern der ersten Ausgabe gelernt? Zeit, die neueste, gerade erschienene Ausgabe mal etwas genauer unter die Lupe zu nehmen.

Kate Nash als Covergirl: die besprochene "Missy"-Ausgabe

Seite 8/9: Den Sinn dieser Umfragen mit Fotos der Befragten und jeweils ein, zwei Sätzen Zitat zu einer vorgegebenen Frage (hier: „Wann hast du das letzte Mal öffentlich geweint?“) habe ich schon in „Neon“ & Co. nie verstanden.

S. 12/13: Ein Bericht über eine französiche Philosophin, die die These aufstellt: „Nicht mehr der Mann ist der schlimmste Unterdrücker der Frau, sondern das Kind.“ Interessant, und eine angenehme Gegenposition zum allgemeinen Stillterror anderer Medien und den Gesprächen, die man manchmal so auf dem Spielplatz mitbekommt.

S. 16/17: Rubrik „Das andere Geschlecht“, die einzige, in der regelmäßig Männer vorgestellt werden. Warum das immer übliche Verdächtige sein müssen, wie diesmal der Musiker Patrick Wolf, der sich gerne schminkt und einen „queeren Lebenstil“ pflegt, ist mir nicht einsichtig. Muss mann sich schminken, um Feminist sein zu können?

S. 18-24: der erste Höhepunkt des Heftes: ein Foto-Dossier über Alltagsleben in Palästina plus Interview mit der jungen deutschen Fotografin. Ausdrucksstarke, klischeefreie Fotos und ein interessantes ergänzendes Interview.

S. 33-42: Eine lange Thememstrecke zum Revival der Handarbeit und des DIY (auch) unter Feministinnen. Hab zum ersten Mal das Wort „Crafting“ gelesen. Grundsätzlich sehr interessantes Thema, weil neu und ungewöhnlich und mit reichlich diskursivem Potential (Selbstermächtigung vs. Selbstausbeutung, Wohlstandshobby vs. ausgebeutete Sweat Shop-ArbeiterInnen in China und Bangladesch etc.). Der einführende Text ist leide etwas zu trocken geraten, sehr gut hingegen das Interview mit der Historikerin und Ökonomin, die vier Seiten Bastelanleitungen (u.a. eine Lego-Brosche) sind zwar stellenweise ganz witzig, aber auch ein wenig überflüssig. Auf S. 41 wird ernsthaft dazu geraten, ein Fanzine mit Hilfe von Schere und Klebstoff zu erstellen. Haben die Betreiberinnen von „Grassrootsfeminism.net“ noch nichts von Computern und DTP-Programmen gehört? Selbst der Pfarrer bastelt seinen Gemeindebrief doch heutzutage nicht mehr per Hand!

S. 42/43: ein Advertorial, also eine als red. Beitrag aufgemachte Anzeige zur „bebe Generation Fashion WG“, einer fragwürdigen PR-Aktion, bei der minderjährige Mädels zwei Wochen in einer hippen Wohnung in Berlin einquatiert werden und z.B. eine „Limited Edition Handtasche“ für adidas designen dürfen. Dabei werden sie glaube ich noch von Webcams beobachtet, was aber nicht in dem Text drin steht.

Also, das geht in einem ernstzunehmenden feministischen Magazin irgendwie gar nicht, da die Zielrichtung der PR-Aktion und des -Artikels so ziemlich allem zuwider läuft, was die Haltung der Zeitschrift ausmacht. Ich verstehe ja, dass Werbung wichtig fürs Überleben ist, aber doch bitte nicht um jeden Preis. Also: Meinetwegen Advertorials, meinetwegen normale Anzeigen über Bebe, aber nicht so ein Thema in dieser Form.

S. 44: die 18-jährige Jugendmeisterin im Turmspringen erklärt, wie man ohne Angst und Verletzungen vom 10er springt. Lebenshilfe nicht nur für Frauen (ich trau’s mich trotzdem weiterhin nicht) – sympathisch.

S. 46/47: eine von zwei regelmäßigen Rubriken für TV-Serien-Nerds: Das Rezept zur Serie. Sympathisch.

S.48-52: Interview mit Kate Nash. Jo, kann man machen, muss man aber nicht.

S. 55-63: der unvermeidliche Modeteil – kann ich in keiner Popkultur- oder Lifestylezeitschrift was mit anfangen.

S. 66/67: „Drei neue Bücher zeigen, wie die Rede von der vermeintlichen Selbstermächtigung uns in Wahrheit nicht stärkt, sondern schwächt.“ Sehr interessanter Beitrag zur Diskussion, ob sich Feminismus nicht eh erledigt hat.

S.74/75: Einer der besten Beiträge kommt ganz unspektakulär daher: die Geschichte einer Frauen-Beat-Band aus Liverpool aus den 60ern: die „Liverbirds“. Solche Geschichten möchte ich in so einer Zeitschrift viel mehr lesen!

S.76-81: das Sex-Ressort, teilweise ganz lustig (S. 76), die beiden ganzseitigen Anzeigen könnten auch in der „alley Cat“ oder im „Playboy“ stehen.

S. 82-97: der „Edutainment“-Teil, auf deutsch: Rezensionen. Mein altes Problem: Ich lese ungerne mehr als ein, zwei Plattenkritiken am Stück. Die Filmauswahl ist ganz interessant: „Das Fischkind“ hätte ich gerne im Kino gesehen, lief aber nirgends, „Mammut“ würde ich mir gerne ansehen. Schön, dass auch Comics und Fanzines besprochen werden.

S. 98: Zum Ausklang ein recht unlustiger Comic von der gerade auch in der Comicszene und im Feuilleton sehr gehypten Ulli Lust.

Gesamteindruck: insgesamt auch für einen Mann recht interessante Lektüre, gutes, klares Layout, abereine etwas merkwürdige Ressorteinteilung und etwas wenig Popkultur. Von den sechs Ressorts haben im Grunde vier nichts mit Pop zu tun. Von einer „feministischen Spex oder Intro“ erwarte ich eigentlich viel mehr Texte über MusikerInnen, Filmschaffende, Computerspielentwicklerinnen und Comiczeichnerinnen.

Das zweite Problem: Die meisten Texte sind viel zu kurz, gehen nicht wirklich in die Tiefe. Richtig gut wird „Missy“ immer dann, wenn die Artikel mal länger als zwei Seiten sind, und die Themen (gesellschafts-)politisch: Mädchenbeschneidung, Frauen im Gefängnis, der „Crafting“-Text. Das sind dann Artikel, die mir als Mann eine neue Sichtweise auf bestimmte gesellschaftliche Probleme oder Phänomene eröffnen, und die ich mit Gewinn gelesen habe. Ansonsten gibt es mir in „Missy“ aber leider zu viel Häppchenjournalismus. Weniger (Themen/Rubriken) und dafür längere Texte wäre da mehr.

Mein dritter Kritikpunkt ist ein grundsätzlicher, der an die Frage anknüpft, die mein Freund Olsen hier neulich in den Kommentaren zum „Trip“-Artikel aufgeworfen hat: Ist die Idee, eine Frauenzeitschrift zu machen, nicht generell schon sexistisch? So weit wie Olsen würde ich jetzt nicht gehen, aber ist sie nicht zumindest kontraproduktiv? Warum macht ihr statt „Popkultur für Frauen“ nicht einfach „Das feministische Magazin für Popkultur-Fans“? Da würden die Männer sich auch nicht so komisch vorkommen, wenn sie euer Heft kaufen wollten.

Damit ihr mich nicht falsch versteht: Ich finde es gut, dass „Missy“ von Herausgeberinnen gemacht wird, dass die Perspektive überwiegend weiblich ist und dass starke Frauen im Mittelpunkt der Berichte stehen. Trotzdem frage ich mich nach wie vor, warum nicht auch mal der ein oder andere Artikel über interessante Männer vorkommt. Ich glaube einfach nicht, dass es keine männlichen Kulturschaffenden gibt, die nicht für feministische Frauen interessant wären. Macht doch mal was über die Entwicklung von John Lennon vom Macho zum Feministen dank Yoko Ono (oder hinterfragt, ob er denn wirklich so feministisch geworden ist, wie er behauptet hat) oder, wie schon eine Leserin vorgeschlagen hat, über Joss Whedon, der ja angeblich immer so emanzipierte Frauenfiguren für seine TV-Serien schreibt. Nur so als Beispiele.

Grundsätzlich ist eine Zeitschrift wie „Missy“ natürlich sehr wichtig, und im Gegensatz zu den ganzen marktforschungserprobten Ungeheuern der Großverlage wie „Beef“, „Business Punk“ und „Gala Men“ ist dem Heft anzumerken, dass es einem inneren Bedürfnis der Macherinnen entspringt, dass hier wirklich Herzblut drin steckt. Die ganze Attitüde und die Grundhaltung, eine Art unverkrampfter Feminismus, gepaart mit selbstironischem Nerdtum, ist mir sehr sympathisch. Dass das eine Zielgruppe moderner junger Frauen anspricht, wundert mich nicht. Wenn’s jetzt noch etwas tiefgründiger und der Schwerpunkt mehr auf Pop und Politik und weniger auf Style und Bastelanleitungen wäre, würd ich mir das Magazin auch mal öfter kaufen.

Für alle, die noch keine Mail von mir bekommen haben: Vor einigen Tagen ist SPEKTAKEL, mein neues Online-Stadtmagazin für Düsseldorf und Wuppertal online gegangen. Die Idee dahinter ist, ein lokales bzw. regionales Magazin zu machen, das sich von dem Einheitsbrei des Lokaljournalismus in den Tageszeitungen und deren Online-Portalen abhebt. Es sollen Themen angesprochen werden, die dort eher wenig bis gar keinen Platz bekommen, aus einer sozialen und jungen Perspektive. Das Magazin soll mal nicht die Generation 50+ ansprechen, wie das im Lokaljournalismus ja leider üblich ist, sondern in erster Linie die Jüngeren und Mittelalten. Ein bisschen ist das Ganze auch daraus geboren, dass ich ein klassisches „alternatives“ Print-Stadtmagazin wie den früheren Düsseldorfer „Überblick“ oder die Kölner „Stadt-Revue“ heute in D’dorf und W’tal schmerzlich vermiss(t)e.

Im Moment ist die Seite noch sehr Düsseldorf-lastig, ich hoffe und denke aber, dass in den nächsten Wochen auch der eine oder andere interessante Artikel mit Wuppertaler Thematik hinzu kommt.  Themenvorschläge sind ebenso wie Feedback natürlich immer willkommen.

Hannelore, geh doch nach drüben!

Veröffentlicht: 22. Mai 2010 in Politik, Uncategorized
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Die taz bringt es mit ihrer heutigen Titelüberschrift  mal wieder auf den Punkt: „DDR rettet Rüttgers“. Dazu liefert sie interessante Einblicke in die gescheiterten Sondierungsgespräche zwischen SPD, Grünen und Linken:

„Sowohl die Thematisierung des FDJ- und KPD-Verbots in den fünfziger Jahren als auch des „Radikalenerlasses“ in den Siebzigerjahren in der BRD stieß bei SPD und Grünen auf blankes Unverständnis. Sie konnten oder wollten nicht nachvollziehen, dass es sich hierbei um weit mehr als eine vermeintlich relativierende „Retourkutsche“ handelte. Nicht nur dass etliche heutige Linkspartei-Mitglieder selbst einst von der skandalösen Berufsverbotepraxis betroffen waren: Es ging für die Linkspartei um ihre Verpflichtung denjenigen gegenüber, in deren politischer Tradition sie sich im Westen versteht. Für ein Delegationsmitglied ist das auch eine ganz persönliche Frage: Zu den tausenden Kommunisten, die während der Adenauer-Ära wegen ihrer Überzeugung in den Knast gesteckt wurden, gehörte auch der Vater…“

Frank Walter Steinmeier zeigt sich unterdessen in Interviews „erleichtert“, dass es nicht zu rot-rot-grün in NRW kommt. Welchen Grad an Realitätsverlust diese Partei inzwischen erreicht hat, ist wirkllich bemerkenswert: erleichtert, dass seine eigene Parteifreundin nicht Ministerpräsidentin wird und statt in einer Koalition  mit einer 12- und einer 5-Prozent-Partei einen Großteil ihrer Ziele durchsetzen zu können, nun als Juniorpartner einer 35-Prozent-Partei so gut wie keine.

Spätestens jetzt müsste jedem Wähler klar sein, dass jede Stimme für die SPD eine verlorene Stimme ist. Die Partei merkt nicht einmal, dass sie überhaupt nicht mehr politikfähig ist. Die CDU schafft es hingegen zum dritten Mal in Folge, dass ein eigentlich abgewählter Ministerpräsident im Amt bleiben kann: Koch, Müller, Rüttgers – es finden sich immer genug Vernagelte bei SPD und Grünen, um den eigenen Mann über die nächste Legislaturperiode zu retten.

Der Trend zum Retrotrend

Veröffentlicht: 21. Mai 2010 in Print, Uncategorized
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In letzter Zeit schießen die Magazine aus dem Boden, die sich den kultuellen Erscheinungen der Vergangenheit verschrieben haben: „Retro“, eine Art Computermagazin für Intellektuelle, gibt es ja schon länger, vom „Good Times“-Ableger „Kult“ ist vor Kurzem die zweite Ausgabe erschienen, ebenso von „Retrotrend“.

Zeitschrift für intellektuelle Computerspielfreunde: "Retro"

Während „Retro“ im Segment der Computerzeitschriften das gleiche ist wie „brand eins“ bei den Wirtschaftsmagazinen oder „11 Freunde“ bei den Sportzeitschriften, also ein Magazin, das das jeweilige Themengebiet von seiner soziokulturellen Seite betrachtet und damit Intellektuellen eine Alternative zu den Bleiwüsten der anderen Zeitschriften des jeweilgen Segments bietet, kommen die beiden Neuerscheinungen profaner daher.

Debütausgabe mit Winnetou und Asterix: "Kult"

„Kult“ präsentiert so eine Art „das Beste aus den 60er, 70er und 80er Jahren“, wie es bei den ganzen Dudelradiostationen immer heißt: von deutschen Softpornos der 70er über Comics der 50er bis zu Bands der 60er Jahre, wobei das Magazin vom Layout und den Texten teilweise eher wie ein Fanzine wirkt. Der Autor, der im ersten Heft über Comics schrieb etwa, schien nicht wirklich tiefergehende Kenntnisse von seinem Themengebiet zu haben, waren da doch einige vermeidbare Fehler in seinen Artikeln.

Debütausgabe mit alten Tapes: "Retrotrend"

Wesentlich professioneller kommt „Retrotrend“ daher: Hochglanzpapier, modernes Layout, gute Fotos usw. Die Themen sind interessanterweise teils sehr ähnlich, wenn auch origineller aufbereitet: ein Holländer, der ein Pornokino mit alten Super 8-Filmen in Amsterdam betreibt, eine ellenlange Geschichte über Vinylsammler, -händler, -produzenten usw. Daneben gibt es auch eher „unkulturelle“ Themen wie Tipp-Kick und Fahrräder aus Stahl. Im nächsten Heft soll dann das unvermeidliche Thema „Der C64 – ein Kultcomputer“ kommen (immerhin erst im dritten Heft), aber auch ein Artikel über den Trans-Europa-Express. Gekauft hab ich das Heft nicht, deswegen kann ich nichts über die Qualität der Texte sagen. Auf den ersten Blick sieht „Retrotrend“ von den drei Magazinen aber am ansprechendsten aus, wie eine Zeitschrift, die eine breitere Leserschaft ansprechen könnte, während die beiden anderen doch eher Nischenmagazine sind.

Das Presseecho über „Retrotrend“ war hingegen überwiegend negativ, jedenfalls, was ich so mitbekommen habe. Im Gewerkschaftsmagazin „journalist“ war ein Fragebogen an den Chefredakteur, aus dessen Fragen doch überwiegend Herablassung über die Themenmischung und -aufbereitung von dessen Zeitschrift sprach („Gibt es in Ihrem Heft auch eine andere Darstellungsform als das Feature?“). Dem „Freitag“ hat das Ganze gar nicht gefallen, ist ihm wohl zu unpolitisch:

„In einer Gesellschaft, die den Kult der blanken Repräsentationen bestens beherrscht, will schon die Gegenwart historisiert werden, damit sie überhaupt begehbar bleibt. Retrotrend ist mithin weder retro noch Trend, sondern schlichtweg aus der Zeit und damit allen Zusammenhängen gefallen.“

Und wo retro anscheinend auf dem Print-Markt gerade so angesagt ist, könnte jetzt aber wirklich bald mal endlich ein Verlag die „64er“ neu beleben.