Mit ‘CDU’ getaggte Beiträge

Unglaublich, wen die CDU in den letzten Tagen als „respektable Persönlichkeiten“ für das Amt des/der Bundespräsidente ins Spiel bringen. Ist diese Partei mittlerweile tatsächlich so abgehalftert, dass in ihr Halbkriminelle wie Roland Koch, Überwachungsfanatiker wie Wolfgang Schäuble und Zensurbefürworterinnen wie Uschi von der Leyen als Idealbesetzungen für das höchste Staatsamt gelten?

Schön auch diese taktischen Spielchen à la „Rüttgers steht einer großen Koalition in NRW im Weg, also machen wir von der Leyen zur Präsidentin, dann kann Onkel Jürgen Arbeitsminister werden und in Düsseldorf kann die CDU weiter regieren.“ Da wird nicht mal mehr der Anschein gewahrt, dass es darum gehen könnte, den jeweils besten Kandidaten für die verschiedenen Ämter zu finden. Frei nach dem Motto: Ach was, Kompetenz braucht man als Minister oder Präsident doch eh nicht, das kann praktisch jeder machen, der sich um die Partei verdient gemacht hat. Wenn die Union irgendwas von ihrem eigenen Geschwafel von wegen „überparteiliches Amt“, „PräsidentIn aller Deutschen“ etc. ernst meinen würde, müsste sie entweder Geißler, Töpfer oder vielleicht noch Süssmuth nominieren. Aber genau das wird natürlich nicht passieren.

Hannelore, geh doch nach drüben!

Veröffentlicht: 22. Mai 2010 in Politik, Uncategorized
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Die taz bringt es mit ihrer heutigen Titelüberschrift  mal wieder auf den Punkt: „DDR rettet Rüttgers“. Dazu liefert sie interessante Einblicke in die gescheiterten Sondierungsgespräche zwischen SPD, Grünen und Linken:

„Sowohl die Thematisierung des FDJ- und KPD-Verbots in den fünfziger Jahren als auch des „Radikalenerlasses“ in den Siebzigerjahren in der BRD stieß bei SPD und Grünen auf blankes Unverständnis. Sie konnten oder wollten nicht nachvollziehen, dass es sich hierbei um weit mehr als eine vermeintlich relativierende „Retourkutsche“ handelte. Nicht nur dass etliche heutige Linkspartei-Mitglieder selbst einst von der skandalösen Berufsverbotepraxis betroffen waren: Es ging für die Linkspartei um ihre Verpflichtung denjenigen gegenüber, in deren politischer Tradition sie sich im Westen versteht. Für ein Delegationsmitglied ist das auch eine ganz persönliche Frage: Zu den tausenden Kommunisten, die während der Adenauer-Ära wegen ihrer Überzeugung in den Knast gesteckt wurden, gehörte auch der Vater…“

Frank Walter Steinmeier zeigt sich unterdessen in Interviews „erleichtert“, dass es nicht zu rot-rot-grün in NRW kommt. Welchen Grad an Realitätsverlust diese Partei inzwischen erreicht hat, ist wirkllich bemerkenswert: erleichtert, dass seine eigene Parteifreundin nicht Ministerpräsidentin wird und statt in einer Koalition  mit einer 12- und einer 5-Prozent-Partei einen Großteil ihrer Ziele durchsetzen zu können, nun als Juniorpartner einer 35-Prozent-Partei so gut wie keine.

Spätestens jetzt müsste jedem Wähler klar sein, dass jede Stimme für die SPD eine verlorene Stimme ist. Die Partei merkt nicht einmal, dass sie überhaupt nicht mehr politikfähig ist. Die CDU schafft es hingegen zum dritten Mal in Folge, dass ein eigentlich abgewählter Ministerpräsident im Amt bleiben kann: Koch, Müller, Rüttgers – es finden sich immer genug Vernagelte bei SPD und Grünen, um den eigenen Mann über die nächste Legislaturperiode zu retten.

Diesmal habe ich mich nach den ersten Prognosen wirklich gefreut. Nicht nur, weil die Linken in den Landtag von NRW gekommen sind, sondern auch für Hannelore Kraft und die Grünen, die mir dann doch wesentlich sympathischer sind als der Vergangenheitsminister mit dem Sprachfehler und der Herr Professor von der FDP. Die Freude hielt ungefähr eine Stunde an. Dann hörte ich, wie Frau Kraft weiterhin vermied, das Wort Linke auch nur in den Mund zu nehmen, und wie allenthalben schon von der großen Koalition gesprochen wurde. Eigentlich hatte ich gehofft, dass das Wahlergebnis genau so ausfällt, wie es jetzt ausgefallen ist. Aber seit einigen Jahren ist das ja keine Garantie mehr dafür, dass dann auch tatsächlich die Wunschkoalition kommt, selbst wenn sie eine Mehrheit hat.

Ich wusste dann im späteren Verlauf des Abends auch nicht mehr, was ich nun eigentlich noch hoffen sollte: dass Rot-Grün doch eine knappe Mehrheit bekommt, damit die CDU wenigstens von der Regierung fern gehalten wird, dass die CDU doch mehr Stimmen als die SPD bekommt, damit der Druck auf Kraft größer wird, doch den Linken den Vorzug zu geben oder, oder, oder…

Dabei wäre alles so einfach: Die Wahlprogramme von SPD, Linken und Grünen stimmen zu gefühlten 70 Prozent überein. Aber statt dass sie versucht, mit beiden eine Regierung zu schmieden, spielt die SPD lieber den Steigbügelhalter für die abgewählte CDU, auf die sie vorher fünf Jahre lang eingedroschen hat, mit der sich wesentlich weniger der eigenen Ziele durchsetzen lassen, und als dessen Partner die SPD noch dazu viel weniger Einfluss hätte als als stärkste Kraft (Achtung, Wortspielalarm!) in einem rot-rot-grünen Bündnis. Und alles nur aus einem Trotzreflex heraus, weil die Linken ja die bösen Schmuddelkinder sind. Mit zielorientierter Politik hat das nichts zu tun, eher mit Kindergarten.

Leider scheint die Linke mit ihrem Wahlplakat doch Recht gehabt zu haben: „Wer SPD oder Grüne wählt, wird sich hinterher schwarz ärgern.“ Ob im Saarland, in Thüringen oder nun in NRW: Egal, welche Partei die Wahl gewinnt, hinterher ist immer die CDU an der Regierung beteiligt. Die SPD beweist so einmal mehr ihre Unfähigkeit und Unwilligkeit zu einem wirklichen Politikwechsel. Die Grünen sind auch nicht besser, umwirbt deren Spitzenkandidatin Löhrmann doch schon am Tag nach der Wahl den Intimfeind FDP.  Eine Partei, die inzwischen so weltfremd und ewiggestrig ist, dass ihr zentrales Wahlversprechen Steuersenkungen selbst von der Mehrheit der eigenen Anhänger abgelehnt wird. (Einen treffenden Kommentar zur FDP und Schwarz-Gelb hat Heribert Prantl heute in der Süddeutschen.)

Aber machen wir uns nichts vor: Eine große Koalition bedeutet letztlich auch nichts anderes als fünf Jahre Stillstand, das haben wir im Bund gerade zur Genüge erlebt. So lange die SPD nicht endlich aus ihren Fehlern lernt, ist Stillstand aber vermutlich noch das Beste, was wir von unseren Regierungen erwarten können.

Absurdität, dein Name ist Arbeitsmarktpolitik

Veröffentlicht: 12. Februar 2010 in Politik
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Ich weiß nicht, 0b es einen inhaltlichen Zusammenhang zwischen dem Zusteuern auf den Höhepunkt der Karnevalssession und den derzeitigen Diskussionen rund um Jobcenter und Arbeitslosenunterstützung gibt. Es wäre zumindest plausibel, wenn man sich vor allem das Theater anschaut, dass die Regierungsparteien gerade veranstalten. Es vergeht ja kaum ein Tag, an dem nicht eine neue Äußerung oder Forderung getätigt wird, die so wirkt, als käme sie direkt aus Absurdistan:

Die Streitereien um die Zukunft der Jobcenter versteht inzwischen wohl kein Mensch mehr. Erst erklärt das Verfassungsgericht die derzeitigen ARGEn für verfassungswidrig. Statt die Organisation der ARGEn zu verändern, will die Große Koalition daraufhin das Grundgesetz ändern. Im Prinzip sind alle dafür – Kanzlerin, SPD, Bundesländer -, bis auf die Unionsfraktion im Bundestag, die als Einzige mekt, dass das verfassungsethisch etwas merkwürdig wäre. Also platzt der Plan, und Merkel verschiebt eine Lösung auf nach der Wahl. Dann kommt von der Leyen mit einem Vorschlag ohne Grundgesetzänderung. Da sind dann plötzlich Koch und einige andere CDU-Ministerpräsidenten dagegen und legen ihr Veto ein. Jetzt verhandeln CDU und FDP auf einmal wieder mit der SPD über eine Grundgesetzänderung, damit bei den ARGEn alles so bleiben kann, wie es eh schon ist. Also, zielführende Politik sieht irgendwie anders aus.

Dass das ganze Konstrukt der Arbeitsgemeinschaften von Bundesagentur für Arbeit und Kommunen sowieso nicht funktioniert, interessiert dabei niemanden (mehr). Im Fernsehen treten dann irgendwelche Arbeitsmarktexperten auf, die behaupten, die ARGEn leisteten bisher gute Arbeit. Die sollten sich vielleicht mal in einer Großstadt wie Düsseldorf die ARGEn angucken. Wenn da effizient gearbeitet wird, ist Schilda wohl auch ein Beispiel für eine vorbildliche Verwaltung.

Als Nächstes urteilt das Verfassungsgericht, die Alg II-Sätze seien verfassungswidrig berechnet worden. U.a. weil Ausgabeposten wie Bildung ohne Begründung gar nicht berücksichtigt wurden. Es dauert nicht lange und erste Politiker von FDP und Union fordern, die Regelsätze müssten jetzt nicht etwa erhöht, sondern gesenkt werden. Ich bin dann mal auf die offizielle Begründung der Koalition gespannt, warum ausgerechnet Langzeitarbeitslose und deren Kinder kein Geld für Bildung bräuchten (die einzige ehrliche Begründung wäre ja, dass es in Deutschland eh keine Arbeitsplätze für sie gäbe, aber das wird wahrscheinlich die Regierung nicht sagen).

Und weiter geht’s: die FDP fordert Solidarität mit den Leistungsträgern, die ja schließlich so viele Steuern zahlen müssen (allerdings auch nur, wenn der Steuerberater nicht clever genug ist, und wenn es zu einem Bankkonto in Liechtenstein doch noch nicht reicht). Da werden die alten Grundwerte der Sozialdemokratie ganz neu interpretiert: Solidarität brauchen nämlich nicht etwa die Schwachen, sondern diejenigen, denen es eh schon gut geht. Genau, und die Krankenkassen zahlen bald auch nur noch für Gesunde. Und unser aller Westerwelle spricht von spätrömischen Verhältnissen, die uns drohen, weil bald niemand mehr arbeiten will.

Überhaupt dieses Menschenbild, das hinter diesen und ähnlichen Aussagen steckt: Arbeitslose sind nicht etwa arbeitslos, weil sie keine Arbeit finden, sondern weil es sich für sie nicht lohnt zu arbeiten. Und je höher die Stütze, desto mehr bleiben zuhause. So eine Sichtweise ist natürlich nur konsequent, denn inzwischen ist ja auch nirgendwo mehr von Arbeitslosen die Rede, sondern nur noch von Hartz IV-Empfängern. So als wäre das eine eigenständige soziokulturelle Gruppe: Es gibt halt Arbeiter, Angestellte, Selbständige und Hartzler, das sind die, die sich in ihrer Unterschichtsexistenz eingerichtet haben und eigentlich auch gar nichts Anderes machen wollen. Ein seltsamer Widerspruch ist dabei, dass Hartz IV einerseits als Synonym für gesellschaftlichen Abstieg gilt (und als Abschreckung für alle, die noch Arbeit haben), andererseits aber trotzdem noch für Neiddebatten taugt, nach dem Motto: Eigentlich geht’s denen doch noch ganz gut. In was für einer Gesellschaft leben wir eigentlich?

„SPD in Thüringen probt den Aufstand“ oder so ähnlich lautete heute Vormittag die Überschrift auf der GMX-Startseite. Die dazugehörige dpa-Meldung verkündete, die CDU-Ministerpräsidentenkandidatin Lieberknecht sei in zwei Wahlgängen durchgefallen. Nun bestünde Hoffnung für den Linken Ramelow, der im dritten Wahlgang gegen Lieberknecht antreten wolle.

Tatsächlich war Lieberknecht schon gewählt, als ich den Fernseher einschaltete, und zwar mit zusätzlichen Stimmen von der FDP. Ramelow bekam lediglich eine Stimme mehr als seine eigene Fraktion hat.  Keine Abweicher bei der SPD also, Sergej Lochthofen, Chefredakteur der „Thüringischen Allgemeinen“, erklärte kurz darauf bei Phoenix, es sei wahrscheinlicher, alte Althaus-Anhänger in der CDU-Fraktion hätten in den ersten Wahlgängen Lieberknecht die Stimme verweigert als SPD-Abgeordnete.

Da scheint mal wieder irgendwer mit seinen Vermutungen voreilig gewesen zu sein, entweder die dpa oder die Menschen in der GMX-Redaktion, je nachdem, von wem die Headline stammte. Ein Aufstand in der SPD gegen den Rechtskurs eines Landesvorsitzenden – das wäre ja auch zu schön gewesen, um wahr zu sein.

Man traut ja zurzeit seinen Augen nicht, wenn man über die Ergebnisse der Koalitionsverhandlungen in Berlin liest: Erst einigen sich Union und FDP auf Verbesserungen für Hartz IV-Empfänger (was die große Koalition nicht hinbekommen hat), heute auch noch auf die Rücknahme der Internet-Sperren sowie Einschränkungen der Online-Durchsuchungen und der Nutzung der Daten aus der Vorratsdatenspeicherung.

Da ist die FDP wohl doch nicht bei ihren Forderungen zu den Bürgerrechten umgefallen, wie vorher überall vorhergesagt wurde. Die SPD stimmte den Internet-Sperren zu – und allem anderen, was Schäuble & Co. vorgaben, auch -, bei der FDP lenken Merkel und Schäuble plötzlich widerstandslos ein. Ist Westerwelle einfach der härtere Verhandlungspartner oder war die SPD etwa tatsächlich vom Nutzen dieser massiven Einschränkungen der Freiheitsrechte überzeugt? Ich sage es nur ungern, aber langsam könnte man die Hoffnung haben, dass schwarz-gelb vielleicht sogar insgesamt eine bessere Politk machen könnte als rot-grün und schwarz-rot das in den letzten elf Jahren vorexerziert haben.

Denn was wird von diesen elf Jahren mit sozialdemokratischer Regierungsbeteiligung in Erinnerung bleiben? Von den Schröder-Jahren neben einigen gesellschaftspolitischen Modernisierungen (wie Homo-Ehe und Staatsbürgerschaftsrecht) vor allem Hartz IV und Auslands-Kampfeinsätze der Bundeswehr – und ein verpatzter Atomausstieg, der gar keiner war (und deshalb jetzt auch problemlos von der neuen Regierung rückgängig gemacht werden kann), von der großen Koalition die Rente mit 67 und ansonsten vier Jahre Stillstand. Wenn in der neuen Koalition die Liberalen die Union bei der Inneren Sicherheit ausbremsen und umgekehrt die Union die unsoziale Arbeitsmarktpolitik der FDP verhindert, könnte die Bilanz in vier Jahren gar nicht so schlecht aussehen wie allseits befürchtet.

Wer hat uns verraten? Nicht nur Sozialdemokraten.

Veröffentlicht: 11. Oktober 2009 in Politik
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Es war fast schon abzusehen: Nicht nur die SPD ist unfähig oder unwillig, linke Mehrheiten zu nutzen, die Grünen sind es genauso. Nun wird es also Jamaika im Saarland geben. Das gleiche Trauerspiel wie in Thüringen, nur diesmal dank einer anderen einstmals radikalen Partei. In beiden Ländern gab es vom Wähler eine klare Mehrheit für eine linke Regierungsbildung, in beiden Ländern stützen Teile der ehemaligen „Linken“ lieber die regierende CDU. (Und schuld ist mal wieder der böse Oskar, der inzwischen so etwas wie der Gottseibeiuns der deutschen Politik zu sein scheint.)

Wer sich diese Entscheidungen ansieht und dann noch daran denkt, was letztes Jahr in Hessen abging, könnte allerdings auch auf die Idee kommen, dass es sich hier nicht nur um eine strukturelle Verbürgerlichung ehemaliger linker Parrteien handelt, sondern dass man daran auch ablesen kann, wer in diesem Staat eigentlich wirklich die Macht hat. Die Wähler scheinen es nicht unbedingt zu sein, denn egal, wie sie abstimmen, am Ende gibt es immer einen Ministerpräsidenten von der CDU. Und das ist traditionell nun mal die Partei der Wirtschaft. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.