Archiv für Dezember, 2014

Jahresbestenliste 2014

Veröffentlicht: 28. Dezember 2014 in Film, TV
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Das Kinojahr 2014 fing für mich ziemlich toll an und ließ in der zweiten Hälfte ziemlich stark nach. Im letzten Quartal bin ich häufiger ins Filmmuseum zu irgendwelchen Retrospektiven oder in Festivalvorstellungen gegangen als in reguläre Neustarts. Insgesamt hat es aber doch wieder für eine Top Five der Neustarts gereicht:

1. Boyhood

Mit dreieinhalb Stunden keine Minute zu lang, ich hätte diesem Erwachsenwerden in Schnelldurchlauf noch stundenlang weiter zuschauen können. Richard Linklater hat mit diesem ebenso unaufgeregten wie berührenden Werk sein Meisterstück abgeliefert, unterstützt von einem durchweg hervorragenden Ensemble. Patricia Arquette und Ethan Hawke gehen völlig verdient ins Rennen um die wichtigen Filmpreise, die beiden Darsteller der Kinder/Jugendlichen hätten eine Nominierung aber mindestens genauso verdient.

2. Nebraska

Alexander Payne drehte den Jim-Jarmusch-Film, den Jarmusch selbst seit Jahren nicht mehr auf die Reihe bekommt. Fängt witzig-absurd an und wird dann immer trauriger, gefilmt in wunderschönem Schwarz-Weiß und mit mehr Wahrheit über den Zustand der heutigen USA als so manches aktuelle Politdrama.

3. Jersey Boys

Auch so ein Film, der trotz Überlänge nie langweilig wird. Clint Eastwood erweist sich einmal mehr als der Mann, der wirklich alles inszenieren kann, hier einen Musikfilm in ganz musical-atypischer Weise, aber mit den großartigen Songs der Four Seasons. Eine Hommage an eine längst vergangene Zeit und eine fast vergessene Art des Filmemachens, wie sie außer Eastwood höchstens noch Redford pflegt.

4. Das finstere Tal

Andreas Prochaska inszeniert diesen österreichischen Alpen-Western, als wäre er bei Tarantino in die Lehre gegangen. Eine im Grunde banale Geschichte wird durch perfekte Anwendung filmischer Mittel (Kamera, Musik, Schnitt, Zeitlupen etc.) zu einem packenden, düsteren leinwandsprengenden Erlebnis, wie ich es in diesem Genre vorher nur bei Leone-Filmen hatte.

5. In the Cut

Mit seinem großen politischen Abenteuerfilm hat Fatih Akin vielleicht nicht alles richtig gemacht, aber dennoch nicht nur den Mut gehabt, ein wichtiges Tabuthema wie den Völkermord an den Armeniern aufzugreifen, sondern auch das Einfühlungsvermögen, nicht einseitig zu verdammen. Menschen, die moralisch Gutes tun und solche, die Verwerfliches tun, gibt es in diesem Film auf allen Seiten, in allen Religionsgruppen und Ethnien. Und wer am Ende nicht gerührt ist, hat wohl kein Herz.

 

Beste Regie:

Richard Linklater für „Boyhood“: Ich mochte ihn schon immer gerne, aber diesmal hat er sich – seinen Themen und Charakteren treu bleibend – selbst übertroffen. Seine Inszenierung ist so wie das Leben selbst: banal einfach und doch großartig. Eine Kindheit und Jugend so selbstverständlich und alltäglich einzufangen, dass sie sich so echt anfühlen, das ist ganz große Kunst.

Bestes Drehbuch:

Bob Nelson für „Nebraska“: Auch so eine Geschichte über die Banalität und Größe des Lebens, mit der richtigen ausgewogenen Mischung aus Komik und Tragik erzählt, mit einem Gespür für skurrile Figuren und Nostalgie.

Bester Darsteller (Kino): Bruce Dern in „Nebraska“

Beste Darstellerin (Kino): Patricia Arquette in „Boyhood“

 

Beste neue TV-Serien:

„Fargo“, „The Affair“, „Gomorrha“, „Glue“, „The Leftovers“

Mehr dazu dann nächste Woche in unserem Jahresrückblicks-Podcast auf torrent.

Beste alte TV-Serien:

„Orange is the New Black“, „Mad Men“

Beste TV-Darstellerin:

Ruth Wilson in „The Affair“: die Frau mit den vielen Gesichtern, immer schwankend zwischen skrupelloser Verführung und tiefer Verzweiflung

Bester TV-Darsteller:

Billy Bob Thornton in „Fargo“: Das Böse hatte in diesem TV-Jahr nur ein überzeugendes Gesicht und darüber thronte eine aus dem Werk der Coen-Brüder bereits bewährte geschmacklose Frisur.