Mit ‘FDP’ getaggte Beiträge

NRW: Die Polit-Farce geht weiter

Veröffentlicht: 11. Mai 2010 in Politik, Uncategorized
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Ursprünglich wollte ich gestern noch schreiben, dass die FDP sich endgültig von ihrem Image als Umfaller-Partei gelöst hat, und die Grünen inzwischen auch in dieser Hinsicht ihre (un-)würdigen Nachfolger geworden sind. Zum Glück konnte ich den Gedanken nicht mehr an sinnvoller Stelle in meinem Artikel unterbringen. Denn heute zeigt sich, dass die „Liberalen“ natürlich doch noch jederzeit bereit sind, Parteitagsbeschlüsse und Wahlversprechen über den Haufen zu werfen, wenn die Aussicht besteht, sich doch noch ein kleines Zipfelchen der Macht zu retten.

Mit welchem Recht erdreistet sich diese Splitter- und Klientelpartei eigentlich, Parteien, die zwei bis sechs Mal so gut abgeschnitten haben, zu erpressen, mit wem sie sprechen dürfen und mit wem nicht? Die SPD steigt dann natürlich prompt auf die Offerten ein, da sind Hopfen und Malz endgültig verloren. Und am Ende bekommen wir dann eine Koalition, die niemand auf dem Schirm hatte und die kaum ein Wähler gewollt hat. Und der Retro-Mops FDP (eine wunderbare Wortschöpfung von Heribert Prantl) ist wieder obenauf.

Auf die Frage der taz „Reicht die Kraft für Rot-rot-grün?“ (Willkommen in der Wortspielhölle, liebe taz!) muss man wohl antworten: die Kraft würde vielleicht reichen, aber der politische Wille, wirklich etwas in diesem Land zu verändern, scheint bei der SPD einfach nicht vorhanden zu sein.

Diesmal habe ich mich nach den ersten Prognosen wirklich gefreut. Nicht nur, weil die Linken in den Landtag von NRW gekommen sind, sondern auch für Hannelore Kraft und die Grünen, die mir dann doch wesentlich sympathischer sind als der Vergangenheitsminister mit dem Sprachfehler und der Herr Professor von der FDP. Die Freude hielt ungefähr eine Stunde an. Dann hörte ich, wie Frau Kraft weiterhin vermied, das Wort Linke auch nur in den Mund zu nehmen, und wie allenthalben schon von der großen Koalition gesprochen wurde. Eigentlich hatte ich gehofft, dass das Wahlergebnis genau so ausfällt, wie es jetzt ausgefallen ist. Aber seit einigen Jahren ist das ja keine Garantie mehr dafür, dass dann auch tatsächlich die Wunschkoalition kommt, selbst wenn sie eine Mehrheit hat.

Ich wusste dann im späteren Verlauf des Abends auch nicht mehr, was ich nun eigentlich noch hoffen sollte: dass Rot-Grün doch eine knappe Mehrheit bekommt, damit die CDU wenigstens von der Regierung fern gehalten wird, dass die CDU doch mehr Stimmen als die SPD bekommt, damit der Druck auf Kraft größer wird, doch den Linken den Vorzug zu geben oder, oder, oder…

Dabei wäre alles so einfach: Die Wahlprogramme von SPD, Linken und Grünen stimmen zu gefühlten 70 Prozent überein. Aber statt dass sie versucht, mit beiden eine Regierung zu schmieden, spielt die SPD lieber den Steigbügelhalter für die abgewählte CDU, auf die sie vorher fünf Jahre lang eingedroschen hat, mit der sich wesentlich weniger der eigenen Ziele durchsetzen lassen, und als dessen Partner die SPD noch dazu viel weniger Einfluss hätte als als stärkste Kraft (Achtung, Wortspielalarm!) in einem rot-rot-grünen Bündnis. Und alles nur aus einem Trotzreflex heraus, weil die Linken ja die bösen Schmuddelkinder sind. Mit zielorientierter Politik hat das nichts zu tun, eher mit Kindergarten.

Leider scheint die Linke mit ihrem Wahlplakat doch Recht gehabt zu haben: „Wer SPD oder Grüne wählt, wird sich hinterher schwarz ärgern.“ Ob im Saarland, in Thüringen oder nun in NRW: Egal, welche Partei die Wahl gewinnt, hinterher ist immer die CDU an der Regierung beteiligt. Die SPD beweist so einmal mehr ihre Unfähigkeit und Unwilligkeit zu einem wirklichen Politikwechsel. Die Grünen sind auch nicht besser, umwirbt deren Spitzenkandidatin Löhrmann doch schon am Tag nach der Wahl den Intimfeind FDP.  Eine Partei, die inzwischen so weltfremd und ewiggestrig ist, dass ihr zentrales Wahlversprechen Steuersenkungen selbst von der Mehrheit der eigenen Anhänger abgelehnt wird. (Einen treffenden Kommentar zur FDP und Schwarz-Gelb hat Heribert Prantl heute in der Süddeutschen.)

Aber machen wir uns nichts vor: Eine große Koalition bedeutet letztlich auch nichts anderes als fünf Jahre Stillstand, das haben wir im Bund gerade zur Genüge erlebt. So lange die SPD nicht endlich aus ihren Fehlern lernt, ist Stillstand aber vermutlich noch das Beste, was wir von unseren Regierungen erwarten können.

Absurdität, dein Name ist Arbeitsmarktpolitik

Veröffentlicht: 12. Februar 2010 in Politik
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Ich weiß nicht, 0b es einen inhaltlichen Zusammenhang zwischen dem Zusteuern auf den Höhepunkt der Karnevalssession und den derzeitigen Diskussionen rund um Jobcenter und Arbeitslosenunterstützung gibt. Es wäre zumindest plausibel, wenn man sich vor allem das Theater anschaut, dass die Regierungsparteien gerade veranstalten. Es vergeht ja kaum ein Tag, an dem nicht eine neue Äußerung oder Forderung getätigt wird, die so wirkt, als käme sie direkt aus Absurdistan:

Die Streitereien um die Zukunft der Jobcenter versteht inzwischen wohl kein Mensch mehr. Erst erklärt das Verfassungsgericht die derzeitigen ARGEn für verfassungswidrig. Statt die Organisation der ARGEn zu verändern, will die Große Koalition daraufhin das Grundgesetz ändern. Im Prinzip sind alle dafür – Kanzlerin, SPD, Bundesländer -, bis auf die Unionsfraktion im Bundestag, die als Einzige mekt, dass das verfassungsethisch etwas merkwürdig wäre. Also platzt der Plan, und Merkel verschiebt eine Lösung auf nach der Wahl. Dann kommt von der Leyen mit einem Vorschlag ohne Grundgesetzänderung. Da sind dann plötzlich Koch und einige andere CDU-Ministerpräsidenten dagegen und legen ihr Veto ein. Jetzt verhandeln CDU und FDP auf einmal wieder mit der SPD über eine Grundgesetzänderung, damit bei den ARGEn alles so bleiben kann, wie es eh schon ist. Also, zielführende Politik sieht irgendwie anders aus.

Dass das ganze Konstrukt der Arbeitsgemeinschaften von Bundesagentur für Arbeit und Kommunen sowieso nicht funktioniert, interessiert dabei niemanden (mehr). Im Fernsehen treten dann irgendwelche Arbeitsmarktexperten auf, die behaupten, die ARGEn leisteten bisher gute Arbeit. Die sollten sich vielleicht mal in einer Großstadt wie Düsseldorf die ARGEn angucken. Wenn da effizient gearbeitet wird, ist Schilda wohl auch ein Beispiel für eine vorbildliche Verwaltung.

Als Nächstes urteilt das Verfassungsgericht, die Alg II-Sätze seien verfassungswidrig berechnet worden. U.a. weil Ausgabeposten wie Bildung ohne Begründung gar nicht berücksichtigt wurden. Es dauert nicht lange und erste Politiker von FDP und Union fordern, die Regelsätze müssten jetzt nicht etwa erhöht, sondern gesenkt werden. Ich bin dann mal auf die offizielle Begründung der Koalition gespannt, warum ausgerechnet Langzeitarbeitslose und deren Kinder kein Geld für Bildung bräuchten (die einzige ehrliche Begründung wäre ja, dass es in Deutschland eh keine Arbeitsplätze für sie gäbe, aber das wird wahrscheinlich die Regierung nicht sagen).

Und weiter geht’s: die FDP fordert Solidarität mit den Leistungsträgern, die ja schließlich so viele Steuern zahlen müssen (allerdings auch nur, wenn der Steuerberater nicht clever genug ist, und wenn es zu einem Bankkonto in Liechtenstein doch noch nicht reicht). Da werden die alten Grundwerte der Sozialdemokratie ganz neu interpretiert: Solidarität brauchen nämlich nicht etwa die Schwachen, sondern diejenigen, denen es eh schon gut geht. Genau, und die Krankenkassen zahlen bald auch nur noch für Gesunde. Und unser aller Westerwelle spricht von spätrömischen Verhältnissen, die uns drohen, weil bald niemand mehr arbeiten will.

Überhaupt dieses Menschenbild, das hinter diesen und ähnlichen Aussagen steckt: Arbeitslose sind nicht etwa arbeitslos, weil sie keine Arbeit finden, sondern weil es sich für sie nicht lohnt zu arbeiten. Und je höher die Stütze, desto mehr bleiben zuhause. So eine Sichtweise ist natürlich nur konsequent, denn inzwischen ist ja auch nirgendwo mehr von Arbeitslosen die Rede, sondern nur noch von Hartz IV-Empfängern. So als wäre das eine eigenständige soziokulturelle Gruppe: Es gibt halt Arbeiter, Angestellte, Selbständige und Hartzler, das sind die, die sich in ihrer Unterschichtsexistenz eingerichtet haben und eigentlich auch gar nichts Anderes machen wollen. Ein seltsamer Widerspruch ist dabei, dass Hartz IV einerseits als Synonym für gesellschaftlichen Abstieg gilt (und als Abschreckung für alle, die noch Arbeit haben), andererseits aber trotzdem noch für Neiddebatten taugt, nach dem Motto: Eigentlich geht’s denen doch noch ganz gut. In was für einer Gesellschaft leben wir eigentlich?

Voller Entsetzen las ich vorhin in der Süddeutschen, dass Guido Westerwelle den bisherigen Generalsekretär der NRW-FDP, Christian Lindner, für den gleichen Posten auf Bundesebene vorschlagen will. Ich hatte im vergangenen Jahr das zweifelhafte Vergnügen, dem Mann bei einer Podiumsdiskussion in meiner alten Schule zuzuhören, über die ich für die Lokalzeitung berichten sollte. Aus aktuellem Anlass hier noch mal mein leicht überarbeiteter Eintrag dazu aus meinem alten Blog vom 5. Mai 2008:

Anlass meines Besuchs war eine Fragerunde mit drei jungen Landtagsabgeordneten. Der unsympathischste war natürlich der von der FDP, Christian Lindner aus Wermelskirchen. Vier Jahre jünger als ich, sieht aber zehn Jahre älter aus, komplett im Anzug, während die beiden anderen locker in Jeans und Hemd kamen. Und treuer Anhänger des neoliberalen Globalisierungsglaubens. Verkürzte Schulzeit? Muss sein, denn schließlich ist es ja ein Wettbewerbsnachteil für deutsche Studenten, wenn sie zwei Jahre später fertig sind als ihre Mitbewerber aus Großbritannien. (Frage mich, wer denn mit denen um die gleichen Stellen konkurriert. Umwege im Lebenslauf sind in diesem Weltbild sowieso nicht vorgesehen, geht alles ganz gradlinig, Abi mit 18, vier Jahre Studium und mit 22 fängt man dann in internationalen Konzernen an.) Studiengebühren? Voll in Ordnung, schließlich verdient man ja als Akademiker auf die Lebenszeit umgerechnet viel mehr als ohne Studium. (Hätte ich nicht studiert, hätte ich die letzten 12 Jahre schon Geld verdienen können.)

Der Knüller war aber die Bemerkung: „Sie scheinen alle zu glauben, nach Ihrem Studium müssten Sie noch mehrere Praktika machen und nebenbei Hamburger braten, um leben zu können. Das ist nicht so. Akademikerarbeitslosigkeit gibt es nicht mehr.“ Es reiche, zügig zu studieren (er brauchte übrigens selbst 14 Semester), Auslandserfahrung zu sammeln (macht man alles in den 3 Jahren bis zum Bachelor) und ein Praktikum zu machen, „um den Bezug zur Realität nicht zu verlieren.“ Den hat er schon längst verloren.

Wenn es keine Akademikerarbeitslosigkeit mehr gibt, warum leben ich und einige Ex-Kommillitonen dann vom Arbeitsamt? Warum machen andere noch Praktika nach ihrem zweiten Studienabschluss oder schlagen sich mit irgendwelchen freien Mitarbeiten durch, über deren Bezahlung Handwerksmeister oder Techniker wohl nur lachen würden? Vielleicht sollte der Mensch mal anfangen zu differenzieren statt die Schüler mit allgemeinen Versprechungen zu verarschen. Klar, wenn man Ingenieurwesen studiert, stimmt das mit den gutbezahlten Jobs und der niedrigen Arbeitslosigkeit vielleicht, aber was ist mit all den Geisteswissenschaftlern oder den tollen neuen Bachelorstudiengängen, wo man „Irgendwas mit Medien“ machen kann, um sich hinterher von einer prekären Beschäftigung zur nächsten zu hangeln? So was kommt im FDP-Weltbild wohl nicht vor.

Nach dem Auftreten und der Argumentation Lindners bei dieser Podiumsdiskussion ist der Mann also genau der richtige für einen Spitzenposten in der FDP. Seinem Lebenslauf nach zu urteilen hat der Mann auch nie was anderes gemacht als Politik, was ihn wahnsinnig qualifiziert, anderen Menschen die Welt erklären zu wollen. Das passt gut zu dem Bild, das ich vor einem Jahr von ihm gewonnen habe: keine Ahnung von der Berufswelt, aber unheimlich von sich überzeugt. Ein würdiger Nachfolger also für Dirk Niebel. Dabei hatte ich mich schon gefreut, dass ich dessen ahnungsloses Geischt seit seinem „Aufstieg“ ins Entwicklungshilfeministerium nicht mehr jeden zweiten Abend in irgendeiner TV-Sendung ertragen muss.

Man traut ja zurzeit seinen Augen nicht, wenn man über die Ergebnisse der Koalitionsverhandlungen in Berlin liest: Erst einigen sich Union und FDP auf Verbesserungen für Hartz IV-Empfänger (was die große Koalition nicht hinbekommen hat), heute auch noch auf die Rücknahme der Internet-Sperren sowie Einschränkungen der Online-Durchsuchungen und der Nutzung der Daten aus der Vorratsdatenspeicherung.

Da ist die FDP wohl doch nicht bei ihren Forderungen zu den Bürgerrechten umgefallen, wie vorher überall vorhergesagt wurde. Die SPD stimmte den Internet-Sperren zu – und allem anderen, was Schäuble & Co. vorgaben, auch -, bei der FDP lenken Merkel und Schäuble plötzlich widerstandslos ein. Ist Westerwelle einfach der härtere Verhandlungspartner oder war die SPD etwa tatsächlich vom Nutzen dieser massiven Einschränkungen der Freiheitsrechte überzeugt? Ich sage es nur ungern, aber langsam könnte man die Hoffnung haben, dass schwarz-gelb vielleicht sogar insgesamt eine bessere Politk machen könnte als rot-grün und schwarz-rot das in den letzten elf Jahren vorexerziert haben.

Denn was wird von diesen elf Jahren mit sozialdemokratischer Regierungsbeteiligung in Erinnerung bleiben? Von den Schröder-Jahren neben einigen gesellschaftspolitischen Modernisierungen (wie Homo-Ehe und Staatsbürgerschaftsrecht) vor allem Hartz IV und Auslands-Kampfeinsätze der Bundeswehr – und ein verpatzter Atomausstieg, der gar keiner war (und deshalb jetzt auch problemlos von der neuen Regierung rückgängig gemacht werden kann), von der großen Koalition die Rente mit 67 und ansonsten vier Jahre Stillstand. Wenn in der neuen Koalition die Liberalen die Union bei der Inneren Sicherheit ausbremsen und umgekehrt die Union die unsoziale Arbeitsmarktpolitik der FDP verhindert, könnte die Bilanz in vier Jahren gar nicht so schlecht aussehen wie allseits befürchtet.