Abgesehen davon, dass sich mMn außerhalb der Blogosphäre sowieso so gut wie niemand für die Piratenpartei interessiert, stelle ich mir schon die Frage, warum diese neue Partei für viele junge Menschen so eine neue politische Hoffnung ist. Im Wesentlichen ist das eine Ein-Themen-Partei: Es geht um das Internet – und um Bürgerrechte, die damit in Zusammenhang stehen. Zu Sozial-, Außen- oder Arbeitsmarktpolitik findet sich in ihrem Wahlprogramm nicht einmal ein Kapitel.
Nun sagen viele ihrer Anhänger, das wäre ja nicht so schlimm. Auch die Grünen hätten ja als Ein-Thema-Partei angefangen und sich dann weiter entwickelt. Was natürlich nicht stimmt: Entgegen ihres Namens sind die Grünen eben gerade nicht nur aus der Ökologie- und Anti-AKW-Bewegung hervorgegangen, sondern auch aus der Friedens-, Frauen- und ähnlichen Bewegungen. Auch WASG und heute die Linke hatten von Anfang an noch andere Themenschwerpunkte als nur die soziale Gerechtigkeit, z.B. den Pazifismus.
Erschreckend finde ich, dass die Piraten weder einen Mindestlohn fordern, noch den Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan, noch eine Position zum Atomausstieg hat. Und das soll eine linke Partei sein? Tut mir Leid, ernst nehmen kann ich eine Partei, die bei solch fundamental wichtigen Zukunftsfragen keine eindeutigen Ziele verfolgt, nicht.
Und wie ist es nun um die Kernthemen der Piraten bestellt? Mehr Datenschutz? Bin ich dafür. Keine staatliche Kontrolle der Internetnutzung, keine Internet-Zensur? D’accord. Aber was ist mit dem Urheber- und Patentrecht? Die Forderungen zum Patentrecht im Wahlprogramm könnte ich so alle unterschreiben. Sie gehen aber nicht besonders weit. Im Freitag stellte ein Experte neulich die Frage, warum es überhaupt ein Patentrecht gebe, da das Urheberrecht auch für Produkterfindungen völlig ausreiche.
Und wie will die Partei nun eigentlich das Urheberrecht reformieren? Das scheint sie irgendwie selbst noch nicht so genau zu wissen. Diesen Eindruck hatte ich zumindest, als ich den entsprechenden Abschnitt in ihrem Wahlprogramm durchlas. Da werden insgesamt viele richtige Feststellungen über die derzeitige und zukünftige Lage der Musik- und ähnlicher kreativer Industrien gemacht, aber wenig Antworten gegeben, wie das Urheberrecht denn nun den neuen technischen Möglichkeiten angepasst werden soll.
Begrenzung der Verwertungsrechte auf den Zeitraum bis zum Tod des Künstlers? Ok, sicher sinnvoller als die Regelung mit den 70 Jahren. Aber es ist doch etwas wohlfeil zu schreiben, wir fordern auf, neue Geschäftsmodelle zu suchen, die den Künstlern erlauben, mit ihren Werken Geld zu verdienen. Es wäre doch wohl Aufgabe der Partei, selbst einen gesetzlichen Rahmen vorzuschlagen, innerhalb dessen eben dies möglich ist. Was ist z.B. mit der Kulturflatrate? Dazu steht auf der Webseite der Piraten nur:
„Unter anderem wird die Idee der „Kulturflatrate“ diskutiert. Zusätzlich bieten Konzerte, Fanartikel, Spenden und staatliche Kunstförderung weitere Einnahmemöglichkeiten.“
Mit anderen Worten: Die Partei scheint sich selbst noch nicht einig zu sein, ob sie eine Kulturflatrate unterstützt oder nicht. In so einer essentiellen Frage hat die selbst ernannte Internet-Partei also keine Meinung. Ein Armutszeugnis. Und das nun beispielsweise alle Künstler, die bisher von Tantiemen ihrer Plattenverkäufe und Musikdownloads leb(t)en, in Zukunft ihren Lebensunterhalt von Spenden und staatlicher Förderung bestreiten sollen, ist ja wohl ein schlechter Witz. Richten wir dann eine zentrale staatliche Förderstelle ein, die wie einstmals die Plattenfirma Amiga in der DDR entscheidet, welche Band förderungswürdig ist und welche nicht? Außerdem scheint mir das Programm in diesem Abschnitt nicht ganz schlüssig zu sein: Einerseits soll jeder Künstler selbst entscheiden dürfen, unter welcher Lizenz er seine Werke veröffentlichen will, andererseits soll jeder Bürger das Recht zum freien Kopieren aller Werke haben (auch übers Internet?). Und wenn der Künstler nicht will, dass sein Werk kostenlos kopiert und weitergegeben wird?
Hinter dem ganzen hippen Auftreten scheint scheint mir bis jetzt noch nicht allzu viel Substanz zu stecken. Von einer ernstzunehmenden politischen Alternative ist diese Partei jedenfalls noch ziemlich weit entfernt.