Geld kann alles kaufen: Juliane Pempelfort u. Daniel Breitfelder als Ehepaar Garga Foto: Uwe Stratmann
Theatermacher wollen so gerne zeitgemäß sein, Stücke auf die Bühne bringen, die aktuelle gesellschaftliche Verhältnisse und Probleme reflektieren, die einen Beitrag zu politischen Diskussionen der Gegenwart liefern. Was liegt da näher, als in den Zeiten der größten Weltwirtschaftskrise seit 70 Jahren auf ein Stück aus der Epoche eben dieser letzten vergangenen Krise zurück zu greifen. So kamen die Wuppertaler Bühnen auf Brecht, und weil die „Dreigroschenoper“ zwar schön, aber auch ein bisschen abgenudelt ist, gruben sie ein unbekannteres Frühwerk des späteren sozialistischen Dramatikers aus: „Im Dickicht der Städte“ aus dem Jahr 1927.
Im Chicago des frühen 20. Jahrhunderts liefern sich zwei Angehörige entgegengesetzter Gesellschaftschichten ein Duell um Geld und Macht: Der aus Malaysia stammende Holzhändler C. Shlink will dem aus einer Farmerfamilie kommenden Bibliothekar George Garga beweisen, dass man mit Geld alles kaufen kann. Der junge Mann, der eigentlich nur seine Freiheit will, lässt sich auf das Spiel ein. Zunächst überschreibt Shlink ihm seinen Holzhandel, später werden auch Gargas Angehörige in den Kampf einbezogen, bis schließlich dessen Frau und Schwester zu Prostituierten geworden, Familie und persönliche Beziehungen zerstört sind.
Ganz klar: Brecht schrieb hauptsächlich Thesentheater-Stücke. Die Welt ist bei ihm noch in Ordnung, das heißt, obwohl in den goldenen Zeiten des Kapitalismus für Angehörige der Unterschicht nichts in Ordnung war, war zumindest alles wohl geordnet: So ist der Kapitalist bei Brecht noch daran zu erkennen, dass er eine fette Zigarre im Mund hat. Wenn man als Regisseurin schon Thesentheater machen will, sollte man die Thesen aber zumindest deutlich herausarbeiten. In Claudia Bauers Inszenierung für das Barmer Opernhaus wird leider nie deutlich, wieso sich Garga eigentlich auf den zerstörerischen Wettbewerb einlässt, warum er nicht eingreift, als sein Leben aus den Fugen gerät, seine Liebsten auf den Strich geschickt werden. Stattdessen spielt Daniel Breitfelder den jungen Mann von Anfang an weit over the top: Keinen Satz spricht er in normalem Tonfall, jedes Wort muss er hinausschreien, jede Geste muss bei ihm im schlechten Sinne theatralisch sein.
Subtilität ersetzt Bauer durch schale Provokation: Nach zehn Minuten steht mit Breitfelder der erste Schauspieler nackt auf der Bühne, nach einer Stunde fragt sich der Zuschauer, ob wohl jemand von den DarstellerInnen sich im Laufe des Stücks nicht ausziehen wird. Inhaltlich motiviert ist das alles nicht, schockieren kann man damit auch seit mindestens 20 Jahren niemanden mehr. So sieht man zunehmend fassungslos dem wilden Treiben auf der Bühne zu.
Subtil geht anders: Garga und Shlink (Sophie Basse, Mitte) liefern sich einen Kampf bis auf die nackte Haut Foto: Uwe Stratmann
Schauspielerisch kann am ehesten noch Sophie Basse überzeugen, die die Männerrolle des Shlink gibt. Auch sie kann aber nicht verhindern, dass es der Inszenierung an keiner Stelle gelingt, beim Zuschauer Mitgefühl, Sympathie oder wenigstens Verachtung für die Figuren zu erzeugen. Sie bleiben farblos, ihre Handlungen nicht nachvollziehbar. Einerseits hat die Regisseurin versäumt, einen deutlichen Bezug zur Gegenwart herzustellen, andererseits versucht sie, herkömmliche Inszenierungsmuster zu durchbrechen, indem etwa Dialoge gar nicht mehr gesprochen, sondern nur noch auf einem Bildschirm abgespult werden. So schwankt das ganze Stück zwischen einer Aussage, die in ihrer Banalität schon seit Jahrzehnten veraltet ist, und einer modernistischen Inszenierung, die einen verstehen lässt, warum der Begriff Regietheater für viele Zuschauer so negativ besetzt ist. „Sprache reicht zur Verständigung nicht aus“, sagt Garga einmal. Ein paar Nackte und wildes Herumspringen reichen allerdings auch nicht aus für einen zeitgemäßen Theaterabend.