Mit ‘ARD’ getaggte Beiträge

Olympia-Berichterstattung bei ARD und ZDF: eine Farce

Veröffentlicht: 17. August 2016 in Journalismus, TV
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Da ein vier Jahre alter Artikel zu den Eurosport-Leichtathletik-Kommentatoren hier immer noch Resonanz findet, schreibe ich mal wieder was zu Olympia. Seit eineinhalb Wochen ärgere ich mich über die Berichterstattung von ARD und ZDF, die ja spätestens alle 20 Minuten zu einer anderen Sportart schalten (Hauptsache, ein Deutscher hat Medaillenchancen), und trauere vergangenen Olympischen Spielen nach, für die auch Eurosport die Rechte hatte. Da konnte man sicher sein: Wenn Leichtathletik stattfindet, wird auch stundenlang Leichtathletik übertragen, und wenn man wegen Zeitverschiebung oder weil man keine Zeit hatte, was verpasst hat, kann man sich vormittags noch mal stundenlang die Wiederholung anschauen.

Bei ARD und ZDF ist es hingegen ein Glücksspiel, überhaupt mal Leichtathletik zu sehen, da die tagsüber lieber so was Spannendes wie Springreiten zeigen. Selbst wenn es nachmittags mal ein Lauffinale gibt wie gerade die 3000m Hindernis, hat man die Wahl, sich entweder im Fernsehen Tischtennis (!) anzusehen oder im Internet einen unkommentierten (!!) Livestream des Rennens (was machen eigentlich die Kommentatoren des jeweils anderen Senders, der im TV gerade nicht dran ist; könnte man die nicht dafür einsetzen, die Livestreams zu kommentieren, die auf beiden Webseiten übertragen werden?). Wahrscheinlich will das ZDF dem Ärger abhelfen, indem es einen zur Meditation zwingt, denn etwas Meditativeres als eine unkommentierte Sportübertragung lässt sich wohl nur schwerlich finden.

Für alle, die sich nicht die Nacht um die Ohren hauen wollen oder können, gibt’s dann noch die morgendlichen Highlights-Sendungen. Die dauern drei Stunden, wobei Leichtathletik (oder in der ersten Woche Schwimmen) mal am Anfang, mal am Ende, mal mittendrin und manchmal auch zweigeteilt mit eineinhalb Stunden Unterbrechung zusammengefasst wird. Großartig! Wir haben alle nichts anderes zu tun als vormittags stundenlang vor dem Fernseher zu warten, wann die interessanteste Sportart drankommt. Ich will auch keine Trainer im Studio sehen und schon gar keine schon nachts in Rio gut gelaunten Moderatorenduos, die zwischendurch mal mit der Kokosnuss anstoßen. Wenn ich schon alle vier Jahre mal Sport gucke, will ich die Wettkämpfe sehen und sonst nichts!

Was bin ich froh, dass für die nächsten Olympischen Spiele Eurosport die Erstübertragungsrechte hat, und ich würde es denen auch gönnen, dass ARD und ZDF sich bei ihren Verhandlungen verspekulieren und gar keine Übertragungsrechte abbekommen (wonach es zurzeit ja aussieht). Dann freue ich mich, Sigi Heinrich und Dirk Thiele wieder hören zu können (falls die es dann noch mal machen) und von den öffentlich-rechtlichen Knallchargen verschont zu bleiben.

Meine heimlichen Helden: Dirk Thiele und Sigi Heinrich

Veröffentlicht: 14. August 2012 in Journalismus, TV
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In den letzten 2 1/2 Wochen habe ich fast keinen anderen TV-Sender geguckt als Eurosport, obwohl der so weit hinten auf meiner Fernbedienung liegt, dass ich ihn im Grunde nur alle vier Jahre wahrnehme. Nämlich immer dann, wenn das Olympia-Fieber meine Sportallergie besiegt. Da ich mich nur für zwei Sportarten interessiere, nämlich Schwimmen und vor allem Leichtathletik, kommt mir die Live-Berichtertattung der Briten wesentlich mehr entgegen als die von ARD und ZDF. Letztere übertragen ja überwiegend nur die Wettkämpfe, bei denen Deutsche Medaillenchancen haben. Das führt dann zu so absurden Entscheidungen wie zur besten Sendezeit ein Beach-Volleyballspiel zu übertragen, während alle Welt fiebert, wer beim 100-Meter-Lauf schnellster Mann der Erde wird.

Na, die Einschaltquote scheint ihnen ja Recht zu geben, sollen sich doch acht Millionen Deutsche angeguckt haben, wie vier Sportler auf Sand rumspringen und einen Ball übers Netz spielen – für mich allenthalben an langweiligen Sommerurlaubstagen als Betätigung vorstellbar (also, jetzt nicht für mich selbst, ich würd eh keinen Ball übers Netz bekommen). Ein paar Tage später dann: Hockey. Geht’s noch uninteressanter? Kennt da überhaupt jemand die Spielregeln? 800 m-Lauf der Damen und Staffel fanden nur als Aufzeichnungen in der Halbzeitpause Platz, immerhin wurde wohl mal kurz zum 200 m-Lauf mit Usain Bolt geschaltet. Dass es viel mehr Spaß macht, Wettkämpfe in voller Länge zu verfolgen (selbst Stabhochsprung), statt von Häppchen zu Häppchen zu springen, haben die Öffentlich-Rechtlichen ohnehin nicht verstanden.

Bei Eurosport, wo man dank der europaweiten Verbreitung keine Rücksicht auf nationale Befindlichkeiten nehmen kann und muss, werden hingegen zur Primetime nur die populärsten Sportarten übertragen. Und das heißt eben: Abends drei bis vier Stunden Leichtathletik. Herrlich, ich sehe lieber die dritte Siegerehrung im Stadion als drei Minuten Ballsport. Wegkommentiert wird stundenlang alles von den immer gleichen beiden Reportern: Dirk Thiele und Sigi Heinrich. Die sind zwar gewöhnungsbedürftig, aber mir immer noch lieber als die Schnarchnasen bei ZDF oder ARD, die sich meist so anhören, als warteten sie nur darauf, dass sie bald ausstempeln könnten (und deren Allgemeinbildung gegen Null zu gehen scheint, können sie doch weder Liam Gallagher richtig aussprechen noch Westminster Abbey von St. Paul’s Cathedral unterscheiden). Die beiden Eurosportler sind hingegen wie ein altes Ehepaar, das sich hin und wieder mal chauvinistische Bemerkungen zuwirft („Du schickst doch immer deine Frau zum Einkaufen“) oder auch mal tierisch aufregt, wenn die eigene Bildregie die Langstreckenläufer statt der Hochspringer zeigt.

Höhepunkt ihres Auftretens war aber der letzte Wettkampfnachmittag, als Heinrich plötzlich Hockey kommentieren musste, während Thiele beim Marathon war. Letzterer sprach von sich selbst verwirrenderweise immer in der dritten Person: „Gleich kommentieren Dirk Thiele und [Expertin einsetzen] für Sie den Marathon, aber erst einmal zu Siegfried Heinrich beim Hockey.“ – „Ja, hier ist Sigi. Schön, dass du auch dich selbst nennst. Aber dich kennt man doch, da wissen die Leute doch, wer du bist.“ Tags zuvor beim 50 km-Gehen der Männer – ein absolut faszinierendes Ereignis, nicht weil so spannend gewesen wäre, wer gewinnt, sondern, weil ich ständig befürchtete, es würde noch ein Teilnehmer kurz vorm Ziel entweder zusammenbrechen oder disqualifiziert werden -, schaffte Thiele es, in einer halben Minute drei ausgelutschte Metaphern einzubauen (Bild von Uhrenturm: „Seine Stunde schlägt jetzt auch“, Bild einer grünen Ampel: „Für ihn steht die Ampel jetzt auf Grün“, das dritte war wahrscheinlich ein Stoppschild oder so was). Auch das ist ein bemerkenswerter Rekord. Was mache ich jetzt bloß abends ohne Olympia? Wann ist noch mal die nächste Leichtathletik-WM?

Heute Abend (vor 32 Jahren) im Fernsehen

Veröffentlicht: 16. August 2011 in TV
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ARD:

20.15 Ein Fluß für Polen – „Weichselprogramm 2000“

21.15 Fiesta Mexicana (2) – „Es lebe Zapata!“ Film-Collage

21.55 Anatomie des Kusses (2)

23 Uhr Bayern in der NS-Zeit

Sendeschluss: ca. 0.05

ZDF:

19.30 Der große Preis – Heiteres Spiel für gescheite Leute mit Wim Thoelke

21.20 Augenzeugen berichten: Der Spion, der aus Deutschland kam

22.05 Das kleine Fernsehspiel: Elvis – Musik: Elvis Presley

Sendeschluss: ca. 23.25

West / Nord / Hessen 3:

20.15 Flucht vor dem Tode – Spielfilm, USA 1952

Bayern 3:

20.35 Alfred Kubin – Porträt des Zeichners und Schriftstellers

(Programm vom 16. August 1979)

Und verdammt, ich hab Edys Stammtisch um 19 Uhr bei Radio Luxemburg verpasst. Den Heini hat meine Mutter immer sonntagmorgens mit der Volksmusikhitparade gehört.

Dass Dominik Grafs Serie jetzt bei der Ausstrahlung im Ersten gefloppt ist, war ja so vorhersehbar wie nur irgendwas. Und trotzdem brechen wieder die alten Diskussionen aus, wer eigentlich schuld ist: die ARD, das tumbe Publikum oder doch die Filmemacher selbst. Meine Meinung dazu: Jedes Programm hat die Zuschauer, die es verdient. Oder: die, es sich herangezogen hat. Barbara Schweizerhof zieht in ihrem Artikel im „Freitag“  das richtige Fazit, dass es an falschen bzw. nicht vorhandenen Programmplätzen und mangelnder Ausdauer der Sender liegt. Wenn sie damit auch ihrer eigenen Argumentation ein paar Absätze vorher widerspricht, dass man der ARD keinen Vorwurf daraus machen könne, auf niedrige Quoten zu reagieren (indem sie die letzte Folge eine Woche früher als geplant zu nachtschlafender Stunde versendete).

Den Fehler, den ARD und ZDF immer wieder machen, ist zu denken, wenn sie schon mal eine anspruchsvolle Serie produziert haben, diese dann auf den Programmplätzen zu senden, an dem sonst eher Durchschnittskost läuft. So lief IADV dann freitagabends, wo sonst „Tatort“-Wiederholungen gesendet werden. Genauso machte es das ZDF mit KDD am Freitag, dem einfachen Gedanken folgend: Ist doch auch ’ne Krimiserie, dann werden das die Leute, die da sonst SOKO Leipzig gucken, das schon auch sehen wollen. Das ist natürlich Quatsch, denn die Leute, die sonst nur Krimis à la SOKO, „Der Alte“ und „Tatort“ gucken, können mit der komplexeren Erzählweise und der experimentelleren Inszenierung von Serien wie KDD oder IADV meist nichts anfangen.

Man muss sich doch nur mal einen durchschnittlichen „Tatort“ angucken. Klar, gibt es da ab und an mal eine gelungene Folge, aber meistens ist das doch eher filmische Hausmannskost, die halt niemanden verschrecken soll, der kleinste gemeinsame Nenner. Altbackener und konventioneller als die Folge gestern Abend kann man ja z.B. einen Krimi gar nicht mehr inszenieren. Und dann kommt Graf mit seinen erzählerischen Spiralen, seinen undeutlichen Tonspuren und seinen surrealistischen Bildelementen und man wundert sich, dass das den „Tatort“-gewohnten ARD-Zuschauer überfordert.

Die eigentliche Zielgruppe dieser Serien wären die (eher jüngeren, eher gebildeteren) Leute, die sich auch „The Wire“ und „Die Sopranos“ angucken. Nur, die erreicht man mit ARD und ZDF schon gar nicht mehr, weil da an 95 % der Abende sowieso nichts Interessantes läuft. Und wieso sollten die freitags was Gutes erwarten, wenn da sonst nur SOKO und „Der Alte“ läuft? Wenn überhaupt haben die die Serie dann schon längst bei arte gesehen (so wie ich) oder warten auf die DVD. Da aber nur die nackte Quote zählt (warum eigentlich, wo doch abends eh keine Werbung laufen darf?), und nicht zusammen gerechnet wird, gelten zwei Millionen Zuschauer in der ARD bei IADV dann eben als Flop.

Die Lösung wäre, tatsächlich langfristig Programmplätze für anspruchsvollere Formate aufzubauen. Also nicht: Alles, was irgendwie Krimi ist, wird freitagabends versendet, sondern: Alles, was anspruchsvoller ist als die Durchschnittskost, wird z.B. mittwochabends gesendet. Und zwar konsequent eine Serie nach der anderen, auch wenn die Quote dann halt schlechter ist als am Freitag. Das müsste sich ein gebührenfinanzierter Sender leisten können. Dann spricht sich vielleicht nach ein paar Monaten (oder Jahren) rum: Ey, mittwochabends um Viertel vor Elf laufen im Ersten immer gute Serien. Und dann schalten da vielleicht auch mal mehr Leute ein.

Das Problem: Selbst, wenn die Sender das machen wollten, hätten sie ja gar keine freien Programmplätze mehr dafür. Denn die Programme von ARD und ZDF sind mittlerweile so durchformatiert, dass es ja schon Probleme macht, wenn plötzlich eine politische Talkshow mehr in der Woche gesendet werden soll. Weil halt an bestimmten Konventionen nicht mehr gerüttelt werden darf: montags muss eben „In aller Freundschaft“ kommen, freitags die Krimis usw. So muss dann die eine anspruchsvolle Serie, die man im Jahr mal hat, auf Teufel komm raus, auf den Krimiplatz gequetscht werden. Eine absurde Programmpolitik. Dass dabei überhaupt ab und zu mal eine halbwegs anspruchsvolle, halbwegs erfolgreiche Serie rauskommt wie aktuell „Weissensee“, ist im Grunde ein Wunder.

ARD-Jugendwellen talken ab April gemeinsam

Veröffentlicht: 1. März 2010 in Radio
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Bevor es in den Kommentaren unter geht: Ab April geht die „Nightline“ bei You-FM in einer neuen Hörertalkshow auf, die sieben Jugendwellen der ARD gemeinsam produzieren. Damit konnte You-FM-Wellenchef Jan Weyrauch seine Pläne wohl verwirklichen, über die er mir im Oktober während meines Interviews für den „journalist“ erzählt hatte, was ich damals allerdings nicht zitieren durfte, weil die Verhandlungen mit den anderen Sendern noch im Gange waren. Schön, dass es auch weiterhin anspruchsvolles Wortprogramm an diesem Sendeplatz geben wird, auch wenn Holger Klein dann wohl leider nur noch einmal pro Woche moderieren wird, wenn ich es richtig verstanden habe.

(Danke an Komet.)

Gerade lief bei Bayern2 eine „Zündfunk“-Sendung zum Thema 25 Jahre Privatfernsehen in Deutschland. Weitestgehend ist das eine Geschichte des Niedergangs, und zwar interessanterweise sowohl eine des Privat- wie auch eine des öffentlich-rechtlichen TVs. Als RTL plus Mitte der 80er auf Sendung ging, war es sicherlich trashig – aber es war auch innovativ, brachte einen frischen Wind ins verstaubte deutsche TV-Programm. Man denke nur an Sendungen wie „Eine Chance für die Liebe“ mit Erika Berger, „Alles Nichts oder“ mit Hella von Sinnen und Hugo Egon Balder oder auch „Der heiße Stuhl“ mit Ulrich Meyer.

So etwas hatte man bis dahin in der BRD noch nicht zu sehen bekommen. Plötzlich wurde da auf dem Fernsehschirm ganz offen über sexuelle Probleme gesprochen, Showmaster wurden mit Torten beworfen und in Talkshows gab es auf einmal inszenierten Konflikt statt gepflegten Konsens. Wobei man auch sagen muss: Was damals für so manchen Skandal gut war, würde heute keinen Kritiker mehr hinterm Sofa hervorlocken. Beim „Heißen Stuhl“ etwa wurden ja durchaus noch gesellschaftlich relevante Themen diskutiert, manchmal waren sogar Politiker unter den Teilnehmern. Bei „Tutti Frutti“ zogen sich bleiche Zuschauer ungelenk aus – aber nur bis auf die Unterwäsche. Wenn man sich dagegen heutige Shows wie „Big Brother“, „Das Dschungelcamp“, „Guilia in Love“ oder „Das Model und der Freak“ betrachtet, muss man feststellen, dass es dabei nur noch darum geht, an die niedersten Instinkte der Zuschauer zu appelieren – und dafür die Menschenwürde der Teilnehmer mit Füßen zu treten. Da sehnt man sich doch fast nach Karl Dalls Playboy-Häschen zurück, wenn man heute schon in Programmtrailern mit irgendwelchen Insekten verspeisenden C-Promis konfrontiert wird.

Umgekehrt ist das Programm von ARD und ZDF, jedenfalls in den beiden Hauptprogrammen, kaum noch von der privaten Konkurrenz zu unterscheiden. Vor allem das Nachmittags- und Vorabendprogramm könnte mit seinen Daily Soaps, Boulevardmagazinen und Telenovelas genauso auch bei RTL oder Sat 1 laufen. Und auch zur Hauptsendezeit gibt es im Ersten und im ZDF hauptsächlich Florian Silbereisen, Rosamunde Pilcher, SOKO irgendwas und Quizshows mit Jörg Pilawa zu bewundern. Anspruchsvollere Sendungen wie investigative Reportagen oder gute Spielfilme laufen dann erst im Spätprogramm. So hatte das komplexe Drama „Babel“ neulich seine Free TV-Premiere um 0 Uhr in der ARD. Ein Armutszeugnis. Wenn man zur Hauptsendezeit einen anspruchsvollen Spielfilm sehen will, bleibt meist nur arte.

Über das Privatfernsehen wiederum kann man herziehen, soviel man will. Natürlich sind 90 bis 95 Prozent von deren Eigenproduktionen Trash (Ausnahmen wie „Switch“ oder „Wer wird Millionär?“ bestätigen wohl eher die Regel.). Dafür laufen aber ausnahmslos alle anspruchsvolleren US-Serien bei Privatsendern – was hauptsächlich daran liegt, dass bei ARD und ZDF so gut wie gar keine US-Serien mehr laufen. So sind es „böse“ Unterschichtensender wie Pro Sieben und RTL II, die Highlights wie „Battlestar Galactica“, „Rome“, ER, „Nip/Tuck“, „Californication“ etc. ausstrahl(t)en (und manchmal dann leider auch schnell wieder absetzen oder auf nachtschlafende Sendezeiten verschieben, wenn die Quote nicht stimmt). Bis Anfang der 90er wären komplexe HBO-Serien wie „Six Feet Under“ sicher noch im Ersten oder Zweiten gelaufen, wenn in den USA denn damals schon solche anspruchsvollen Serien produziert worden wären. „Die Simpsons“ und „Die Sopranos“ sind seinerzeit ja auch beide noch im ZDF gestartet worden, wurden aber schnell wieder abgesetzt und erst später bei Pro Sieben bzw. Kabel Eins richtig bekannt.

Wieso kauft die ARD nicht mal eine Serie wie „The West Wing“ ein, gegen deren Brillianz jeder noch so sozialkritische „Tatort“ (wie z.B. der heute Abend vom BR) einfach nur bemüht wirkt? Oder meinetwegen „The Wire“, das fürs deutsche Privatfernsehen natürlich zu sophisticated ist? Wenn das ö.-r. TV mal eine hoch gelobte neuere US-Serie einkauft, wie jetzt „30 Rock“, zeigt es diese dann auf einem digitalen Spartenkanal, den 60 Prozent der Deutschen gar nicht empfangen können. Da ist es natürlich kein Wunder, dass die jungen, gebildeten Zuschauer sich vom Fernsehen abwenden und sich lieber DVD-Boxen anschauen (oder andere, weniger legale Wege nutzen). Wieso sollten intelligente Menschen auch auf Hausmannskost wie „Lindenstraße“, „Ein Fall für Zwei“ oder „In aller Freundschaft“ zurück greifen, wenn sie sich bei Amazon oder kino.to an Haute Cuisine aus der Küche von HBO oder Showtime gütlich tun können?

Die Frage, wieso es ARD und ZDF fast nie schaffen, vergleichbar gute Serien zu produzieren, möchte ich gar nicht erst stellen. Wir Deutschen ziehen ja gerne über die angebliche geistige Schlichtheit des durchschnittlichen US-Amerikaners her. Aber wieso war bei denen eine hoch komplexe, hoch politische Serie wie „West Wing“ so erfolgreich, dass sie sieben Staffeln bekam, während beim ZDF schon um die dritte Staffel von „KDD“ gerungen werden muss? Solange sich da nicht grundsätzlich etwas ändert, ist es leider nur wohlfeil, über die privaten „Schmuddelsender“ zu schimpfen.

Warum ist der „Presseclub“ so tendenziös?

Veröffentlicht: 20. September 2009 in Politik, TV
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Ist die überwiegende Mehrheit der politischen Journalisten in Deutschland konservativ oder sucht die ARD nur solche für die Teilnahme am „Presseclub“ aus? Eine Frage, die ich mir schon öfter gestellt habe. Bei der heutigen Sendung war es wieder mal besonders auffällig: Der Vertreter der Badischen Zeitung sagt, die Agenda 2010 habe doch so viele neue Arbeitsplätze gebracht. Keiner widerspricht. Ex-FAZ-Herausgeber Hugo Müller-Vogg malt das Schreckgespenst einer rot-rot-grünen Bundesregierung an die Wand: „Die Reichen würden auswandern, die Armen würden nicht reicher werden und die Mittelschicht würde durch höhere Abgaben belastet.“ Eine der beiden Journalistinnen, die auch noch teilnehmen dürfen, kichert zustimmend und sagt: „Ja, genau.“ Von Gegenstimmen keine Spur, niemand, der den neoliberal-konservativen Meinungsmainstream mal in Frage stellen würde. Sieht so ausgewogene öffentlich-rechtliche Meinungsbildung aus?

Man könnte z.B. mal fragen, was denn an Müller-Voggs Prognose so schlimm wäre, selbst wenn sich diese erfüllen würde. Im Moment sieht es nämlich so aus: Die Reichen werden immer reicher, die Armen immer ärmer und immer zahlreicher und die Mittelschicht schrumpft. Ist das wirklich so viel besser als die oben genannte Voraussage? Solange im „Presseclub“ aber hauptsächlich neoliberale Vorbeter wie Jörges und Reitz als Stammgäste sitzen (und ab und zu mal eine Bettina Gaus oder früher auch Bascha Mika von der taz als linke Alibi-Gäste), werden wir auf solche kritischen Gegenfragen wohl weiter vergeblich warten müssen.

Eine Frage, die sich die „Tagesthemen“ vielleicht mal stellen sollten. Am Tag, an dem im Prozess Fritzl das Urteil gesprochen wurde, einem Fall, der in der ganzen Welt die Menschen interessiert hat und besonders natürlich diejenigen in den deutschsprachigen Ländern, macht das ARD-Nachrichtenmagazin mit Steinbrücks Kampf gegen die Steueroasen auf, bringt danach zehn Minuten lang Belanglosigkeiten zu irgendwelchen EU-Maßnahmen gegen die Wirtschaftskrise und fünf Minuten vor Schluss noch einen Andernthalbminüter zu dem Urteil. Also, nichts gegen Zurückhaltung, und dass die ARD nicht auf jede Sex and Crime-Story aufspringt, wie RTL & Co. das machen, ist ja schön. Aber so dermaßen das Informationsbedürfnis des Publikums zu ignorieren, kann sich eigentlich kein Sender leisten. Und dann wundern die sich, dass die Leute lieber „RTL aktuell“ gucken…

Ist mir bei den „Tagesthemen“ übrigens schon öfter aufgefallen, dass die eine sehr merkwürdige Vorstellung haben, was denn nun die wichtigsten Themen des Tages waren. Neulich brachten die als Aufmacher einen Bericht darüber, wie sich ein ehemals stark verschmutzter Fluss wieder erholt hat, mit Aufnahmen von fröhlichen Fröschen und O-Tönen irgendwelcher Landschaftsschützer. Ein Bericht, der schön in die „Lokalzeit“ gepasst hätte, aber ganz bestimmt nicht als erster Beitrag in ein bundesweites Nachrichtenmagazin.

Während Harald Schmidt seine besten Zeiten schon einige Jährchen hinter sich hat und Oliver Pocher noch in seiner Sendung üben lässt, zeigen ein Österreicher und ein Exil-Deutscher uns Piefkes, wie man eine wirklich lustige Late Night-Show produziert: Christoph Grissemann und Dirk Stermann bilden seit vielen Jahren ein grenzgeniales Kabarett-Duo. Ihre ORF-Show „Willkommen in Österreich“ lief gestern zum 61. Mal. Manchmal wird die Sendung auch auf 3sat wiederholt (zum Beispiel gestern Abend), aber leider nicht jede Woche. Macht aber fast nichts, da man sich die Sendungen, bis auf die jeweils aktuelle, auch als Stream angucken kann. Hier die Show, die 3sat gestern wiederholt hat (aus der letzten Woche).

Die Sendung ist so lustig, wie es „Die Harald Schmidt-Show“ vor sechs Jahren war. Wo Schmidt und Pocher nicht wirklich miteinander harmonieren, bilden Grissemann und Stremann ein perfekt aufeinander eingespieltes Duo. Das beherrscht, was den ARD-Kollegen völlig abgeht: Selbstironie. Statt Längen gibt es Gag auf Gag und eine originelle Bildregie mit Split-Screens. Und statt dem alten Sack Helmut Zerlett spielt eine junge, wilde Band aus Russland.

Im Radio moderieren die beiden Komiker ebenfalls jede Woche: In Deutschland läuft ihre „Show Royal“ sonntags von 16 bis 18 Uhr auf Radio Eins beim rbb in Berlin. Seit „Kuttner & Kuttner“ beim gleichen Sender eingestellt wurde, dürfte das das Lustigste sein, was es im deutschen Radio zu hören gibt.  Außerdem spielen Grissemann und Stermann zwei der drei Hauptrollen in einer der abgefahrensten Komödien, die ich in den vergangenen Jahren gesehen habe: dem wunderbaren „Immer nie am Meer“ mit Heinz Strunk in der dritten Hauptrolle. Solche Filme können nur die Österreicher drehen: sarkastischer Humor bis zum Abwinken, dazu eine Story mit existenzialistischer Fallhöhe. In Deutschland lief der leider nur in den üblichen Großstädten, in denen man mit solchen Off-Meisterwerken noch Programmkinos gefüllt bekommt.

In letzter Zeit wurde ja viel Brimborium um Elke Heidenreich, ihren Rauswurf beim ZDF und den Umzug ihrer Sendung „Lesen!“ ins Internet gemacht. Während sich die Experten streiten, ob das Experiment, eine etablierte TV-Sendung ins Netz zu verlegen, denn nun gelungen oder gescheitert ist, hat Else Buschheuer neulich in ihrem Tagebuch ganz richtig bemerkt, dass die beste Buchsendung Deutschlands eigentlich eine ganz andere ist: das ARD-Format „Druckfrisch“, das etwa einmal im Monat am späten Sonntagabend im Ersten läuft. Gestern war es wieder einmal soweit; es war die 50. Ausgabe.

Während „Lesen!“, egal ob man es nun im klassischen Fernsehen oder im modernen Online-Format schaut, eigentlich nur abgefilmtes Radio ist (eine Frau sitzt an einem Schreibtisch und redet eine halbe Stunde über Bücher), nutzt „Druckfrisch“ die Möglichkeiten des visuellen Mediums Fernsehen voll aus. Moderator Scheck trifft Schriftsteller da, wo sie wohnen und arbeiten: Christian Kracht in einem Bergwerk in der Schweiz (o.k., da arbeitet er nicht, aber sein aktueller Roman spielt teilweise in einem schweizer Bergwerk), mit einem isländischen Autor badet er in einer heißen Quelle usw. Dabei hat er keine Angst, sich auch einmal lächerlich zu machen. Wo Heidenreich nur Bücher vorstellt, die sie für lesenswert hält, schreckt Scheck auch nicht davor zurück zu provozieren, zu verreißen, zu polemisieren. Wie es halt bei guter Literaturkritik sein sollte: Man muss nicht jede Meinung teilen, aber man kann sich an ihr reiben. Man erfährt nicht nur, welche Bücher man lesen sollte, sondern auch, von welchen man die Finger lassen sollte. Ob man dann den Empfehlungen des Kritikers/Moderators folgt, muss letztlich sowieso jeder für sich selbst entscheiden.  Aber Scheck arbeitet nicht mit erhobenem Zeigefinger, sondern mit einer ironisch-lockeren Art und mit teilweise starken TV-Bildern. Und wer das alles lieber im Internet sehen will, kann das Ganze vermutlich auch in der ARD-Mediathek finden.