Der Comic-Salon Erlangen, der alle zwei Jahre stattfindet und vor Kurzem wieder einmal, zeigte mal wieder überdeutlich, wie trostlos der Zustand des deutschen Comic-Journalismus immer noch ist. Bei den selbst ernannten Comic(fach)magazinen im Internet war am Montag nach dem Salon immer noch nicht zu erfahren, wer am Freitagabend bei der Verleihung der Max und Moritz-Preise gewonnen hatte (immerhin der wichtigste Preis im deutschsprachigen Raum). Stattdessen stellen die Splashpages lieber komplette Mitschnitte einstündiger Diskussionsrunden ins Internet, in einer absurd schlechten Bild- und Tonqualität, so dass man auf schlechteren Monitoren gar nicht erkennen kann, wer da gerade spricht.
Eine begleitende Berichterstattung, die den Namen wirklich verdient, findet man nicht etwa bei den Online-Comicmagazinen, sondern im FAZ-Comicblog von Andreas Platthaus – da merkt man dann einerseits wieder, dass es eben doch noch einen Unterschied zwischen Qualitätsjournalismus und dem Rest gibt, andererseits ist es auch bezeichnend, dass über das größte Event der deutschen Comicszene dann auch wieder nur im Blog, nicht im Nachrichtenportal von FAZ.NET berichtet wird – und auf einer Seite, wo ich gar nicht damit gerechnet hätte: Bei SF-Radio lieferten Thomas Dräger und Kollegen eine interessante Videoberichterstattung. Anders als bei den Splashpages stellten sie nicht einfach ellenlange Mitschnitte online, sondern stellten aus Ausschnitten, Interviews und Impressionen magazinartige Sendungen zusammen – eben so, wie man es auch im Fernsehen machen würde.
Die meisten Print-Fachmagazine über Comics sind ja schon vor etwa zehn Jahren eingestellt worden. Verblieben sind die wiederbelebte, aber nur noch sehr selten erscheinende „Comixene“ und die schon immer nur zwei Mal im Jahr rauskommende „Reddition“. Die ist kein aktuelles Maagzin, sondern eher eine Art Sekundärbuchreihe im Zeitschriftenformat; es geht nämlich in jeder Ausgabe nur um ein, maximal zwei Themen (einen Zeichner, eine Serie, eine Zeitschrift oder einen Verlag), die auch meistens keinerlei aktuellen Anlass haben. In der neuesten Ausgabe kann man z.B. auf knapp 80 Seiten fast alles über den Franzosen Jacques Tardi erfahren. Das ist alles sehr interessant, sehr ausführlich und überwiegend auch ansprechend geschrieben – von einem Artikel abgesehen, den ein verquast schreibender Literaturwissenschaftler beigesteuert hat.
Aber anders als in der alten 70er Jahre-„Comixene“ bleibt die Behandlung des Themas immer werkbezogen, allenfalls werden noch kurz Bezüge zu anderen Comiczeichnern aufgezeigt. Aber so etwas wie eine gesellschaftliche Einordnung, etwas über die sozialen Bedingungen und Rückwirkungen von Tardis Comics, sucht man vergebens. Letztlich schreiben hier – wenn auch auf hohem Niveau – Nerds für Nerds über ein – zumindest für Deutschland – nerdiges Thema. Ich gehe davon aus, dass die 1500 Exemplare zu 90 Prozent von Männern gekauft werden, von denen wiederum die überwiegende Zahl älter als 40 sein wird.
Zum Schluss noch was Positives, was aber nichts mit Sekundär-, sondern mit Primärliteratur zusammenhängt: Es gibt ein neues Erwachsenen-Comicmagazin in Deutschland! Und es ist nicht nur saugünstig, sondern auch noch saugut! „Comix“ kostet nur zwei Euro, ist randvoll mit Comics deutschsprachiger Autoren, vom Newcomer zum alten Hasen, der schon in den USA Spider-Man und Batman gezeichnet hat, und zu Ralf König, den eh jeder kennen dürfte. Die Comics sind überwiegend populär, aber durchaus ambitioniert, von reinen Gagstrips über ausufernde SF bis zu künstlerisch gestalteten Graphic Novels.
Der Clou des Ganzen: Der niedrige Preis wird u.a. durch die Verwendung billigen Zeitungspapiers ermöglicht. Laut Verleger Martin Jurgeit – der auch schon ZACK und die „Comixene“ wiederbelebt hat – soll man die Hefte gar nicht sammeln, sondern in der Bahn, in der Wanne oder im Café verschlingen – und danach ins Altpapier werfen. Und sich, wenn einem einzelne Serien besonders gut gefallen haben, die entsprechenden Alben kaufen. Jeder, der Lust hat, eine bunte Mischung guter Comics für wenig Geld zu bekommen, sollte mal am Bahnhof oder im Comicshop vorbeigehen und sich ein „Comix“ kaufen – viel falsch machen kann man bei dem Preis sowieso nicht.