Mit ‘Comixene’ getaggte Beiträge

Es tut sich was im Blätterwald der Comic-Szene

Veröffentlicht: 24. November 2011 in Print
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In den 90ern gab es teilweise fünf, sechs gleichzeitig erscheinende allgemeine Comic-Fachzeitschriften, also Magazine, die mehr oder weniger regelmäßig über Neuerscheinungen, Zeichner und Autoren oder Neuigkeiten aus der Verlagsbranche berichteten. Dazu kamen dann noch einige Titel, die auf bestimmte Teilaspekte der Comicszene spezialisiert waren. Nach und nach wurden fast alle der allgemeinen Magazine eingestellt, meistens nicht wegen sinkender Verkaufszahlen, sondern wegen anderer Prioritäten der Herausgeber. Übrig blieb eigentlich nur noch die altehrwürdige „Comixene“, die in den 70ern die erste Zeitschrift dieser Art im deutschsprachigen Raum war. In den vergangenen Jahren erschien sie aber immer seltener.

Umso überraschender, dass diese Woche nicht nur die „Comixene“ ein häufigeres Erscheinen zu einem günstigeren Preis angekündigt hat, sondern sich auch ein neuer Konkurrent angekündigt hat. Volker Hamann und Mathias Hofmann, die dieses Jahr bereits das neue (sehr empfehlenswerte) jährliche Handbuch „Comic Report“ gestartet haben, wollen ab nächsten Juni mit „Karacho“ ein neues dreimonatliches Sekundärmagazin herausgeben. Das könnte richtig gut werden, bringt Hamann doch bereits seit seinen Schülerzeiten vor 25 Jahren die meist monothematische „Reddition“ heraus, die zum Interessantesten gehört, was man auf Deutsch so über Comics lesen kann.

Thomas Kögel vom Online-Magazin „Comicgate“ hat den Machern der beiden Magazine jeweils einige Fragen gestellt. Schon interessant, dass es in unseren Medienwandelzeiten, in denen Print doch angeblich in den letzten Zügen liegt, immer noch Menschen gibt, die an solche Nischenmagazine glauben.

Wolfram Schütte 1969 in „film“ über „Spiel mir das Lied vom Tod“:

„… ein auf den kapitalistischen Weltmarkt ausgerichtetes Herrenmenschen-Epos, das alles ausbeutet, was es für dieses Genre noch auzubeuten gibt, um es doch noch einen Schritt weiterzubringen, wiewohl hier aller Fortschritt auf der Stelle tritt…Ausgebeutet soll aber dadurch auch ein Publikum werden, dem die Kombination bekannter Namen mit einem ihm hinlänglich bekannten Genre eine erhöhte Dosis Opium annonciert, an dessen Verbrauch es ja ausgiebig gewöhnt worden ist.“

Wim Wenders war zur gleichen Zeit in der „filmkritik“ , die auch als links galt, wesentlich gnädiger, um nicht zu sagen begeistert. Zum Glück schafft sich die Filmgeschichte im Laufe der Zeit ihre eigenen Klassiker, ohne dass die zeitgenössische Filmkritik darauf einen Einfluss hätte.

(In der „Comixene“ von 1981 wird „Das Imperium schlägt zurück“ noch als „verkappter Kriegsfilm“ bezeichnet. Heute kann man angesichts dessen, was an Gewaltdarstellung inzwischen üblich ist, darüber nur noch lachen.)

Der Comic-Salon Erlangen, der alle zwei Jahre stattfindet und vor Kurzem wieder einmal, zeigte mal wieder überdeutlich, wie trostlos der Zustand des deutschen Comic-Journalismus immer noch ist. Bei den selbst ernannten Comic(fach)magazinen im Internet war am Montag nach dem Salon immer noch nicht zu erfahren, wer am Freitagabend bei der Verleihung der Max und Moritz-Preise gewonnen hatte (immerhin der wichtigste Preis im deutschsprachigen Raum). Stattdessen stellen die Splashpages lieber komplette Mitschnitte einstündiger Diskussionsrunden ins Internet, in einer absurd schlechten Bild- und Tonqualität, so dass man auf schlechteren Monitoren gar nicht erkennen kann, wer da gerade spricht.

Eine begleitende Berichterstattung, die den Namen wirklich verdient, findet man nicht etwa bei den Online-Comicmagazinen, sondern im FAZ-Comicblog von Andreas Platthaus – da merkt man dann einerseits wieder, dass es eben doch noch einen Unterschied zwischen Qualitätsjournalismus und dem Rest gibt, andererseits ist es auch bezeichnend, dass über das größte Event der deutschen Comicszene dann auch wieder nur im Blog, nicht im Nachrichtenportal von FAZ.NET berichtet wird – und auf einer Seite, wo ich gar nicht damit gerechnet hätte: Bei SF-Radio lieferten Thomas Dräger und Kollegen eine interessante Videoberichterstattung. Anders als bei den Splashpages stellten sie nicht einfach ellenlange Mitschnitte online, sondern stellten aus Ausschnitten, Interviews und Impressionen magazinartige Sendungen zusammen – eben so, wie man es auch im Fernsehen machen würde.

Die meisten Print-Fachmagazine über Comics sind ja schon vor etwa zehn Jahren eingestellt worden. Verblieben sind die wiederbelebte, aber nur noch sehr selten erscheinende „Comixene“ und die schon immer nur zwei Mal im Jahr rauskommende „Reddition“. Die ist kein aktuelles Maagzin, sondern eher eine Art Sekundärbuchreihe im Zeitschriftenformat; es geht nämlich in jeder Ausgabe nur um ein, maximal zwei Themen (einen Zeichner, eine Serie, eine Zeitschrift oder einen Verlag), die auch meistens keinerlei aktuellen Anlass haben. In der neuesten Ausgabe kann man z.B. auf knapp 80 Seiten fast alles über den Franzosen Jacques Tardi erfahren. Das ist alles sehr interessant, sehr ausführlich und überwiegend auch ansprechend geschrieben – von einem Artikel abgesehen, den ein verquast schreibender Literaturwissenschaftler beigesteuert hat.

Aber anders als in der alten 70er Jahre-„Comixene“ bleibt die Behandlung des Themas immer werkbezogen, allenfalls werden noch kurz Bezüge zu anderen Comiczeichnern aufgezeigt. Aber so etwas wie eine gesellschaftliche Einordnung, etwas über die sozialen Bedingungen und Rückwirkungen von Tardis Comics, sucht man vergebens. Letztlich schreiben hier – wenn auch auf hohem Niveau –  Nerds für Nerds über ein – zumindest für Deutschland – nerdiges Thema. Ich gehe davon aus, dass die 1500 Exemplare zu 90 Prozent von Männern gekauft werden, von denen wiederum die überwiegende Zahl älter als 40 sein wird.

Zum Schluss noch was Positives, was aber nichts mit Sekundär-, sondern mit Primärliteratur zusammenhängt: Es gibt ein neues Erwachsenen-Comicmagazin in Deutschland! Und es ist nicht nur saugünstig, sondern auch noch saugut! „Comix“ kostet nur zwei Euro, ist randvoll mit Comics deutschsprachiger Autoren, vom Newcomer zum alten Hasen, der schon in den USA Spider-Man und Batman gezeichnet hat, und zu Ralf König, den eh jeder kennen dürfte. Die Comics sind überwiegend populär, aber durchaus ambitioniert, von reinen Gagstrips über ausufernde SF bis zu künstlerisch gestalteten Graphic Novels.

Der Clou des Ganzen: Der niedrige Preis wird u.a. durch die Verwendung billigen Zeitungspapiers ermöglicht. Laut Verleger Martin Jurgeit – der auch schon ZACK und die „Comixene“ wiederbelebt hat – soll man die Hefte gar nicht sammeln, sondern in der Bahn, in der Wanne oder im Café verschlingen – und danach ins Altpapier werfen. Und sich, wenn einem einzelne Serien besonders gut gefallen haben, die entsprechenden Alben kaufen. Jeder, der Lust hat, eine bunte Mischung guter Comics für wenig Geld zu bekommen, sollte mal am Bahnhof oder im Comicshop vorbeigehen und sich ein „Comix“ kaufen – viel falsch machen kann man bei dem Preis sowieso nicht.

Filmkritik als Systemkritik: "film"-Ausgabe April 1969

Filmkritik als Systemkritik: "film"-Ausgabe April 1969

Als ich vor ein paar Jahren auf dem Trödelmarkt einige Exemplare der 70er Jahre-Comicfachzeitschrift „Comixene“ erstand, wunderte ich mich schon einmal darüber, dass es damals ganz normal war, in einem Interview mit einem Disney-Zeichner zu fragen, ob er mit dieser Art Comics nicht den Kapitalismus verkläre oder zumindest verharmlose und dadurch eine falsche Ideologie unterstütze. Auf dem Düsseldorfer Bücherbummel bin ich vorgestern über die wohl annähernd vollständigen Jahrgänge 1968/69 der Zeitschrift „film“ gestolpert; gekauft habe ich aber nur zwei Hefte. Ich hatte vage im Kopf, dass Wim Wenders vor seiner Filmkarriere mal Kritiken für die Zeitschrift geschrieben hatte, was aber wohl nur in einem Fall stimmte, ansonsten schrieb er hauptsächlich für die „Filmkritik“ (die heute ja einen ähnlich legendären Ruf genießt wie die alte „Comixene“ in der Comicszene).

Trotzdem hochinteressant, wie Ende der 60er eine kritische Filmzeitschrift aussah: In fast jedem Artikel geht es um Kapitalismuskritik, um die Frage, wie sich das Medium Film von gesellschaftlichen Zwängen befreien , was es zum Kampf gegen die herrschende Ordnung beitragen könne etc. Beiträge über „normale“ Filme – aus Hollywood oder Unterhaltungsfilme aus Europa oder woher auch immer – gehen dabei fast unter zwischen seitenlangen Interviews mit Godard über die französischen Filmkooperativen, Artikeln über deutsche Filmemacher, die ihre eigenen Verleihinitiativen gründeten und einer Beleuchtung der amerikanischen Underground- und politische Filmemacherszene, die u.a. ihre eigenen „Newsreels“ herstellten und vertrieben, eine Art linker „Anti-Wochenschau“ über Studentenproteste, Unterdrückung ethnischer Minderheiten usw.

Neben der Themenmischung, die heute etwas anachronistisch wirkt, fällt vor allem das Vokabular der Autoren auf – da ist in jedem Artikel von „marxistisch-leninistisch“, Kulturindustrie und Verblendungszusammenhängen die Rede – und die Radikalität der Diskussion. Was heute nicht mehr möglich wäre, ohne dass der Staatsanwalt einschreiten und/oder der Autor seinen Job verlieren würde: Der damalige Leiter der WDR-Filmredaktion wirft einem ehemaligen Intendanten vor, eine faschistische Einstellung zu haben, schreibt, dass er auch gerne die Rundfunkanstalten zerschlagen würde – wenn dies denn notwendig wäre – und schildert Fälle aus seinem Berufsalltag, in denen ein bürokratischer Programmdirektor die Produktion progressiver Filme verhindert. Im gleichen Heft wirft ein anderer Autor der Zeitschrift selbst vor, den Klassenkampf zu behindern, indem neben kritischen Beiträgen irgendwelche Fotostrecken von Filmstars abgedruckt würden. Das sei falsche Liberalität, die echtem sozialistischem Bewusstsein entgegenstünde.

Zum Jahreswechsel 1969/70 wurde dem Verleger das Treiben auf den Seiten der von ihm finanzierten Zeitschrift wohl zu bunt, und er entließ den Chefredakteur Werner Kließ. Die Debatte darüber fand wiederum auf den Seiten der Zeitschrift selbst statt, wie in einem interessanten Blogbeitrag auf newfilmkritik.de nachzulesen ist.  „film“ wandelte sich demnach in der Folge in ein belangloses Film- und TV-Magazin und wurde kurz darauf eingestellt – interessanterweise bevor mit dem „Neuen Deutschen Film“ ein gesellschaftskritisches und ästhetisch weitgehend „anti-kommerzielles“ Kino aus Deutschland seinen weltweiten Siegeszug antrat. (Dass der so linke Chefredakteur später Redakteur beim ZDF wurde und dort für belanglose Krimiserien wie „Derrick“ und „Der Alte“ verantwortlich war, ist dann eine ganz andere Fußnote der deutschen Filmgeschichte, aber natürlich auch irgendwie bezeichnend für den „Marsch durch die Institutionen“.)

Klar wirkt vieles von dem, was man in den alten Heften so liest, für einen damals nicht einmal geborenen Leser heute unfreiwillig komisch und naiv. Trotzdem ist mir das insgesamt noch allemal lieber als die Belanglosigkeit, die heute im überwiegenden Teil der Kulturzeitschriften so herrscht. Da geht es ja etwa bei den Kinozeitschriften meistens nur noch um filmästhetische, -dramaturgische und -historische Aspekte, vielleicht noch um filmökonomische, aber fast gar nicht mehr um gesellschaftliche. Eine echte Bereicherung ist hier „Cargo“, wo zumindest versucht wird, die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und Rückwirkungen des Mediums nicht auszublenden. Bei Zeitschriften zu anderen Medien fällt mir gar kein entsprechendes Beispiel ein. Die wiederbelebte „Comixene“ ist völlig unpolitisch, im Musikbereich kenne ich da auch nichts Entsprechendes. Manchmal denke ich beim Lesen solch alter Zeitschriften nostalgisch, man müsste mal wieder Andreas C. Knigge eine Comiczeitschrift machen lassen oder Wim Wenders eine Kinozeitschrift. Wobei ich auch nicht weiß, wie viel von deren politischem Bewusstsein heute noch übrig ist.

Was die Autoren von „film“ grandios fanden: die Italo-Western von Sergio Corbucci, weil die angeblich die zynische Gewalttätigkeit des Kapitalismus‘ widerspiegelten. Was ich noch über die damalige Filmszene gelernt habe: der „Schwedenfilm“ erfreute sich großer Beliebtheit unter den Zuschauern, gemeint waren damit Soft-Erotikfilme aus Skandinavien. Und Bergman sei angeblich auch reaktionär gewesen, zumindest was seine Sexualmoral anginge. Aber das ist dann wieder eine ganz andere Geschichte.